Jeder einzelne Ton ist ein musikalisches Meisterwerk

  02.02.2024 Gstaad

Kein einziger Ton durfte dem Publikum entgehen, als der Geiger Daniel Lozakovich in der Kirche Saanen auftrat. Ebenso überzeugte das Orchestre de Chambre de Lausanne, unter der Leitung von Renaud Capuçon.

LOTTE BRENNER
All die Aufzählungen seiner Auftritte auf den grossen Bühnen der Welt, die Preise und Anerkennungen, sein ganzer Leistungsausweis, die im Programm der Sommets Musicaux de Gstaad aufgeführt sind, beeindrucken weit weniger als die berührende Tiefe seiner Musikalität: Daniel Lozakovich interpretierte das berühmte, oft aufgeführte zweite Violinkonzert op. 64 in emoll, als ob er es gerade neu entdeckte. Die wunderbaren Attribute, die diesem Konzert zugeeignet sind – Anmut, graziöse, schwärmerisch-empfindsame Märchenwelt, romantische Verträumtheit, ein Melodienreichtum und Gesang bis in die höchsten Regionen – wurden durch Lozakovich auf seiner Geige bis auf den letzten Nerv nachempfunden.

Das Konzert mit eingebauter grosser Kadenz verlangt den Solisten technisches Können, grosse Virtuosität, ab, was Lozakovich mit schlichter Selbstverständlichkeit erfüllte. Doch war es nicht das, was das Publikum in der Kirche, deren Holzbänke jede kleinste Bewegung zum Knarren bringt, in totale Stille versetzte. Vielmehr war es die Faszination, wie der Violinist Ton um Ton intonierte, innerhalb einer Tonlänge modulierte. Jeder einzelne Ton war ein musikalisches Meisterwerk – das ganze Werk aus einem Guss. Dabei durfte er auf ein einfühlsames Orchester bauen. Die Ausgewogenheit zwischen dem Orchester und dem Solisten rundete das einmalig schöne Musikerlebnis ab.

Die Stille halten
Wie schon im Violinkonzert, berührte der Ausnahmegeiger das Publikum in seiner Zugabe, dem von Joseph Kosma vertonten Gedicht von Paul Verlaine «Les feuilles mortes» zart eindringlich. – («…mon Dieu, mon Dieu, ma vie est là – simple et tranquille – cette paisible rumeur là – vient de la ville…). Von der Welt abgeklärt, melancholisch, still und ruhig: So illustrierte Lozakovich das schlichte, tiefgründige Gedicht und beherrschte dabei auch das Verklingen des Schlusstones. Es gelang ihm, die Stille zu halten.

Ein tolles Orchester
Der künstlerische Leiter der Sommets Musicaux de Gstaad, Renaud Capuçon, ist auch Leiter des Orchestre de Chambre de Lausanne, das er temperamentvoll, engagiert führte und das Konzert mit der Serenade Nr. 11 in D-Dur von Johannes Brahms beendete. Darin kamen einzelne Orchester-Instrumentalisten wunderschön zum Zug. Erwähnt seien die singenden Flötensoli, die Hörner, Klarinetten – auch die Bratschen mischen sich ins Geschehen. Die Serenade ist voller aufmüpfiger Ideen und Stimmungen – ein wohltuender Abschluss eines besinnlich-wundervollen Konzerts.

 

 


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