Saanen lehnt alpine Solaranlage erneut ab
11.06.2024 SaanenEiner Jahresrechnung mit Ertragsüberschuss, einer Kreditbewilligung für die Sanierung der Abwasserleitungen an der Egglistrasse und einem Erheblichkeitsantrag der SP stimmte das Saaner Stimmvolk zu. Eine klare Absage erteilte es der Gemeindeinitiative «Alpine Solaranlage ...
Einer Jahresrechnung mit Ertragsüberschuss, einer Kreditbewilligung für die Sanierung der Abwasserleitungen an der Egglistrasse und einem Erheblichkeitsantrag der SP stimmte das Saaner Stimmvolk zu. Eine klare Absage erteilte es der Gemeindeinitiative «Alpine Solaranlage im Saanenland».
JENNY STERCHI
Von den derzeit 3885 Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern, die derzeit ihren Erstwohnsitz in der Gemeinde Saanen haben, waren am Freitag 763 in die Tennishalle nach Gstaad gekommen. Der Anteil von 19,6 Prozent aller Stimmberechtigten entschied an der ordentlichen Gemeindeversammlung über verschiedene Anträge und offene Abstimmungsfragen.
Keine alpine Solaranlage
Die Argumente kamen von Gegnern und Befürwortern, nachdem Gemeindepräsident Toni von Grünigen die offene Abstimmungsfrage zur Gemeindeinitiative für eine alpine Solaranlage im Saanenland erläutert hatte. Während die Befürworter mit der Unabhängigkeit von ausländischen Stromlieferanten und Wertschöpfung in der Region warben, war den Gegnern eine alpine Solaranlage zu wenig innovativ, zu fremd in der durch ein striktes Baureglement geschützten Landschaft sowie nicht touristenfreundlich. Auch das vermutlich unternehmerische Interesse der Initianten, das für Misstrauen bei der Bevölkerung gesorgt habe, wurde mehrfach als Grund für ein Nein erwähnt.
Das Projekt SolSarine war letzten Dezember vom Saaner Stimmvolk abgelehnt worden. Die zustande gekommene Gemeindeinitiative sorgte mit 541 Unterschriften aus der Bevölkerung dafür, dass dieses Projekt nach einer Bearbeitung wiederum der Gemeindeversammlung vorgelegt wurde. Mit verringerter Fläche und der Möglichkeit für die Bevölkerung und der Gemeinde, sich finanziell an dem Vorhaben zu beteiligen, formulierte das Initiativkomitee erneut einen Projektvorschlag, über den die Gemeindeversammlung am letzten Freitag entschied.
Im Laufe der Diskussion zeichnete sich eine Mehrheit der Gegner des Projekts ab, die dann in der Abstimmung mit 539 Nein-Stimmen gegenüber 209 Ja-Stimmen sehr deutlich zur Realität wurde. Gemeindepräsident Toni von Grünigen kommentierte nach der Versammlung diese Stimmenverteilung so: «Die klare Entscheidung des Souveräns macht durch ihre Deutlichkeit keine weitere Diskussion nötig. Dies ist so zu akzeptieren.»
Sowohl für den Gemeinderat als auch für die Initianten ist das Projekt einer alpinen Solaranlage im Saanenland damit definitiv vom Tisch. Das Komitee der Gemeindeinitiative «Alpine Solaranlage im Saanenland» bedauere laut Pressemeldung das Resultat, werde sich aber weiterhin für Lösungen bezüglich nachhaltiger Energiegewinnung einsetzen.
Mit diesem Abstimmungsresultat erübrigte sich eine Folgeabstimmung zur geplanten Beteiligung am Aktienkapital, die als zweite Abstimmungsfrage in diesem Traktandum formuliert wurde.
Neue Abwasserleitungen
Der Fachbereich Infrastruktur begutachtete die Abwasserleitungen im Bereich Egglistrasse, nachdem die Eigentümerschaft der privaten Erschliessungsstrasse ihre Absicht der Leitungssanierung signalisiert hatte. Im Ergebnis der Bestandsaufnahme wurde deutlich, dass die Leitungen für das Schmutzwasser in schlechtem Zustand und ihre Kapazitätsgrenzen erreicht sind. Die Erneuerungs- und Sanierungsarbeiten werden Kosten in Höhe von voraussichtlich 1’285’000 Franken verursachen. Der Baustart des von der Finanzkommission als tragbar beurteilten Projekts soll spätestens im Frühjahr 2025 erfolgen, wie Gemeinderat Klaus Romang der Versammlung erklärte.
Dieser Antrag auf eine Krediterhöhung für dieses Projekt wurde schliesslich mit 706 Ja-Stimmen klar angenommen.
Erheblichkeitsantrag
In ihrem Erheblichkeitsantrag formulierte die SP den Auftrag an den Gemeinderat, den Verzicht auf Gemeindeabgaben, die derzeit auf die Stromrechnungen erhoben werden, zu prüfen. Der Erheblichkeitsantrag wurde von der Versammlung mit 515 Ja-Stimmen angenommen. Damit erhält der Gemeinderat, der die Ablehnung des Antrages empfohlen hatte, nun einen Prüfauftrag.
Gemeinderätin Patricia Matti erklärte, dass sich der Gemeinderat diesbezüglich mit der Erarbeitung eines Reglements für erneuerbare Energien beschäftige.
Gesunde Finanzlage
Vergleichsweise rasant verlief die Präsentation der Jahresrechnung. Zügig und dennoch sehr detailliert erläuterte Gemeinderat Nathanael Perreten die Rechnung des vergangenen Geschäftsjahrs. Sie weist im Gesamthaushalt einen Ertragsüberschuss von 1’012’943 Franken aus. Ein hoher Selbstfinanzierungsanteil (rund 85 Prozent) und Steuereinnahmen von 7,4 Millionen mehr als budgetiert machten die gesunde Finanzlage der Gemeinde Saanen deutlich. Dennoch gelte es, die Schuldenentwicklung im Auge zu behalten und Investitionen wohldurchdacht zu tätigen. Sie sind im Finanzplan festgehalten und betreffen zum Beispiel die Schulstrategie, das Eisbahnareal in Gstaad oder auch das Generationenprojekt Horneggli. Die Verschuldung der Gemeinde liegt im Moment bei rund 40 Millionen Franken. 723 anwesende Stimmberechtigte genehmigten die Jahresrechnung. Alle Entscheidungen wurden in geheimer Abstimmung und elektronisch getroffen.
Kommentar
Alternativen?
JENNY STERCHI
Demokratie braucht Verantwortung, die direkte Demokratie sogar die Verantwortung jeder und jedes Einzelnen. Am Beispiel der jüngsten Abstimmung im Saanenland heisst das: Wer dieser Variante der erneuerbaren Energie nicht zustimmen konnte, der hatte seine Gründe und es ist zu akzeptieren. Er ist aber zugleich in der Verantwortung, eine Alternative zu finden, einen Gegenvorschlag zu formulieren. Denn mit einem einfachen «Nein» ist es, vor allem beim Klimaschutz, nicht mehr getan. Dass hier die Zeit drängt, ist nicht verhandelbar. Beim jüngsten Hochwasserereignis in Süddeutschland sind mindestens sechs Tote zu beklagen, daneben wirtschaftliche und idealistische Totalschäden. Währenddessen erklärt Bayerns Spitzenpolitiker vor laufenden Kameras, dass so etwas nicht zu erwarten war. Und beweist, dass selbst er die gesamte Weltklimasituation noch nicht ganz einordnen kann. Ambitioniert erscheinende Fristen für den Umstieg auf erneuerbare Energien sind keine blosse Angstmacherei mehr. Der Wandel ist real, ob uns das gefällt oder nicht. Auch das Saanenland bleibt von Unwettern nicht verschont. Die steigende Schneefallgrenze und zu viel Regen in kurzer Zeit zeigen es immer deutlicher. Spätestens jetzt sind Massnahmen angezeigt, auch wenn sie schmerzen und Einschränkungen bedeuten. Sie werden mit Sicherheit nicht so einschneidend sein, wie das, was die Menschen in der Steiermark oder in Baden-Württemberg derzeit erleben. So klein steht der Mensch einer immer «launischeren» Natur gegenüber. Nicht das Nein zu SolSarine 2.0 hat mich erschreckt, vielmehr die Alternativlosigkeit an diesem Abend. Das Schöne zu bewahren, koste es, was es wolle. Sollte es nicht unser Anspruch sein, nichts unversucht zu lassen, unseren Nachkommen eine einigermassen funktionierende Grundlage zu übergeben? Und wenn es nicht die Solarenergie ist, dann brauchen wir sehr schnell ebensolche bahnbrechenden Innovationen, die in der Diskussion am Freitagabend den Vorfahren im Saanenland zugesprochen und lobend erwähnt wurden. Denn wir sind in der Verantwortung.