Von der Postkutsche zum Elektro-Poschi: Postautodynastie Kübli endet mit der vierten Generation
29.05.2025 PorträtSeit 1923 ist die Saaner Familie Kübli mit dem Postautobetrieb im Saanenland verbunden. 1996 haben Bernhard und Sonja Kübli den Betrieb in der vierten Generation übernommen und bis Ende 2024 geführt. Nach über 100 Jahren gaben sie das Geschäft aus der ...
Seit 1923 ist die Saaner Familie Kübli mit dem Postautobetrieb im Saanenland verbunden. 1996 haben Bernhard und Sonja Kübli den Betrieb in der vierten Generation übernommen und bis Ende 2024 geführt. Nach über 100 Jahren gaben sie das Geschäft aus der Familienhand – doch darüber sind sie nicht nur unglücklich.
KEREM S. MAURER
Die Familiengeschichte der Postautodynastie Kübli begann im ausgehenden Zeitalter der Postkutschen und endete in der frühen Epoche der Elektromobilität. Es ist die Geschichte von den ersten Autos, dem Aufkommen des Fremdenverkehrs, der Blütezeit des Tourismus – als Postautochauffeur noch ein echter Traumberuf war. Sie endet nicht zuletzt aufgrund des Spardrucks seitens PostAuto und dem Fachkräftemangel, der auch diese Branche nicht verschont. Im Gespräch mit dem «Anzeiger von Saanen» blicken Sonja und Bernhard Kübli auf ihr Berufsleben zurück, das Hand in Hand mit ihrer Familiengeschichte geht.
Goldenes Zeitalter
Im Goldenen Zeitalter der Postautos habe der Chauffeur in der Gemeinde einen ähnlichen Stellenwert genossen wie der Polizist, der Bäcker oder der Lehrer, erinnert sich Sonja Kübler. Als nur wenige der Einwohnenden ein Auto besassen, war der Personentransport dörferverbindend und damit enorm wichtig. «Die erste Linie, die meine Familie bediente, führte von Gstaad nach Gsteig. Das war 1923», sagt Bernhard Kübli. Die anderen Linien – Turbach und Lauenen – hätten sie erst 1996 übernommen. Bis dahin hatte es im Saanenland mit Perreten und von Grünigen drei Postautounternehmer gegeben.
Eintritt ins Familienunternehmen
Bernhard Kübli lernte Lastwagenmechaniker und machte zusätzlich eine Spezialausbildung für Busse. «Als ich die Lehre fertig hatte, führten meine Eltern drei Geschäfte. Nämlich das Postautounternehmen, ein Taxiunternehmen und eine Volvo-Garage», sagt der pensionierte Postautounternehmer. Die Garage baute sein Vater für ihn auf, damit er nach der Lehre etwas habe. «Ich übernahm die Garage mit meinem Vater zusammen und führte sämtliche Reparaturen an den Postautos selbst durch. Wir hatten in den 1970er-Jahren drei Postautos plus ein zusätzliches im Sommer.» Dass Bernhard Kübli ins Geschäft seiner Eltern einsteigen würde, war für ihn schon früh klar. Nicht, weil er musste, sondern weil er wollte.
Dann gab es nur noch Küblis
Im Jahr 1996, als Küblis bereits alleinige Postautohalter im Saanenland waren, trat das neue Eisenbahngesetz in Kraft. Seit dem bestand freier Wettbewerb im regionalen öffentlichen Verkehr. Im Saanenland gab es damals neben Küblis noch die MOB, welche Busse zwischen Gstaad, Saanen und Saanenmöser unterhielt. «Der Kanton wollte aber nur noch einen Anbieter in der Region. Wir hatten das Glück, dass die Wahl auf uns fiel», erzählt Sonja Kübli. So bekamen sie auch die Durchmesserlinie von Gstaad via Saanen nach Saanenmöser. Schliesslich seien noch die sogenannten Navettes, die Skibusse in Les Diablerets und später jene im Saanenland dazugekommen. «Schlussendlich hatten wir 13 Fahrzeuge im Winter und beschäftigten rund 27 Chauffeure. Mit dabei waren auch die Reisecars, Sonja Küblis Steckenpferd.«Wir führten im Jahr drei Auslandreisen durch, dazu viele Ausflüge in der Schweiz», sagt sie. Schottlandreisen seien immer speziell herausfordernd gewesen. Doch diese Tätigkeit habe ihr immer viel Freude bereitet.
Zwischen Stress und Erholung
«Bis vor zwanzig Jahren war Postautochauffeur ein Traumberuf», sagt Bernhard Kübli. Dazumal habe es noch nicht so viele Touristen gegeben, alles sei insgesamt weniger hektisch gewesen und es habe auch nicht so viele Vorschriften gegeben wie heute. Bei der Frage nach dem Traumberuf müsse man zwischen Chauffeur und Unternehmer unterscheiden, meint Bernhard Kübli. Für ihn sei das Fahren immer pure Erholung gewesen, die Organisation des Betriebs mitunter sehr stressig. Vor allem seit sich der Beruf von Postautohalter in Postautounternehmer gewandelt habe.
Keine schlimmen Unfälle
Küblis blicken auf eine nahezu unfallfreie Karriere zurück. «Klar gab es hin und wieder Blechschaden oder stehende Fahrgäste sind infolge eines Bremsmanövers hingefallen. Doch schlimme Unfälle mit Toten hatten wir glücklicherweise nie», sagt Bernhard Kübli und erzählt von einem Zwischenfall, bei dem ein Postauto auf dem Col du Pillon Feuer fing. «Es war ein aussergewöhnlich heisser Tag, die Strasse frisch geteert und die Landwirte im Waadtland waren am Heuen. Trockenes Gras lag auf der Strasse. So kam es, dass die Räder trockenes Gras auf den glühenden Turbo beförderten, der hinter der Mittelachse angebracht war. Darauf fing es Feuer und steckte den Bus in Brand.»
Ende gut, alles gut
Mit einem voll elektrischen Postauto, das schweizweit als erster Linienbus eingesetzt wird und von Saanen über den Mittelberg führt, konnten Küblis ihre Familiengeschichte mit einem sensationellen Schlusspunkt krönen. «Der Erfolg dieser Linie hat sämtliche Erwartungen übertroffen», sagt er und fügt hinzu, dass wohl schon bald ausschliesslich elektrisch betriebene Postautos durchs Saanenland fahren werden. Dass die Postautodynastie Kübli nach über 100 Jahren Ende 2024 zu Ende ging, löse in ihnen zwar eine gewisse Wehmut aus, dennoch seien sie darüber nicht nur unglücklich. «Es war eine wunderbare Zeit, wir haben so vieles erlebt, wofür wir dankbar sind», sagen die beiden letzten Postauto-Küblis, und: «Wenn eines unserer Kinder den Betrieb hätte übernehmen wollen, hätten wir bestimmt geholfen. Aber dazu gezwungen hätten wir keines von ihnen», sind sie sich einig. «Es ist gut so, wie es ist.»
Wer jetzt denkt, wenn sich Postautounternehmer zur Ruhe setzen, wären sie die meiste Zeit ihres Rentnerdaseins in einem grossen Wohnmobil irgendwo unterwegs, sieht sich in Küblis Fall getäuscht. «Nein, wir haben kein Wohnmobil», sagen sie und Sonja Kübli, die noch an zwei Tagen pro Woche in einem Tearoom aushilft, ergänzt: «Uns zieht es eher dorthin, wo man mit dem Bus nicht hinkommt. Das andere haben wir gesehen.» Auch Bernhard Kübli hat sich noch nicht vollständig aus dem Berufsleben zurückgezogen. Er fährt noch einige Tage im Monat Postauto.