Das war ein unübertreffliches Schlussbouquet zum Festivalende
02.09.2024 KulturMit zwei unvergesslichen Konzertabenden im Festivalzelt mit dem London Symphony Orchestra unter der Leitung von Sir Antonio Pappano und zwei ausserordentlich hervorragenden Solisten verabschiedete sich heuer das Gstaad Menuhin Festival & Academy. Dieses Finale war einfach umwerfend ...
Mit zwei unvergesslichen Konzertabenden im Festivalzelt mit dem London Symphony Orchestra unter der Leitung von Sir Antonio Pappano und zwei ausserordentlich hervorragenden Solisten verabschiedete sich heuer das Gstaad Menuhin Festival & Academy. Dieses Finale war einfach umwerfend toll.
LOTTE BRENNER
Am Freitag war es die faszinierende Geigerin Vilde Frang, die mit ihrem satten, intensiven Spiel, leidenschaftlich kraftvoll bis zu hauchdünn zart, das Publikum faszinierte. Das romantisch anmutende, einzigartige Violinkonzert von Edward Elgar dauert ganze 50 Minuten. Geheimnisvoll führt es von einer Gemütsstimmung zur anderen. Es ist allerdings nicht nur wunderbar empfindsam in seiner musikalischen Originalität, sondern auch technisch äusserst anspruchsvoll in der Interpretation. Für Vilde Frang allerdings kein Problem. Selbst die kunstvoll eingefügte Kadenz, mit Schwierigkeiten ohnegleichen und trotzdem musikalisch wunderschön, spielte die aussergewöhnlich begnadete Violinistin mit bewundernswerter Leichtigkeit.
Yehudy Menuhin selbst zeigte sich 1932 anlässlich eines Besuchs in London und einem Treffen mit dem Komponisten Elgar von diesem Konzert äusserst beeindruckt. Diese Begegnung des Festivalgründers schwang im Konzert vom Freitag symbolisch mit.
Die Pauke als Soloinstrument
Am Samstag zog der Pianist Bertrand Chamayou die Zuhörerschaft in seinen Bann. Nur wenige Klaviervirtuosen wagten sich bisher an die «Burleske» für Klavier und Orchester in d-Moll von Richard Strauss, die den Interpreten sämtliche Techniken auf höchstem Niveau abfordert. Chamayou trat zusammen mit dem grossartigen Londoner Sinfonieorchester mit diesem selten aufgeführten Werk auf. Meisterhaft bewältigte er die kniffligen Passagen und mit grosser musikalischer Persönlichkeit verlieh er dem eigenwilligen Stück das gewisse Etwas, das Strauss mit ungewöhnlicher Originalität der Komposition mitgab. Leise und behutsam beginnt die Burleske mit einem melodiösen solistischen Paukeneinsatz. Und es ist die Pauke, die immer wiederkehrend das Thema mitbestimmt. Man könnte das Konzert auch durchaus als Burleske für Klavier, Pauke und Orchester bezeichnen. Schliesslich hat auch am Schluss, im zart gehauchten Ausklang, die Pauke das letzte Wort.
Bertrand Chamayou ist ein wundervoller Pianist, der die Schönheiten dieser Musik bis ins Kleinste umsetzte. Mit der impressionistischen Zugabe «Pavane pour un Infante défunte» von Maurice Ravel zeigte er nochmals sein subtiles Einfühlungsvermögen und eine tiefe Musikalität.
Durch und durch Musik
Sir Antonio Pappano leitete das unvergleichliche London Symphony Orchestra mit vollständiger Hingabe. Sein Dirigieren war so vollkommen, dass die Musik wohl auch ohne Instrumente, ohne Orchester wahrnehmbar gewesen wäre.
Das Orchester zeigte sich indes in sämtlichen Instrumentalgruppen perfekt. Nebst den Streichern stachen überragend gute Bläser (Flöten, Oboen, Klarinetten, Fagotte, Hörner, Trompeten), zwei Harfen sowie ausserordentlich beeindruckende Perkussionen, vor allem die Pauke, heraus.
Sei es anmutig am Samstag in der schwungvollen Ouvertüre zur Oper «Benvenuto Cellini« von Hector Berlioz oder eindrucksvoll am Freitag in der ereignisreichen, phantasievollen Sinfonie Nr. 1, dem «Titan» von Gustav Mahler: Das Orchester illustrierte alle Stimmungswechsel und Gefühlsregungen tief einprägend. Auf diesen Regenbogen einer spannenden, sinfonischen Dichtung antwortete das Publikum mit rekordverdächtig langen, stehenden Ovationen.
Transzendenz ins Weltall
Das diesjährige Festival schloss am Samstag mit der sphärischen Komposition «Die Planeten» von Gustav Holst. Diese Orchestersuite ist eine Reise durch das All, sinnbildlich auch eine Reise durch das Leben eines Menschen. Das Publikum folgte dem Orchester von Planet zu Planet und begegnete dem Kriegsbringer Mars, der Friedensbringerin Venus, dem geflügelten Boten Merkur, dem Jupiter, der Fröhlichkeit bringt, Saturn, dem Bringer des Alters, dem Magier Uranus und dem Mystiker Neptun. Einzigartig gestaltete sich der Schluss. Im Finale mit Neptun ertönte in der Ferne ein Chor aus rein weiblichen Stimmen, der dann bis zur totalen Stille verblasste.
Tief beeindruckt verliessen die Festivalbsucher:innen auch am Samstag das Zelt. Die beiden letzten Konzerte mit dem tollen Orchester aus London und ihrem einzigartigen Dirigenten waren ein absolut geglückter Schlusspunkt auf eine reich befrachtete, erfolgreiche Festivalsaison.