«Don’t stop believin’!»
09.09.2024 KulturDie Country Night Gstaad wird dieses Jahr 35 Jahre alt und ist in dieser Zeit zu einem bedeutenden Treffpunkt für Liebhaber dieser Musik geworden. Was als visionäres Projekt begann, hat sich zum wichtigsten europäischen Countrymusik-Festival entwickelt. Der Anlass ist ...
Die Country Night Gstaad wird dieses Jahr 35 Jahre alt und ist in dieser Zeit zu einem bedeutenden Treffpunkt für Liebhaber dieser Musik geworden. Was als visionäres Projekt begann, hat sich zum wichtigsten europäischen Countrymusik-Festival entwickelt. Der Anlass ist einzigartig und unverwechselbar – ein Fest der Musik und der Volkskultur, das Generationen von Liebhabern, Fans, Künstlerinnen und Künstlern begeistert hat.
THOMAS RAAFLAUB
Seit nun 35 Jahren heisst die Country Night Gstaad zahlreiche internationale Stars auf ihrer Bühne willkommen. Künstlerinnen und Künstler von Weltrang, die den gefühlvollen Klang der Countrymusik prägen, finden im Saanenland eine Bühne, auf der sie ihre Kunst mit einem treuen, aufmerksamen und begeisterten Publikum teilen können. Doch die Country Night Gstaad ist mehr als die Auftritte auf der Bühne – sie ist der Beweis für die verbindende Kraft der Musik, die Menschen unterschiedlicher Kulturen und Herkunft, Junge und Alte, Einheimische und Gäste zusammenführt, wie es der Auftritt der grossen Formation von Jodlerinnen und Jodlern an der Jubiläumsshow zusätzlich bewies. Marcel Bach sagte zur friedensstiftenden Fähigkeit der Musik: «Mehr Country bedeutet weniger Krieg und Probleme.» Recht hat er.
Die Country Night schreibt Musikgeschichte
Dieses Jubiläum ist ein weiterer Erfolg für die Organisatoren, es ist zudem ein Zeichen der anhaltenden Beliebtheit und der Wandlungsfähigkeit der Countrymusik weltweit. Die Country Night Gstaad hat eine Brücke zwischen der amerikanischen Musiktradition und der europäischen Kultur geschlagen und damit ein einzigartiges Kulturereignis geschaffen, das von überall her Menschen anlockt. Dank der Leute, die in den letzten 35 Jahren dazu beigetragen haben, die Country Night Gstaad zu dem zu machen, was sie heute ist – der Künstlerinnen und Künstler, der Organisatoren mit Marcel Bach, der Sponsoren und natürlich der treuen Fans, die jedes Jahr aufs Neue nach Gstaad pilgern, um die Musik und die ganz besondere Atmosphäre zu geniessen. Die Country Night Gstaad schreibt dieses Jahr zum 35. Mal Musikgeschichte und gestaltet damit auch die Zukunft der Countrymusik in Europa mit.
«Little Big Town»: Gänsehaut pur
«Little Big Town» ist für alle, die sich nicht zu den Countrymusik-Kennerinnen und -Kennern zählen, eine authentische Nashville-Band. Kimberley, Philip, Karen und Jimi stammen aus dem Süden der USA und haben im letzten Jahrzehnt bei ziemlich jeder Preisverleihung, die es gibt, mit ihren unglaublichen Harmonien Erfolg gehabt. Liest man sich jedoch durch die Meinungen der Insider in Nashville, so ist die Band eher eine Aussenseiterin. «Little Big Town» landet zwar alle paar Jahre einen grossen Radiohit wie «Girl Crush», «Better Man» oder «Pontoon», aber abgesehen davon ist sie stilistische Risiken eingegangen und macht eine Musik, die auch für Leute ausserhalb des Country gedacht ist und die sich wie eine vielfältige und sehr kreative Mischung aus Countryklängen anhört, denen die Spassmomente und alle Zutaten für beste Unterhaltung nie fehlen, was in Gstaad genau so zu hören war.
Stimmgewaltig, originell und energiegeladen zauberte die Band einen Gänsehautmoment nach dem anderen auf die Bühne. Besonders bei ihrer A-capella-Version eines Bluegrass-Songs – vier Stimmen ohne Instrumentalbegleitung – zeigte «Little Big Town» auf, wozu die Band musikalisch fähig ist. Unbestätigten Berichten zufolge sollen die Gämsen unterhalb der Hornfluh im Takt zu den lieblichen Klängen von «Little Big Town» mit den Ohren gewackelt haben. Der Umstand, dass die Sängerinnen und Sänger den Namen Gstaad auch nach etlichen Wiederholungen nicht korrekt aussprechen konnten, kann daher vernachlässigt werden.
«Chapel Hart»: Frauenpower pur
Wie erwähnt: Die Countrymusik entwickelt sich entgegen aller Unkenrufen ständig weiter und neue Stimmen finden ihren Platz in diesem Musikgenre. Ein Beispiel dafür ist die Band «Chapel Hart», die aus den drei Frauen Danica und Devynn Hart und ihrer Cousine Trea Swindle zusammengesetzt ist. Auf vielen Bühnen – auch auf derjenigen der Grand Ole Opry – hat «Chapel Hart» musikalische Grenzen überwunden. Religiös verankert und von einem festen Glauben geprägt, hat das Trio aus Mississippi einen langen musikalischen Weg zurückgelegt. Alben von George Strait und Kenny Rogers haben das Trio beeinflusst, dazu auch die Musik von Gretchen Wilson. Es war und ist eine ungewöhnliche Wahl einer afroamerikanischen Band, sich der Countrymusik zu widmen. Das musikalische Resultat der temperamentvollen Countrymusik-Harmonie-Gruppe darf sich hören lassen: Musik, die in der Tradition verwurzelt ist, aber eine kreative, fantasievolle, breite und moderne Ausprägung aufweist.
Die Show der drei Damen war pure Frauenpower. Es hätte den Hinweis auf die Erfolge bei «America’s Got Talent» nicht gebraucht: Das Publikum traute seinen Ohren und spendete begeisterten Applaus – auch stehenden und auch während des Auftritts. Die drei Stimmen füllten das Zelt bis in den letzten Winkel mit einer Fülle von zu Herzen gehenden Klängen. Irgendwann tanzten dann 20 Freiwillige vor der Bühne, während die Band die Stimmung weiter anheizte. Doch nicht genug: Mit «Don’t stop believin’» wurde die Begeisterung weiter gesteigert, um mit dem A-capella-Song «Jolene» einen weiteren Höhepunkt zu erreichen. Wer da keine Gänsehaus bekam, der hatte die Ohrenstöpsel zu weit in die Ohren gestossen.
Tyler Booth: Bariton pur
Wie Tyler Childers und Sturgill Simpson ist Tyler Booth ein Countrysänger aus Kentucky mit einem Hang für traditionelle Klänge. Mit seiner Vorliebe für Honky Tonk und Barroom-Hymnen steht er in der Tradition von Alan Jackson und Randy Travis. Seine tiefe Baritonstimme erinnert manchmal an die von Josh Turner. Booth verleiht alten Klängen neue Frische, eine Gabe, die auch in Gstaad gut hörbar war.
Mit seinem kräftigen Bariton und der Fülle von Songs unterstrich der Musiker, dass er live mindestens genauso gut ist wie auf seinen Aufnahmen. Er blieb seinen Wurzeln treu und machte die traditionelle Musik, die ihm liegt und die er machen will. Sein Talent liess ihn bereits zusammen mit namhaften Künstlern wie Darius Rucker, Jon Pardi, «Brooks & Dunn» und Cody Johnson zusammen arbeiten. Durch seine unzähligen Auftritte in vielen Tourneen hat er sich eine treue Fangemeinde aufgebaut, was seine Follower von über einer Million Menschen in den sozialen Medien beweisen.
Zehn Jahre waren geplant – 35 sind es geworden
In der Jubiläumsshow wurde auch ein Film mit einem Rückblick auf die 35 Jahre gezeigt: Für den Journalisten des «Anzeigers von Saanen» auch ein Hinweis auf sein fortgeschrittenes Alter. Die Freude über das Wiedersehen mit all den bekannten Gesichtern und dem Wiedererkennen der dazugehörenden Songs machte viel Freude. Deshalb: Auf die nächsten 35 Jahre, in denen die Country Night Gstaad weiterhin Musikgeschichte schreiben und die Herzen von Countryfans auf der ganzen Welt erobern wird! Ich glaube daran, auch wenn ich das 70-Jahr-Jubiläum wohl nicht mehr erleben werde. «Don’t stop believin’!»
WEITERE FOTOS ZUR JUBILÄUMSAUSGABE
AUF DEN SEITEN 6 UND 7
IN DER TENNISHALLE GETROFFEN: ELODIE, LYO UND JURI
Die drei Kinder sassen mit ihren Grosseltern in der Tennishalle: Mit Ätti und Mutti (Grossmutti) hatten sie sich zuvor auf dem Rummelplatz, auf der Hüpfburg und bei den Putschautos vergnügt und lutschten jetzt an Schleckstängel und assen Pommesfrites, grosszügig gespendet vom Ätti, dem Indianer- und South-Dakota-Kenner. Mutter Isabelle, verheiratet mit einem Landwirt in der Nähe von Thun, hatte mit der Kartoffelernte zu tun und war deshalb froh über den Hütedienst im Saanenland. Eine interessante Person, diese Mutter. Sie ist nicht nur als Kartoffelernterin aktiv, sondern auch eine begnadete Sängerin, wie Tochter Elodie beweist: Zusammen mit dem Journalisten singt sie am Tisch in der Tennishalle fehlerfrei, auswendig und zu John Denvers «Country Roads»-Melodie:
«Chunnsch am Aben uber d’Möser in, tuet sich ds Tal vor dinen Ougen uf. Va de Gruebe gsehsch due bis i ds Gstaad, gsehsch ir Wyti ds Wildhore u der Nägeligrat.
Saaneland, bisch mis Tal. Bäch u Matti uberall. Schnee u Felsa, höji Bärga. Chume heim, Saaneland.»