Ein Festabend für die Violine
10.08.2018 Konzert, Kultur, MusikMit dem Auftritt einer ganzen Parade von jungen, hervorragenden Musikerinnen und Musikern setzte das Orchester der IMMA-Soloists ein begeisterndes Ausrufezeichen für die von Yehudi Menuhin entfachte Idee, talentierten Violinistinnen und Violinisten eine dreijährige Ausbildung in seiner Akademie zu bieten.
KLAUS BURKHALTER
In einem zweiteiligen Programm offenbarte das Ensemble unter der Leitung seines Professors Oleg Kaskiv den Reichtum der Musik für Streicher sowohl als kompaktes Sinfonieorchester wie auch in vielen exquisiten Solostücken.
Beethovens «Eroica»
Vielleicht mit gewissen Vorbehalten erwartete man den Konzertbeginn: Die 3. Beethovensinfonie nur mit Streicherbesetzung? Ohne Bläser und Pauken? Wie sollte das tönen? Und dies gleich am Anfang des Programms? Die Verantwortlichen hatten sich wohl Beethovens Worte zu Herzen genommen, die er 1806 in der Erstausgabe seiner Partitur geschrieben hatte: «Diese Sinfonie, die über das gewohnte Mass ausgedehnt ist, möge lieber kurz nach Beginn, als gegen das Ende einer musikalischen Veranstaltung angesetzt werden. Sie würde sonst, wenn der Zuhörer von dem Vorangegangenen bereits ermüdet ist, von ihrer Wirkung verlieren.»
Vom ersten Ton-Einsatz an wurden alle Bedenken weggefegt. Das 15-köpfige Streicherensemble packte das grosse Werk mit leidenschaftlicher Tonsprache an. Es eröffnete einen besonderen Zugang, ein neues Kennenlernen der bekannten Melodien. Das Arrangement von A. Polgar für die Menuhin Academy Soloists enthielt alle Finessen und Ausdrucksvarianten, einfach in anderer Form. Als Zuhörer hatte man sich rasch eingelebt, die Zweifel wichen der Begeisterung. Nur herausragenden Könnern war eine solch intensive Eroica-Darstellung möglich: Gewaltige dynamische Gegensätze, singende Themen und riesige Tempi prägten den langen Kopfsatz. Innige, solistisch gespielte Melodien drückten die ergreifende Komposition des «Marcia funebre», des Trauermarsches, aus. Mit selbstverständlicher Leichtigkeit und unerhörter Präzision in den Staccati wurde das beschwingte Scherzo zu einem richtigen «Violinen – Schmaus». Und auch im Finale, wo in vielen Variationen mit Zupfen, starken Akkorden und zuletzt stürmend fanfarenfrohen Läufen ein phänomenaler Ausdruck erreicht wurde, spürte und sah man, wie alle in Camerata-Form hingebungsvoll spielenden Mitwirkenden mit dieser Eroica-Darstellung auch ihre persönliche Freude und Begeisterung empfanden.
Solistische Höhepunkte
Der zweit Teil des Abends bescherte dem wiederum in hellen Scharen aufmarschierten Publikum ein an Abwechslung kaum zu überbietendes Programm. Nun erlebte man die «Soloists» hautnah in ihren eigenen Interpretationen von Bravourstücken verschiedenster Komponisten. Und wie sie sich präsentierten! Den Zuhörenden blieb oft einfach der Atem stocken bei vielen total virtuosen Passagen. Einige Höhepunkte seien hier herausgegriffen: Oleg Kaskiv, der ruhige, umsichtige, liebenswürdige Primus des Orchesters, setzte mit Blochs «Abodah», einer Jom-Kippur-Melodie, den Anfang. Menuhin hatte dieses Stück in jungen Jahren uraufgeführt. Nun verlieh ihm Kaskiv eine innig-ausdrucksvolle Wiedergabe mit seinem satten, weichen Ton und seinem beeindruckenden Vibrato. Als wahre «Teufelsgeigerin» entpuppte sich Ryosuke Suho. In Tschaikowskys «Valse-Scherzo» spielte sie zum Tanz auf, voller Energie, aber auch Empfindsamkeit, mit vielen Doppelgriffen. In Hindemiths Suite drückte Dor Sperber mit seinem gross-füllenden Bratschenton die echte Trauermusik für den englischen König George V. aus. Mit spanischem Feuer, hochmusikalisch und virtuos packte die junge Alice Lee den Tanz von Sarasate an. Zart und schmelzend wurde Faurés «Après un rêve» von Anna Orlik interpretiert. Absolutes Staunen erweckten die Flageolette, die höchsten Töne, die Doppelakkorde, auch die Musikalität, welche Yuna Shinohara in Wieniawskis «Souvenir de Moscou» legte – ein Höhepunkt! Bazzinis «Calabrese» strömte echt italienische Virtuosität aus. Vasyl Zatsikha meisterte die höchsten Anforderungen in Vollendung. Und schliesslich löste sich in Paganinis Caprice Nr. 24 nochmals das ganze Solisten-Septett ab, gleichsam als Abschied, um all den unerhört überraschenden Finessen Ausdruck zu geben.
Ist es nicht grossartig, ja überwältigend, zu erleben, wie eine junge Musiker-Generation die Türen zur absoluten Spitze bereits weit aufgestossen hat? Sicher wird man viele von ihnen auf den Konzertbühnen wieder antreffen. Ihnen allen viel Glück auf ihrem musikalischen Weg! Mit einer Paganini-Zugabe bedankte sich das Ensemble für die begeistert-stürmischen Ovationen des Publikums.