Seit 45 Jahren im Einsatz zur Wahrung des traditionellen Kunsthandwerks

  02.07.2024 Gstaad

Der Ausstellungsraum im Museum Saanen füllte sich zunehmend mit interessierten Gästen der Vernissage zur 45-Jahr-Jubiläumsausstellung des Rubi-Fonds Saanenland. Mit sympathischen Begrüssungsworten eröffnete Stephan Jaggi den Abend und stellte zugleich die Kommission vor, die er seit 1992 als Präsident führt. Überschattet war dieser Anlass durch den plötzlichen Tod von Franziska Haldi. Als Kuratorin des Museums war sie bis vor kurzem aktiv an der Gestaltung dieser Ausstellung beteiligt.

VRENI MÜLLENER
«Wenn uns eine restaurationswürdige Fassade auffällt, gehen wir aktiv auf die Eigentümer dieses schützenswerten Gebäudes zu», erklärt Architekt Stephan Jaggi das Vorgehen seiner Kommission. Während Benz Hauswirth die alten Schriften und Bilder ablichtet und eine Foto-, Farb- und Textanalyse erstellt, kümmert sich Jaggi um technische und bauliche Belange wie Kostenvoranschläge und praktische Projektführung. Jedes Objekt wird von Hauswirth in einer Dokumentation mit Baugeschichte und Restaurationsvorgang festgehalten

Geschichten von «altersbraunen Häusern»
In seinen Ausführungen beschrieb «ünsa Bänz», wie Benz Hauswirth liebevoll von Stephan Jaggi angesagt wurde, wie sich die Inschriften und Malereien seit dem 17. Jahrhundert entwickelt haben. Während in frühester Zeit nur der Namen des Bauherrn irgendwo eingeritzt wurde, kamen später die Erbauer dazu. Erst nach und nach fanden die Namen der Ehefrauen ihren Platz bei den Inschriften. Mit der Zeit zierten farbige Muster die Gebäude bis hin zu Bildern, die oft prägende geschichtliche Ereignisse widerspiegelten. Je wohlhabender ein Hausbesitzer war, um so üppiger wurde gemalt, verziert und geschnitzt. «Wie heute schnell ein Selfie gemacht wird, bildeten sich die damaligen Hausbesitzer in den üppigen Malereien ab», berichtete der Lokalhistoriker aus seinem grossen historischen Wissensschatz.

«Altersbraune Häuser greifen einem denkenden Betrachter mehr ans Herz als irgendein pompöses Verwaltungsgebäude der Neuzeit.» Diesen denkwürdigen ersten Satz aus dem Büchlein «Die Zimmermannsgotik im Saanenland» von Christian Rubi zitierte Toni von Grünigen in seiner Dankesund Grussbotschaft. Der Gemeindepräsident spann seine Gedanken über die altersbraunen Häuser weiter, indem er sich vorstellte, wie ein Betrachter an einer alten Hausfront hinaufblicke. Treffend beschrieb er das Lieben und Leiden einer langen Generationenkette, jener Menschen, die in einem solchen Haus ein- und ausgegangen seien (Zitat Christian Rubi). «Am System des Rubi-Fonds wird sichtbar, was mit wenig Geld, nämlich drei Franken pro Einwohner, erreicht werden kann.» Mit diesen Worten schloss von Grünigen seine Dankesworte an alle, die sich um die Erhaltung von wertvollem Kulturgut an historischen Häusern bemühen.

Altbewährtes kommt in jüngere Hände
Nach über 30 Jahren Tätigkeit möchten Stephan Jaggi und Benz Hauswirth ihre Aufgaben in jüngere Hände geben. Erfreulicherweise erklärten sich die Zimmerleute Sandro Reuteler und Martin Aellen bereit, in die grossen Fussstapfen ihrer Vorgänger zu treten und die wertvolle Aufarbeitung von schönen Fassaden und spannenden Geschichten rund um historisch wertvolle Gebäude weiter zu führen.

Die Ausstellung
Im Museum der Landschaft Saanen wird in einer Ausstellung mit Bildern und Illustrationen die Tätigkeit des Rubi-Fonds gewürdigt. Gezeigt werden neben einer kleinen Baugeschichte viele Fotos, ausführliche Berichte aus dem «Anzeiger von Saanen» sowie mehrere Schnitzereien zum alten Saanenhaus. Geschichte und Bilanz des Rubi-Fonds liegen auf, die Dokumentationen der Restaurierungen zahlreicher Fassaden werden unter anderem in einer Videoschau präsentiert. Die Ausstellung kann zu den Öffnungszeiten des Museums in Saanen besucht werden.


DER RUBI-FONDS UND SEINE BILANZ

Gegründet wurde dieser Fonds vor 45 Jahren auf Anregung von Christian Rubi, der im Kanton Bern die Stelle für ländliche Kulturpflege innehatte. Ihm zur Seite stand Hedy Donizetti-Müllener, Saaner Gemeinderätin und Hotelière im legendären Hotel Olden in Gstaad. Der Fonds bezweckt, das vorhandene schöne Kulturgut an alten Häusern aufzufrischen und für spätere Generationen zu erhalten.

Bilanz
– Mit 94 Restaurierungen wurden 1,388 Mio. Franken Investitionen ausgelöst.
– Jährliche Gemeindebeiträge: 27’000 Franken.
– Ausbezahlte Unterstützungsbeiträge: 630’000 Franken.
– Beiträge der Eigentümer und der Denkmalpflege: 758’000 Franken.

Unterstützungskriterien
– Objektwert: Alter, Zustand, Ursprünglichkeit, kulturhistorische Bedeutung, Situationswert.
– Volkswirtschaftlicher Wert (Standort, Erschliessung).
– Klassifizierung (schützenswert, erhaltenswert, Inventar).

Beitragshöhe
– Bei Unterstützung der kantonalen Denkmalpflege bis max. 90 Prozent der Gesamtkosten.
– Ohne kantonale Beiträge bis 75 Prozent der Kosten.

Die Kommission
Die Kommissionsmitglieder tagen drei- bis viermal jährlich und arbeiten ausschliesslich ehrenamtlich. Sie haben die Aufgabe, historisch wertvolle Hausfassaden zu finden, den Kontakt zu den Besitzern herzustellen und mit ihnen eine mögliche Restaurierung aufzugleisen. Die drei Gemeinden des Saanenlandes sind wie folgt in der Kommission vertreten:
– Präsident Stephan Jaggi (Saanen)
– Kurt Beetschen (Gsteig)
– Pascal Bangerter (Lauenen)
– Benz Hauswirth (Archivar und Lokalhistoriker)
– Sandra Walker-Reichenbach (Restauratorin)
– Kurt Gyger (Sekretär und Finanzverwalter)

VRENI MÜLLENER

 


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