GV Menuhin Center: Weg von der IMMA, hin zur Region
02.12.2025 RegionNeue Statuten, neue Ausrichtung, neue digitale Möglichkeiten: Das Menuhin Center stellt sich breiter und regionaler auf. An der GV wurde klar, wohin die Reise geht.
SONJA WOLF
Im heimeligen Yehudi-Menuhin-Museum, zwischen ...
Neue Statuten, neue Ausrichtung, neue digitale Möglichkeiten: Das Menuhin Center stellt sich breiter und regionaler auf. An der GV wurde klar, wohin die Reise geht.
SONJA WOLF
Im heimeligen Yehudi-Menuhin-Museum, zwischen Holzwänden, Bücherregalen und warmem Lampenlicht, traf sich eine kleine, engagierte Runde zur diesjährigen Generalversammlung, diskutierte und bestimmte über die Zukunft des Vereins. Präsident Çetin Köksal brachte es auf den Punkt: «Wir wollen Verantwortung übernehmen – und zwar hier im Saanenland.» Die Versammlung zeigte: Das Menuhin Center richtet sich neu aus. Und zwar deutlicher, konsequenter und regionaler als zuvor.
Neuausrichtung: Abkehr von der IMMA
Die deutlichste Weichenstellung der diesjährigen GV betrifft die konsequente Distanzierung von der International Menuhin Music Academy (IMMA). Nachdem im Sommer 2024 nationale Medien über Skandale, Führungschaos und die Insolvenz der Stiftung berichteten, ist die Zukunft der IMMA nach wie vor unklar. «Die Aktivitäten der IMMA sind im Ungewissen – wenn überhaupt etwas passiert, dann in Rolle», sagte Präsident Köksal. Nachdem mehrere Stiftungsräte zurücktraten, setzte die Stiftungsaufsicht des Kantons Bern einen Sachwalter ein, der das Ruder übernahm. (Wir haben berichtet.)
Für den Verein war damit klar: Eine strukturelle oder finanzielle Nähe ist nicht länger verantwortbar. Der Zweckartikel der Statuten – jener Absatz, der festhält, wofür der Verein seine Mittel verwenden darf – wurde vollständig überarbeitet. Der Bezug zur IMMA wurde gestrichen; stattdessen konzentriert sich der Zweck nun auf das Museum, den Philosophenweg und regionale Aktivitäten oder Veranstaltungen im Geist Yehudi Menuhins.
«Wir wollen unsere Energie nicht in Krisen anderswo stecken, sondern in Projekte, die hier im Saanenland Wirkung zeigen», betonte Köksal. Die Anpassung erfolgte auch auf Wunsch der Gemeinde Saanen, die künftige Unterstützungsvereinbarungen an klare Verhältnisse knüpft.
Als logische Folge löste der Verein auch den Stipendienfonds über 27’000 Franken auf, der einst für IMMA-Studierende gedacht war. Die Mittel sind inzwischen in diverse eigene Projekte geflossen.
Als Konsequenz ist der Name des Vereins künftig nur noch Menuhin Center. Der Zusatz «Freunde der IMMA» wurde gestrichen. Auch der Name des Museums wurde angepasst: Aus dem Menuhin Center Saanen wurde das Yehudi-Menuhin-Museum – ein Name, der ohnehin längst im Sprachgebrauch angekommen war und nun Klarheit schafft.
Digitalisierung: Musik und Archiv neu erlebbar
Ein weiteres grosses Thema war die Digitalisierung des Museums. Der erste Teil des Projekts ist bereits abgeschlossen: Über einen neuen Bildschirm können Gäste nun alle CD-Aufnahmen sowie diverse Musikvideos direkt im Museum auswählen und anhören. «Viele wünschten sich, im Museum Musik zu hören – aber nicht einfach als Dauerberieselung», erklärte Köksal. Mit der neuen Lösung entscheiden die Besucher selbst, welche Musik sie hören möchten. Die Bedienung ist bewusst einfach gehalten: Der Bildschirm und das System schalten sich automatisch zu den Öffnungszeiten ein und aus; das Tourismusbüro weist beim Schlüsselbezug künftig aktiv darauf hin.
Für das kommende Jahr plant der Verein die zweite Etappe: Ausgewählte Vinyl-Schallplatten, historische Fotos und Archivmaterialien sollen digitalisiert werden. «Die Sammlung soll nicht nur gesehen, sondern erlebt werden», so der Präsident.
Was brachte das vergangene Jahr?
Präsident Çetin Köksal liess die bedeutendsten Ereignisse des Jahres 2024 Revue passieren und wies auch auf ihre künftige Bedeutung hin.
Der erneuerte Philosophenweg
Ein Höhepunkt 2024 war die Wiedereröffnung des neu gestalteten Yehudi-Menuhin-Philosophenwegs. Zusätzliche Zitate aus aller Welt, neu gestaltete Tafeln und ein klareres Konzept fanden grossen Anklang. Dieses umfassende Projekt konnte nur dank einmaliger, grosszügiger Sponsoringbeiträge realisiert werden. Der Weg gehört mittlerweile zu den beliebtesten Spazierzielen zwischen Gstaad und Saanen.
Das Gönnerkonzert «Back to the roots»
Emotional wurde es im Rückblick auf das Konzert, das der Verein im Frühling 2024 gemeinsam mit Franziska Haldi organisiert hatte. Ehemalige IMMA-Studierende spielten in der Kirche Saanen – «ein Wiederaufleben der IMMA-Blütezeiten» nach Köksal – kurz vor Franziska Haldis überraschendem Tod. Die Kollekte wurde, wie mit ihr vereinbart, an die Stiftung Alpenruhe und den Sozialdienst Saanenland verteilt.
Der Alberto-Lysy-Wettbewerb
Ebenfalls Teil des Rückblicks: die erfolgreiche dritte Ausgabe der Alberto Lysy International Violin Competition im Kirchgemeindehaus Gstaad. Besonders erfreut zeigte sich der Vorstand über die Unterbringung zahlreicher Kandidaten bei Gastfamilien. Für 2026 ist ein Höhepunkt angekündigt: Die Finalisten werden in der Kirche Saanen auftreten, begleitet vom Sinfonieorchester St. Gallen, das auf eine Gage verzichtet.
Führungen für Schulkinder
Ein Projekt, das 2024 erstmals umgesetzt wurde und sofort Anklang fand, sind die interaktiven Führungen für Schulklassen. Obwohl viele Kinder keinen Bezug zur klassischen Musik hatten, gelang es Kursleiterin Lana Zickgraf, sie spielerisch abzuholen. Künftig sollen vier Klassen pro Jahr das Museum besuchen – mit dem Ziel, dass jedes Kind im Saanenland einmal in seinem Schulleben Menuhin begegnet.
FINANZEN: SOLIDE TROTZ GROSSER PROJEK TE
Trotz der umfangreichen Arbeiten am Philosophenweg und dem Gönnerkonzert schliesst der Verein das Jahr mit einem überschaubaren Verlust von 534 Franken ab. Der Verein steht finanziell stabil da. Damit dies auch so bleiben kann, heisst das Menuhin Center neue Vereinsmitglieder herzlich willlkommen. Die Revisionsstelle bestätigte eine einwandfreie Buchführung.
SWO


