Ukrainische Praktikantinnen lernten in der Stiftung Alpenruhe
19.04.2024 SaanenZwei ukrainische Werkstattleiterinnen und ihre Übersetzerin besuchten im Rahmen eines Kurzpraktikums die Stiftung Alpenruhe. Sie erhielten praktische Anregungen für ihre Arbeit mit beeinträchtigten Menschen und nahmen erstaunt Kenntnis von gewissen Unterschieden zwischen der ...
Zwei ukrainische Werkstattleiterinnen und ihre Übersetzerin besuchten im Rahmen eines Kurzpraktikums die Stiftung Alpenruhe. Sie erhielten praktische Anregungen für ihre Arbeit mit beeinträchtigten Menschen und nahmen erstaunt Kenntnis von gewissen Unterschieden zwischen der Schweiz und ihrer Heimat.
Saaner Know-how für ukrainische Praktikantinnen
Fünf ukrainische Werkstattleiterinnen absolvierten in der Schweiz in verschiedenen Institutionen eine Praktikumswoche. Auch die Stiftung Alpenruhe in Saanen hat ihr Wissen mit den Ukrainerinnen geteilt.
KEREM S. MAURER
Laut einer Medienmitteilung des Schweizer Vereins Parasolka – was so viel wie Regenschirm bedeutet – wurden Menschen während der Sowjetzeit (1922 bis 1991, Anm. d. Red.) dazu gedrängt, ihre behinderten Kinder dem Staat abzugeben, der sie in «abgelegenen Waisenhäusern» verwahrte. Eines dieser Waisenhäuser sei die Institution Vilshany, wo heute 189 Menschen mit Beeinträchtigungen leben. Zwölf von ihnen kommen aus dem Kriegsgebiet in Luhansk.
Geringe Förderung, keine Beschäftigung
In Vilshany habe es bis vor wenigen Jahren nur eine geringe Förderung und keine Beschäftigung gegeben, heisst es in der Mitteilung. In Zusammenarbeit mit der einheimischen Nichtregierungsorganisation CAMZ (Comité d’Aide Médicale Zakarpattya) habe der im Jahr 2007 gegründete Verein Parasolka (siehe Kasten) Verbesserungen eingeleitet. Baufällige Räume seien renoviert und neue Strukturen aufgebaut worden. Da bis heute in der Ukraine eine praktische Ausbildung fehle, führten Fachkräfte aus der Schweiz ukrainische Mitarbeitende in Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten ein. In den letzten Jahren haben allerdings zuerst infolge der Pandemie, dann wegen des Ukrainekriegs keine Workshops mehr durchgeführt werden können. Deshalb habe Chantal Moor, Sozialpädagogin und im Parasolka-Vorstand für die Arbeitsagogik zuständig, Kurzpraktika für fünf ukrainische Frauen in der Schweiz organisiert.
Grosse Unterschiede
Die vier Institutionen (Silea, Gwatt; Orte zum Leben, Lenzburg; tilia – Wohnen und Beschäftigung, Reinach, und die Stiftung Alpenruhe, Saanen) öffneten für die Praktikantinnen ihre Türen. Barbara Beetschen, Bereichsleiterin Arbeiten in der Stiftung Alpenruhe, bestätigt auf Anfrage, dass zwei Praktikantinnen – Olena Mizun und Nataliia Mykulin – zusammen mit einer Übersetzerin die Stiftung Alpenruhe im Rahmen dieser Praktikumswoche an zwei Tagen besuchten. Gewohnt hatten sie während dieser Zeit in der Jugendherberge Saanen. «Die Praktikantinnen haben sich Fachwissen und Inspiration eingeholt beim Töpfern, bei verschiedenen Arbeiten im Bereich Papier und Textilien sowie generell zum Thema Arbeitsagogik», erklärt Barbara Beetschen.
Allgemein hätten die Praktikantinnen das Betreuungsniveau in der Schweiz gelobt, das wohl eine Folge der langjährigen Förderung sei, wie es dazu in der Medienmitteilung heisst. Und Barbara Beetschen ergänzt: «Sie waren sehr beeindruckt und interessiert, wobei sie natürlich in Bezug auf vorhandene Mittel und Strukturen grosse Unterschiede ausmachten.»
Lohnender Einsatz
Während Nataliia Mykulin von der Töpferei begeistert gewesen sei, habe sich Olena Muzin darüber gefreut, dass die in Vilshany hergestellten Kerzen den Vergleich mit jenen in Saanen nicht scheuen müssten. «Auch für uns war der Austausch sehr spannend. Es war beeindruckend, zu erfahren, mit welchem Engagement man sich in der Ukraine für Menschen mit Beeinträchtigungen einsetzt, trotz massiv weniger Ressourcen», resümiert Barbara Beetschen und ergänzt: «Wenn wir mit diesem zweitägigen Praktikum einen kleinen Beitrag leisten konnten, hat sich das bereits mehr als gelohnt.»
VEREIN PARASOLKA
Durch das Netzwerk Schweiz-Transkarpatien/Ukraine NeSTU entstand vor über 20 Jahren der Kontakt zu einem abgelegenen «Waisenhaus» in Vilshany in Transkarpatien, in welchem behinderte Kinder lebten. Der Gedanke, dass die jungen Menschen keine andere Zukunftsperspektive hatten als ein Leben in der psychiatrischen Anstalt, führte 2007 zur Gründung des Vereins Parasolka.
Mit Unterstützung der lokalen Partnerorganisation CAMZ und grosszügigen Spenden realisierte der Verein in Tjachiv in der Westukraine ein zeitgemässes Wohnheim.
Seit 2009 leben 25 junge Erwachsene mit einer geistigen, körperlichen und/oder psychischen Beeinträchtigung in dieser Modell-Institution. Der Verein setzt sich aber auch in anderen Bereichen für die Verbesserung der Lebenssituation und der gesellschaftlichen Akzeptanz der Menschen mit einer Beeinträchtigung in der Ukraine ein – unter anderem mit Projekten in der Früherziehung, der Tagesbetreuung, in der Aus- und Weiterbildung.
PD/KMA