«Die Unterstützung ist überholt und nicht zielgerichtet»

  01.02.2022 Sport, Politik, Kanton, Tourismus, Verwaltungskreis Obersimmental-Saanen

Matthias Matti, Zweisimmer Grossrat (Die Mitte) und Vizepräsident des Verwaltungsrates der Bergbahnen Destination Gstaad AG, und der Schönrieder Grossrat Hans Schär (FDP) verlangen vom Kanton Bern die Gleichbehandlung des touristischen Verkehrs. Der Regierungsrat lehnt die Motion ab, Matti gibt sich aber kämpferisch.

Geht es um finanzielle Beiträge, werden touristische Bahnen ungleich behandelt. Während Eisenbahnen wie die Schynige-Platte-Bahn mit Millionen unterstützt werden, bekommen Seilbahnunternehmen nichts. Daran stören sich die beiden Oberländer Grossräte Matthias Matti und Hans Schär. Mit einer Motion wollen sie dies ändern.

Mit ihrer Motion wird der Regierungsrat wird wie folgt beauftragt:
1. Der Kanton kann Beiträge an touristischen Verkehr gewähren, wenn dieser für eine Region von wesentlicher Bedeutung ist.
2. Innovativer, nachhaltiger touristischer Verkehr soll gefördert werden.
3. Der Kanton definiert Kriterien, ab wann touristischer Verkehr von wesentlicher Bedeutung ist.
4. Der CO2-Ausstoss soll bei unterstützungsberechtigten Vorhaben verkleinert werden.
5. Artikel 9* des Gesetzes über den öffentlichen Verkehr ist entsprechend anzupassen.
Der Tourismus sei ein wichtiger Träger der Volkswirtschaft im Kanton Bern. Der touristische Verkehr (Eisenbahnen, Schifffahrtsunternehmen, aber auch Seilbahnunternehmen) werde heute unterschiedlich behandelt, heisst es in der Begründung. Die Diskussion über den Investitionsbeitrag zur Schynige-Platte-Bahn habe gezeigt, dass der Kanton den touristischen Verkehr unterstützen wolle. «Die Unterstützung nach Artikel 9 ist jedoch überholt und heute nicht mehr zielgerichtet», so die Motionäre. «Aus welchem Grund sollen Eisenbahnen in der heutigen Zeit gegenüber einer innovativen Seilbahn, einer Drahtseilbahn usw. zu einem touristischen Zielort bessergestellt werden?» Für eine Änderung spreche Artikel 1 des Gesetzes. Unter Absatz 2 stehe, das Gesetz soll die Umweltbelastung und den Energieverbrauch des gesamten Verkehrs vermindern und eine geordnete Besiedlung fördern. «Eine bodenunabhängige Bahn schlägt heute jede Eisenbahn in der Umweltbilanz um ein Mehrfaches», begründen die Motionäre. «Artikel 9 setzt falsche Anreize und soll entsprechend geändert werden», verlangen sie.

Regierungsrat lehnt die Motion ab
Der öffentliche Verkehr umfasse verkehrliche Angebote mit regelmässigen Fahrten gemäss einem definierten Fahrplan, heisst es in der Antwort des Regierungsrates. Im Grundsatz unterstütze die öffentliche Hand des Kantons den regionalen Personenverkehr, der nicht kostendeckend betrieben werden könne. «Damit verfolgt der Kanton verschiedene Ziele. Beispielsweise garantiert er die Erschliessung mit dem öffentlichen Verkehr, einen guten Service public sowie weitere Ziele in den Bereichen Umwelt, Energie und Raumplanung.»

Im Gegensatz dazu komme touristischen Angeboten keine Erschliessungsfunktion zu, «sie richten sich in der Regel nach dem Prinzip von Angebot und Nachfrage und können kostendeckend oder mit Gewinn betrieben werden». Der Kanton habe keinen Auftrag, touristische Angebote zu finanzieren. Deshalb seien sie grundsätzlich von der Unterstützung durch die öffentliche Hand gemäss Gesetz für den öffentlichen Verkehr (ÖVG) ausgenommen.

Allerdings gebe es gemäss Art. 9 ÖVG Ausnahmen bei Eisenbahn- und Schifffahrtsunternehmen des touristischen Verkehrs, die für eine Region von wesentlicher Bedeutung seien. «Das betrifft beispielsweise traditionelle touristische Unternehmungen, die aufgrund der teuren Infrastruktur nicht ohne staatliche Unterstützung betrieben werden können. «Damit werden die Weiterführung der bisherigen Praxis und der Erhalt von traditionell und touristisch wichtigen Angeboten ermöglicht, wie eben die Schynige-Platte-Bahn oder die Brienz– Rothorn-Bahn.» Angebote des touristischen Verkehrs seien zudem nur förderungswürdig, wenn sie durch den öffentlichen Verkehr hinreichend erschlossen seien. «Touristische Seilbahnen, Skilifte und touristische Buslinien können demgegenüber wegen vergleichsweise tiefen Investitionsund Betriebskosten mehrheitlich kostendeckend betrieben werden», schreibt der Regierungsrat. In Einzelfällen seien Investitionsdarlehen und Beiträge gestützt auf das Kantonale Investitionshilfegesetz (KIHG) und das Tourismusentwicklungsgesetz (TEG) möglich. In der Praxis werde die Unterstützung über das ÖVG klar von der Unterstützung durch das TEG abgegrenzt. Der Regierungsrat erachte die bewährte Aufgabenteilung zwischen VG, KIHG und TEG weiterhin als zweckmässig und fokussiert. Sie ermöglicht es, Fördermittel durch die öffentliche Hand zielgerichtet und nachhaltig zu sprechen. Das sei insbesondere auch vor dem Hintergrund der angespannten Kantonsfinanzen und der dadurch hervorgerufenen Notwendigkeit von Priorisierungen zentral. Der Regierungsrat erkenne aus diesen Gründen keine Notwendigkeit, das bewährte System zu ändern und beantragt, die Motion abzulehnen.

Mit Argumenten überzeugen
Matthias Matti gibt sich kämpferisch. Er werde sich weiter für die Förderung des Tourismus engagieren. Und die Zeit bis zur Frühlingssession – dann kommt die Motion in den Grossen Rat – will er nutzen, um Argumente zu sammeln, mit denen er seine Ratskolleginnen und -kollegen für sein Anliegen überzeugen kann. Aufgeben ist für ihn kein Thema. Der Tourismus sei für die Region zu wichtig, so Matti.

*Artikel 9 des Gesetzes über den öffentlichen Verkehr regelt, dass der Kanton ausnahmsweise auch Beiträge an Eisenbahn- und Schifffahrtsunternehmungen des touristischen Verkehrs gewähren kann, sofern dieser für eine Region von wesentlicher Bedeutung ist.


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