Toni von Grünigen: «Ziele gemeinsam verfolgen!»
30.08.2024 GstaadSind Plattformwohnungen, also Ferienwohnungen, die über Internetplattformen wie Airbnb, Booking.com oder Interhome etc. gebucht werden, schuld daran, dass es in touristischen Regionen zu wenig Wohnraum für Einheimische gibt? Insbesondere in Interlaken oder Grindelwald ist die ...
Sind Plattformwohnungen, also Ferienwohnungen, die über Internetplattformen wie Airbnb, Booking.com oder Interhome etc. gebucht werden, schuld daran, dass es in touristischen Regionen zu wenig Wohnraum für Einheimische gibt? Insbesondere in Interlaken oder Grindelwald ist die Problematik gross. Wie sieht es bei uns im Saanenland aus?
Und wie bereit ist man im Amt für Gemeinden und Raumordnung (AGR) im Bezug auf die Umsetzung des Raumplanungsgesetzes zweite Etappe (RPG II), die im kommenden Juli in Kraft tritt?
Das Gemeindeforum der Volkswirtschaft Berner Oberland, das am letzten Dienstag in Interlaken stattfand, hat sich diesen Fragen angenommen und kam zu interessanten Ergebnissen.
Plattformwohnungen: kein «schwerwiegendes» Problem
Am Gemeindeforum der Volkswirtschaft Berner Oberland stand die Teilrevision der Umsetzung des Raumplanungsgesetzes 2. Etappe (RPG II) und die Wohnungsnot in touristischen Gemeinden unter dem Einfluss von Plattformwohnungen im Fokus. Letzteres sei für das Saanenland allerdings kein grosses Problem.
KEREM S. MAURER
Toni von Grünigen, Gemeindepräsident von Saanen, Franz Christ, Gemeinderat von Interlaken, Marc Ungerer, Geschäftsführer der Jungfrau Region Tourismus AG, und Adrian Bürgy, Zern & Partner GmbH, führten eine Podiumsdiskussion, die von Marianna Lehmann, Präsidentin der Volkswirtschaft Berner Oberland, moderiert wurde. Grundlage der Diskussion war ein «White Paper» (Bericht oder Leitfaden, der ein komplexes Thema prägnant aufbereitet) mit dem Titel «Wohnungsnot in touristischen Regionen – Herausforderungen in der Personalrekrutierung und die Rolle von Airbnb». In Auftrag gegeben wurde dieser Bericht vom Verein Berner Tourismusdestinationen, Co-Autor war Diskussionsteilnehmer Adrian Bürgy. Für diese Untersuchung wurden 24 Geschäftsleitungsmitglieder von touristischen Betrieben im Berner Oberland befragt. Sie ist nicht repräsentativ, zeigt aber eine klare Tendenz: 96 Prozent der Befragten bestätigen eine deutliche Verschlechterung der Wohnraumsituation für Mitarbeitende in den letzten zehn Jahren. Ausserdem legt die Umfrage nahe, dass die Verfügbarkeit von Wohnraum ein entscheidendes Kriterium für potenzielle Bewerber:innen ist. Und sie zeigt auch, dass die Plattform Airbnb sowohl positive als auch negative Auswirkungen hat. Sie bringt einerseits zusätzliche Gäste und Einnahmen, führt aber andererseits zu einem Mangel an Langzeitwohnungen und Ungleichheiten im Wettbewerb mit Hotels.
Ferienwohnungen sind wichtig für die Region
Laut Gstaad Saanenland Tourismus (GST) liegt der Anteil von Übernachtungen hierzulande in Ferien- und Zweitwohnungen bei hohen 50 bis 60 Prozent (inklusive zweitheimische Chaletgäste). Ein Vorteil sei, so Tourismusdirektor Flurin Riedi, dass «viele unserer Zweitheimischen mehrmals im Jahr für einige Tage oder sogar mehreren Wochen vor Ort sind und so für mehr warme Betten und Wertschöpfung sorgen als in manchen anderen Bergdestinationen». Genaue Aussagen über welche Plattformen die verschiedenen Ferienwohnungen in der Ferienregion Gstaad vermietet werden, seien nicht möglich. Einzig bei den über 200 bewirtschafteten Ferienwohnungen, welche über GST buchbar sind, liegen genauere Angaben vor. Neben GST vermieten auch verschiedenen Agenturen in der Region Ferienwohnungen – insbesondere im oberen Preissegment. Und über welche Plattformen Chaletbesitzende oder Agenturen ihre Objekte vermieten, wisse man nicht. Sicher aber ist, dass «ein grosser Teil der Ferienwohnung auch über die Plattform Airbnb vermietet wird», so Riedi. Da es im Saanenland jedoch verhältnismässig wenig Hotelbetten gebe – der Anteil liegt bei 30 Prozent gemessen an der Gesamtbettenzahl – sei man froh um die bewirtschafteten Ferienwohnungen und insbesondere im mittleren Preissektor sei eine Verminderung des Portfolios nicht erstrebenswert. Riedi hält fest: «Wir sind in der glücklichen Lage, nicht dieselben Probleme hinsichtlich der Plattformwohnungen zu haben wie Interlaken oder Grindelwald.»
Ähnlich sieht dies auch Toni von Grünigen. Für ihn stellen Plattformwohnungen im Saanenland kein «schwerwiegendes» Problem dar, und die Situation sei nicht mit jener in der Jungfrauregion zu vergleichen, sagte er. Dennoch: «Es sind touristisch genutzte Wohnungen, die den Einheimischen nicht mehr zur Verfügung stehen», bedauert der Saaner Gemeindepräsident und ergänzt: «Zudem wird der Wohnsitz von Feriengästen teilweise in die Gemeinde verlegt, um die Erstwohnungen gesetzeskonform zu nutzen. Dieser Wohnraum steht dann für Familien oder Arbeitnehmende aus der Region nicht zur Verfügung.»
Probleme gemeinsam angehen
Die Teilnehmenden der Podiumsdiskussion waren sich am Ende einig, dass es keine Pauschallösung gibt, sondern dass die Lösungen für die bestehenden Herausforderungen individuell und situativ der jeweiligen Gemeinde angepasst werden müssen. Dennoch betonten sie unisono die Wichtigkeit der Zusammenarbeit. Der gegenseitige Austausch sowohl zwischen Gemeinden und Tourismus, aber auch gemeindeübergreifend, trage zur Lösungsfindung bei. Toni von Grünigen formulierte es in der Schlussrunde so: «Mein Anliegen geht in die Richtung, dass man versucht, zusammen zu Lösungen zu kommen und dass man sich gegenseitig unterstützt. Sei dies auf kantonaler oder kommunaler Ebene. Ich denke, wir kommen am weitesten, wenn wir versuchen, diese Ziele gemeinsam zu verfolgen.»
Viele offene Fragen in Sachen Raumplanungsgesetz 2
Im Herbst 2023 beschloss das Parlament die Umsetzung des Raumplanungsgesetzes 2 (RPG II) zum Bauen ausserhalb der Bauzone – und stellt damit nicht nur die Gemeinden, sondern auch die Kantone vor grosse Herausforderungen. Nicht zuletzt deshalb, weil das RPG II bereits ab 1. Juli 2025 in Kraft tritt. Schweizweit befinden sich rund 620’000 Gebäude ausserhalb der Bauzone und jedes fünfte davon – nämlich rund 125’000 – steht im Kanton Bern. Von den etwa 20’000 Baugesuchen, die den Kanton Bern jährlich erreichen, betrifft quasi jedes vierte ein Projekt ausserhalb der Bauzone. Was die Umsetzung der neuen gesetzlichen Regelungen anbelange, gebe es noch sehr viele offene Fragen, räumte Daniel Wachter, Vorsteher des Amts für Gemeinden und Raumordnung (AGR), vor über 70 Gemeindevertreter:innen, Amtsleiter:innen und Grossrätinnen und -räten ein, die das Gemeindeforum in Interlaken am Dienstagnachmittag besuchten.
AGR verspricht «pragmatisches» Vorgehen
Zum Beispiel sei bei der Möglichkeit des Gebietsansatzes unklar, in welcher Grösse diese neuen Perimeter definiert würden und was ein Gebiet als solches überhaupt sei. Details der Umsetzung sollen in der nationalen Raumplanungsverordnung geregelt werden, doch diese befände sich noch bis zum 9. Oktober in der Vernehmlassung. Daniel Wachter liess verlauten, er wolle die Umsetzung der neuen Bestimmungen mit seinen Mitarbeitenden «pragmatisch» angehen. Bei aktuellen Planungsverfahren könnten die Gemeinden die direkt anwendbaren Themen aus der Revision RPG II, wie zum Beispiel die Erleichterungen für erneuerbare Energien, der Vorrang der Landwirtschaft oder die Abbruchprämie bereits anwenden.