Saanens Wappentier so häufig wie noch nie
07.11.2024 SchweizDass im Herbst Kraniche über die Schweiz ziehen, ist seit 2011 keine Besonderheit mehr. Doch aktuell ziehen so viele Kraniche über unser Land wie nie zuvor.
KEREM S. MAURER
Obwohl die Zugzeit des Kranichs erst begonnen habe, sei bereits ein grosser Trupp ...
Dass im Herbst Kraniche über die Schweiz ziehen, ist seit 2011 keine Besonderheit mehr. Doch aktuell ziehen so viele Kraniche über unser Land wie nie zuvor.
KEREM S. MAURER
Obwohl die Zugzeit des Kranichs erst begonnen habe, sei bereits ein grosser Trupp von rund 800 Individuen beobachtet worden, schreibt die Vogelwarte Sempach in einer Mitteilung. «Das ist ein so grosser Trupp wie noch nie», sagt Livio Rey, Biologe und Mediensprecher der Vogelwarte, auf Anfrage. Ein Blick auf die Website ornitho.ch widerspiegelt die gemeldeten Sichtungen durchziehender Kraniche. Offenbar haben die Vögel zwei bevorzugte Routen, die beide von Nordost nach Südwest über unser Land führen. Eine Route führt nördlich des Jurasüdfusses und des Chasserals von Winterthur über Basel, und die andere südlich davon über das Mittelland von Zürich über Bern, bis Genf.
Kaum Sichtung in den Voralpen
Im westlichen Voralpengebiet wurden laut ornitho.ch nur vereinzelte Sichtungen in der Nähe des Gspaltenhorns gemeldet. «Das hat damit zu tun, dass die Kraniche auf ihrem Weg nach Süden aus Energiespargründen nicht über die höchsten Erhebungen, sprich über die Alpen, fliegen, sondern diese nach Möglichkeit umfliegen», erklärt Livio Rey. Wer also das gefiederte Wappentier unserer drei Gemeinden beobachten will, sollte sich an den westlichen Genfersee oder in Richtung Bern verschieben.
Routenänderung ab 2011
Kraniche seien für ihre traditionellen Flugrouten bekannt, heisst es in der Mitteilung weiter. Der westlichste Zugweg führe von Skandinavien und Nordosteuropa in einem engen Korridor nach Südwesten und ende in Spanien. Ein weiterer führe von Finnland via Ungarn und Italien nach Nordafrika. Somit lag die Schweiz nicht auf den üblichen Flugrouten, und Kraniche waren bei uns dementsprechend selten zu beobachten. Doch im Jahr 2011 ereignete sich Aussergewöhnliches. «Damals wurden in der Schweiz während des Herbstzuges über zehnmal mehr Kraniche beobachtet als üblich und seither blieb die Zahl der Kraniche mit Schwankungen hoch», schreibt die Vogelwarte Sempach. Der Grund: Ein Teil der Kraniche, die normalerweise auf ihrem Weg nach Nordafrika den ungarischen Hortobágy-Nationalpark passierten, änderten die Flugroute. Sie flogen statt wie bisher via Italien und Spanien nach Nordafrika, neu über die Schweiz und die südfranzösische Camargue.
Hat die Bise geholfen?
«Man hat festgestellt, dass 2011 starke Ostwinde wehten, die den Flug der Kraniche beeinflusst haben könnten», mutmasst Livio Rey und ergänzt schmunzelnd, dass man die Vögel leider nicht nach dem Grund fragen könne. Feststehe aber, dass Kraniche keine genetisch definierten Flugrouten haben wie andere Zugvögel. Erfahrene Tiere würden ihr Wissen den Jungen weitergeben. «Und da die Schweiz auf dem Weg zwischen dem Hortobágy-Nationalpark und der Camargue liegt, darf man sich wohl auch in Zukunft an durchziehenden Kranichen erfreuen», schreibt die Vogelwarte Sempach.
Dafür, dass heuer so aussergewöhnlich viele Kraniche zu sehen sind, nennt Livio Rey noch einen weiteren wichtigen Faktor: «Wir stellen eine generelle Zunahme des Bestandes an Kranichen in Europa fest.»
Kraniche und ihr Bruttanz sind aktuell im Lichtspektakel im Rahmen von «Rendez-vous am Bundesplatz» in digitaler Form zu sehen. www. rendezvousbundesplatz.ch
SO KAM DER KRANICH IN DIE SAANER WAPPEN
Einer Legende zufolge wurde Gruyères 400 Jahre n.Chr. durch den «Vandalenkönig» und Vorfahren der Grafen von Greyerz, Gruerius, gegründet. Eines Abends habe er einen Kranich (franz. «grue») vor blutrotem Himmel vorbeifliegen sehen und entschied, da seine Stadt, das heutige Greyerz, zu bauen. Deshalb zeigt das Wappen der Gemeinde Greyerz einen Kranich auf rotem Grund. Eine andere Variante besagt, Gruerius habe zuerst für das Schloss Greyerz einen strategisch günstigen Ort ausgewählt und der Kranich sei ihm erst später begegnet.
Vom 11. bis ins 16. Jahrhundert herrschten die Grafen von Greyerz als Nachfahren von Gruerius über das Gebiet und pflegten das Kranichsymbol weiter. Der Vogel hat sich in den Wappen der Region bis heute gehalten, insbesondere im Pays-d’Enhaut und den drei seit dem Jahr 1555 bernischen Gemeinden Saanen, Gsteig und Lauenen.
Quelle: Anzeiger von Saanen, Archiv/kma