Snowboardcross und Landwirtschaft
03.07.2025 SportIn ihrer noch jungen nationalen und internationalen Karriere schaffte Rosa Colella nach 37 Einsätzen, davon 15 Top-Ten-Platzierungen, den Sprung ins C-Kader von Swiss-Ski und das Europacup-Team Snowboardcross. Würde man die am Freitag des 31. August 2007 geborene Colella dem ...
In ihrer noch jungen nationalen und internationalen Karriere schaffte Rosa Colella nach 37 Einsätzen, davon 15 Top-Ten-Platzierungen, den Sprung ins C-Kader von Swiss-Ski und das Europacup-Team Snowboardcross. Würde man die am Freitag des 31. August 2007 geborene Colella dem keltischen Baumhoroskop zuordnen, hätte sie die Eigenschaften einer Kiefer, die da sind: vernünftig, rational, erfolgreich, fröhlich und unbeschwert.
EUGEN DORNBIERER-HAUSWIRTH
Rosa Colella selbst beschreibt sich als offen, lustig, mutig und immer neugierig für etwas Neues. Lächelnd meinte sie, es habe auch Platz für ein wenig Blödsinn, betonte jedoch im selben Gedankengang, dass sie sehr trainingsfleissig sei, da sonst keine Lorbeeren zu gewinnen seien.
Im dritten Altersjahr fuhr und rutschte Colella mit Ski auf den Pisten der Wispile. In der zweiten Schulklasse, im Rahmen der Snowdays, entdeckte sie das Snowboarden. Diese so quer zur Fahrtrichtung orientierte Körperposition zog ihr «voll den Ärmel rein». Ab sofort war Skifahren passé. In der Snowboard-JO Saanenland fühlte sie sich sofort heimisch.
Auf dem Snowboard fand sie mehr Gefallen an der Geschwindigkeit als an Tricks und hohen Luftsprüngen mit möglichst vielen Drehungen. Ein Trainer der JO schlug ihr vor, einmal an einem Snowboardcrossrennen teilzunehmen. In Leysin bestritt Rosa Colella ihr erstes U15-Rennen und belegte gleich den zweiten Rang. Die Freude darüber war überwältigend. In einem weiteren U15-Rennen an den Schweizermeisterschaften fuhr sie auf den undankbaren vierten Platz. Dem U15-Alter entwachsen, fuhr Colella in der Kategorie der U19 international, in der die Konkurrenz um einiges grösser war. Es galt, stets Vollgas zu geben, um ins Europacupteam zu gelangen.
Snowboardcross ist Adrenalin pur
In einem Snowboardcrosswettkampf bewältigen in der Regel vier Athletinnen gleichzeitig eine Abfahrtsstrecke. Gestartet wird nebeneinander aus einer Startbox. Der Parcours ist recht eng und mit diversen Herausforderungen (Schanzen, Kurven, Absätzen, Mulden und unterschiedlichen Neigungswinkeln) präpariert. Das fahrerische Können der Teilnehmerinnen wird extrem gefordert. Aufgrund der engen Streckenführung sind Kollisionen zwischen den Rennfahrerinnen nicht ungewöhnlich. Absichtliche Berührungen sind nicht erlaubt. Regelwidrigkeiten werden mit einer gelben Karte und/oder einer Sperre für das nächste Rennen bestraft. Alle vier Fahrerinnen geben auf der circa eine Minute dauernden Fahrt Vollgas. Die zwei Schnellsten kommen eine Runde weiter.
Zweite Leidenschaft
Nach der dritten Sekundarklasse begann Rosa Colella die Lehre als Landwirtin. «Ich war fünf Jahre alt, als meine Eltern auf einen Bauernhof zogen. Die Umgebung mit Kühen, Katzen, Hasen und Hühnern war mein Paradies», so die junge Frau. Sie liebt die Tiere, half gerne im Stall und wollte ihre zweite Leidenschaft neben dem Snowboardcross zu ihrem Beruf machen.
Derzeit betreut sie 40 Kühe auf der Alp Reusch. Jörg Gander, ihr Lehrmeister, ist sehr sportfreundlich und unterstützt sie in allen Belangen. Colella besucht in Zollikofen die Landwirtschaftsschule. In der Regel dauert die Ausbildung drei Jahre, für sie als Sportlerin allerdings vier.
Dorli, die Lieblingskuh!
Die Arbeit auf dem Feld und im Stall bereiten Rosa Colella grosse Freude. Die Zeit mit den Tieren hilft ihr, Nervosität abzubauen, geduldig zu bleiben. «Meine Kühe verhalten sich oft wie wir Menschen – sie fördern und fordern. Manche sind schüchtern, andere vorwitzig. Ganz besonders ist meine Dorli, die ist sehr anhänglich und will immer «schmüsele».
«Ich habe meinen Eltern und meinem Arbeitgeber viel zu verdanken!»
EUGEN DORNBIERER-HAUSWIRTH
Welches war Ihr Berufswunsch?
Tierärztin oder Landwirtin. Nach der Sekundarschule wollte ich arbeiten, also nicht ans Gymi und die Matura machen. Man riet mir zwar den Sportgymer, weil die Kombination mit dem Sport einfacher wäre als über den Weg einer Lehre. «Ja», sagte ich, «das wäre einfacher, aber es macht mich nicht glücklich. Ich möchte etwas, das ich gerne mache, und ich habe die Disziplin, das so durchzuziehen.» Die Resultate in der Sportart Snowboardcross bestätigen meinen Weg.
Auf dem zweiten Bildungsweg ist es problemlos möglich, später Tierärztin zu studieren. Das ist noch immer mein Traum.
Wer war Ihr sportliches Vorbild?
Tanja Frieden. Sie gewann bei den Olympischen Winterspielen 2006 in Turin die Goldmedaille. Snowboardcross war damals erstmals Teil des olympischen Wettkampfprogrammes. Und ich war wohl erst ein Wunsch meiner Eltern…
Beschreiben Sie Ihre sportlichen Tätigkeiten während der vier Jahreszeiten.
Winter: Wettkämpfe. Herbst: Gletschertraining in Saas-Fee und/oder St. Moritz. Sommer: Arbeiten auf dem landwirtschaftlichen Betrieb und Feilen an den konditionellen und koordinativen Fertigkeiten. Krafttraining mache ich allein, hier im Saanenland. Ich erhalte Trainingspläne meiner Trainer, die in Bern unser Trainingszentrum leiten. Einmal pro Monat trifft sich das Europacupteam zu einem dreitägigen Trainingskurs in Bern. Landwirtschaftliche Tätigkeiten sind auch gut für die Kondition! Ich bin immer in den Bergschuhen oder in den Stiefeln unterwegs. Da gehts auf den Alpweiden auf- und abwärts. Die Kühe eintreiben und den Kälbern «nacheseckle» kräftigt die Fuss- und Beinmuskulatur auch. Frühling: Saison ausklingen lassen, Pause machen, um dann sofort wieder Vollgas geben zu können. Ferien um Weihnachten/Neujahr.
Welches sind Ihre Tricks und Spezialitäten im Snowboardcross?
Ich bin extrem stark auf den Rollerflächen, also auf den Bodenwellen. Da gilt es, eine möglichst hohe Geschwindigkeit aufzubauen. Auch die Linkskurven, meine Frontside, liegen mir. Der Start war lange Zeit nicht meine Stärke. Dank intensivem Training bin ich zwischenzeitlich ordentlich gut. Besser kann ich in allen Bereichen werden, Luft nach oben gibt es überall!
Ihre sportlichen Ziele?
In der kommenden Saison will ich in die Top Ten der Gesamtwertung des Europacups. Das ist ein hohes, ambitioniertes Ziel – aber realistisch. Es lohnt sich, auf dieses Ziel hinzuarbeiten, um dereinst im Weltcupteam die Schweiz – auf dem Podest – vertreten zu dürfen.
Teilnahme an Olympischen Winterspielen?
Das ist mein grosser Traum. Aber Turin 2026 dürfte noch zu früh sein. Wer weiss, vielleicht 2030 in den französischen Alpen?
Unterstützt werden Sie…
… von meiner Familie, meinem Arbeitgeber Jörg Gander und zahlreichen Sponsoren aus dem Saanenland. An unserem Heimrennen auf dem Betelberg an der Lenk werden immer Helfende benötigt. Mein Vater hilft, obwohl er als Chefkoch recht wenig Freizeit hat. Aber auch meine Mutter und meine zwei jüngeren Schwestern unterstützen mich dabei, meine Ziele zu erreichen.