Nun darf die Saane wieder breiter fliessen
09.10.2023 NaturAuf der Höhe von Rougemont wurde das Wasserbett der Saane von 20 auf 40 Meter verbreitert. Letzten Dienstag fand die Öffnung der letzten Erdbarriere statt und das Flusswasser eroberte sich gemächlich sein neues Terrain.
SONJA WOLF
Es war ein ...
Auf der Höhe von Rougemont wurde das Wasserbett der Saane von 20 auf 40 Meter verbreitert. Letzten Dienstag fand die Öffnung der letzten Erdbarriere statt und das Flusswasser eroberte sich gemächlich sein neues Terrain.
SONJA WOLF
Es war ein beeindruckender Anblick. Alle am Werk beteiligten Ingenieure und Mitarbeiter standen mit gezückter Handykamera bereit, eine Drohne schwebte über dem Schauplatz. Ein Bagger nahm den letzten Erdwall weg und die Saane floss in das vorgefertigte neue – oder eher alte – Flussbett. Alt deshalb, weil auf historischen Karten vom Ende des 19. Jahrhunderts zu sehen ist, dass die Breite zwischen der Talstation Videmanette und der Verneys-Brücke ohnehin durchschnittlich 45 Meter betrug. Auch im technischen Bericht, der im Auftrag der Generaldirektion für Umwelt des Kantons Waadt erstellt wurde, wurde eine Regimebreite von 40 Metern an der besagten Stelle errechnet. (Regimebreite ist die Breite, die der Strom langfristig einnehmen würde, wenn er in seinem natürlichen Zustand belassen würde.)
Warum die Renaturierung nötig wurde
Was war passiert, dass die Saane an dieser Stelle so schmal – gerade einmal 20 Meter – geworden war? Die in den 1950er-Jahren durchgeführten Kanalisierungsarbeiten an der Saane führten zur Aufschüttung des Geländes auf der rechten Uferseite flussabwärts. Es entstand eine Schuttdeponie mit Aushubmaterial, Tonfliesen, Holzabfällen und anderen (erfreulicherweise nicht giftigen) Abfällen. Diese wurde in der Folge eingeebnet, um eine landwirtschaftliche Nutzung zu ermöglichen. Da die Saane allerdings durch diese Verengung eine zu hohe Dynamik aufbaute, waren am Ufer Erosionsschutzmassnahmen nötig geworden. Diesen Schutz versuchte man viele Jahre lang mit Gabionen zu realisieren – das sind Drahtkörbe, die mit Steinen gefüllt sind und die Böschung befestigen.
Diese Gabionen befanden sich allerdings 2016 in einem so schlechten Zustand, dass die Umweltdirektion des Kantons Waadt handeln musste. Die Renaturierung erschien ihr als wesentlich nachhaltigere Methode als eine Sanierung der Uferböschung.
Erste Phase erfolgreich abgeschlossen
«Die erste Phase der Renaturierung wurde im Jahr 2020 erfolgreich abgeschlossen», erklärt Olivier Stauffer, Leiter der Sektion Renaturierung von der Generaldirektion Umwelt des Kantons Waadt. Damals wurden alle Voraussetzungen für die heutige Verbreiterung der Saane geschaffen. Das bedeutet im Einzelnen: «Die ehemalige Schuttdeponie am rechten Ufer wurde saniert, die Abfälle fachgerecht entsorgt. Ausserdem wurde ein provisorischer Schutz für die Erosionsnische angebracht, die sich entwickelt hatte», fasst Stauffer zusammen. Und das Wichtigste: An der Linie des geplanten neuen Ufers in 40 Metern Breite wurde eine natürliche Barriere angepflanzt – eine Hecke aus Erlen und wasserliebende Weiden, die relativ schnell ein stabilisierendes Wurzelgeflecht bildeten (wir haben im AvS vom 10. November 2020 über die Phase 1 berichtet).
Phase 2: Die Vorbereitung zur Öffnung
Drei Jahre später, im Herbst 2023: Das Wurzelwerk am neuen Ufer ist inzwischen dicht genug. Damit konnte die zweite Projektetappe starten. Den ganzen September über wurde der neue Flusslauf der Saane vorbereitet. «Wir haben alle Gabionen sowie die Steinschüttungen entfernt, die wir 2019 zum provisorischen Schutz der Erosionsnische angebracht hatten», sagt Stauffer (siehe dazu die Skizze, A und B). «Am linken Ufer oberhalb der Verbreiterung haben wir eine sogenannte Umlenkbuhne errichtet, um einen Teil des Wassers in den neu geschaffenen Nebenarm zu leiten.» (Siehe Skizze C und D)
Mit Erfolg: Seit Dienstag ist der neue Nebenarm «in Betrieb». Stauffer ist zufrieden: «Alles läuft einwandfrei» – im wahrsten Sinne des Wortes.
Eine Wohltat für Flora und Fauna
Mit der Verbreiterung der Saane wird das Wasser fortan weniger schnell fliessen, die im Wasser transportierten Steine und Äste können sich setzen und bieten gute Versteck- und Reproduktionsmöglichkeiten für die Fische. In der Mitte des neuen Flussbetts wurde ein Streifen mit einigen Bäumen stehen gelassen, die Schatten spenden. Auch finden die Fische im Erdreich der schmalen Insel weitere Verstecke. Die Flussforellen und Groppen, die sich in der Saane tummeln, wirds freuen. Auch die Pflanzen in den Auen werden fortan nicht mehr durch Hochwasser mitgerissen und werden langfristig eher die Möglichkeit haben, sich zu entwickeln.
Kontrolle durch den Kanton Waadt
«Der neue Nebenarm wird übrigens nicht immer gefüllt sein», präzisiert Olivier Stauffer. Wenn die Saane wenig Wasser führt, wird sie sich wahrscheinlich nur durch das bisherige Hauptflussbett schlängeln. Bei viel Wasser wird sie sich auch des Nebenarms bedienen. Und bei Hochwasser kann sich die Saane sogar noch bis zur natürlichen Uferbegrenzung – der angepflanzten Hecke aus Erlen und Weiden – ausbreiten. Der Kanton Waadt bleibt jedenfalls dran und wird dem Renaturierungsspezialisten Stauffer zufolge für die nächsten Jahre eine morphologische und biologische Überwachung organisieren, um zu sehen, wie sich der Flusslauf sowie die Tier- und Pflanzenarten weiterentwickeln.