Das Publikum wählte letztes Jahr die 19-jährige Geigerin Anna Naomi Schultsz zur Gewinnerin des Public Voting der Reihe Jeunes Etoiles. Den Preis – ein Auftritt an einem Abendkonzert des nächsten Menuhin Festivals – löste die Baslerin jüngst in der ...
Das Publikum wählte letztes Jahr die 19-jährige Geigerin Anna Naomi Schultsz zur Gewinnerin des Public Voting der Reihe Jeunes Etoiles. Den Preis – ein Auftritt an einem Abendkonzert des nächsten Menuhin Festivals – löste die Baslerin jüngst in der Kirche Rougemont ein.
ÇETIN KÖKSAL
Beethovens anspruchsvolle «Kreutzer»-Sonate stand gleich zu Konzertbeginn auf dem Programm. Am Klavier «begleitete» Chiara Opalio, wobei sich das Zusammenspiel der beiden Musikerinnen bei Grieg deutlich harmonischer gestaltete. Wie im «richtigen» Leben, braucht es manchmal seine Zeit, bis man sich aufeinander eingestellt hat. Anna Schultsz wählte bewusst ein langsames Tempo für diesen grossen Klassiker des Violinsonaten-Repertoires. Welch ein Hörgenuss und «Chapeau!» für diese mutige Entscheidung! Denn schnell spielen ist – paradoxerweise – oftmals einfacher als langsam zu spielen. Die Gefahr, dass der Spannungsbogen abreisst und die Interpretation in einzelne Abschnitte zerfällt, anstatt als Ganzes wahrgenommen zu werden, ist viel grösser. Passiert dies unglücklicherweise einem Musiker, nehmen wir die Interpretation als langweilig wahr. Gerade Nachwuchstalente wollen oftmals mit ihrer virtuosen Technik brillieren und wählen daher sehr sportliche Tempi. Natürlich spielt dabei der jugendliche «Sturm und Drang» ebenso eine gewisse Rolle. Umso bemerkenswerter ist es deshalb, wenn sich Jungtalente in einer Weise in die Musik vertiefen, sich mit ihr gründlich auseinandersetzen, wie dies Schultsz tut – leise Töne anstatt effektvolle Griffbrettakrobatik…
Grieg anstatt Chatschaturjan
Die junge Geigerin gefiel zudem mit einer breiten und nuancierten Klangvielfalt, die sie ihrem schönen Instrument zu entlocken wusste. Auch bei Edvard Griegs 3. Sonate für Geige und Klavier mit seinen romantischen Stimmungswechseln, Frage- und Antwortspielen und «Gefühlsausbrüchen» konnte Anna Schultsz ihr musikalisches Verständnis unter Beweis stellen. Da funktionierte die Kommunikation mit der venezianischen Pianistin Chiara Opalio dann auch vollends. Die erfahrenere Musikerin am Klavier meisterte den anspruchsvollen Part mit erfrischender Leichtigkeit. Eigentlich stand Aram Chatschaturjans Geigensonate auf dem Programm – die kurzfristige Änderung zu Edvard Grieg schmälerte die Freude am Konzert jedoch, wie geschildert, in keiner Weise. Zwischen dem 18. und 19. Jahrhundert (Beethoven/Grieg) machte Schultsz einen Ausflug ins 20. bzw. 21. Jahrhundert zu dem 1939 geborenen Heinz Holliger, der – Gott seis gedankt – ja noch unter uns weilt. Aus den von ihm komponierten sieben «Soli»-Stücken für Solo-Geige spielte sie «Das Mädchen vom weissen Stein», welches Holliger für die Mitgründerin des Chamber Orchestra of Europe, Marieke Blankestijn, schrieb. Als Zugabe gab es die Sarabande aus der 2. Partita für Sologeige von Johann Sebastian Bach. Passend zum vorangehenden Programm wurde auch diese sehr gepflegt (im besten Sinne) und mit viel Aufmerksamkeit für die Details vorgetragen. Anna Naomi Schultsz hebt sich bereits jetzt durch ihren eigenen Stil von vielen Altersgenossen ihrer «Zunft» ab. Es wird spannend bleiben, ihre musikalische Reise weiterzuverfolgen.