Rettet die Weltmeere!
28.03.2025 KolumneDer «Blick in die Welt» kommt dieses Mal direkt aus Paris. Und siehe da: die Zeitung «Le Monde», vom 25. März 2025, enthält auf Seite 13 einen als «Werbung» bezeichneten offenen Brief an den französischen Präsidenten. Dabei geht es um nichts ...
Der «Blick in die Welt» kommt dieses Mal direkt aus Paris. Und siehe da: die Zeitung «Le Monde», vom 25. März 2025, enthält auf Seite 13 einen als «Werbung» bezeichneten offenen Brief an den französischen Präsidenten. Dabei geht es um nichts weniger als um die Rettung der Weltmeere oder wenigstens des atlantischen Ozeans. Und da erinnert man sich doch plötzlich wieder an die Schulzeit. Da haben wir gelernt, dass über 70 Prozent der Erdoberfläche von Meerwasser bedeckt sind.
Der Brief in «Le Monde»:
«Herr Emmanuel Macron
Unser ältester Verbündeter ist dabei, unser Feind zu werden.
Nein, es geht nicht um unseren historischen Verbündeten, nämlich die Vereinigten Staaten, die Europa gerade angesichts des legendären Unholds Putin im Stich lassen.
Es geht um einen noch viel älteren Verbündeten, aus grauer Vorzeit, der das Leben ins Leben gerufen hat, der uns nährt und kühlt, der das Klima, den Wasserkreislauf, die Temperaturen und die Kulturen reguliert, der den Planeten mild und üppig macht. Es geht um den Ozean.
Dem Ozean geht die Luft aus. Er hat zu viel einkassiert. Die Arktis hat mehr CO2 ausgestossen, als sie aufgenommen hat und die UNESCO warnte bereits 2021: ‹Die Ozeane laufen Gefahr, keinen Kohlenstoff mehr aufnehmen zu können. Mit schwerwiegenden Folgen.›Wir können es uns nicht leisten, unseren wichtigsten Klimaverbündeten zu verlieren. Die Bausteine des Systems Erde stürzen vor unseren Augen ein. Wir befinden uns auf dem Weg zur Zerstörung unserer Zivilisation. Seit Jahrzehnten warnen die Wissenschafter: Politische Untätigkeit gefährdet die Menschheit.
Machen Sie es nicht wie Donald Trump: Hören Sie auf die Wissenschafter. Die Klimaforscher haben deutlich gesagt, dass der Schutz der Natur, nach der Reduktion der Treibhausgasemissionen und dem Ausbau der erneuerbaren Energien, der wichtigste Hebel ist, um den Klimawandel und die Erosion des Lebens zu bekämpfen. Die Wiederherstellung der Natur ist kostenlos, denn sie repariert sich selbst. Wir müssen nur aufhören, sie zu zerstören. Gerade Frankreich hat die Pflicht, die ozeanischen Kohlenstoffsenken, aber auch die biologische Vielfalt und die Lebensräume im Meer zu schützen. Diese werden seit Langem durch zerstörerische Fangmethoden, wie etwa der Grundschleppnetzfischerei, verwüstet.
800 französische Trawler zerstören jedes Jahr 670’000 km2 Meeresboden.
Schon nur die ersten fünf Zentimeter der Meeressedimente speichern, weltweit betrachtet, 80 Gigatonnen organischen Kohlenstoffs. Das entspricht dem globalen CO2-Ausstoss während zehn Jahren. Es ist an der Zeit, unseren Blick auf den Ozean zu ändern und ihn mit dem Gedanken zu verbinden, dass er, der Ozean, der zentrale Regulator des Klimas ist. Er ist der Rettungsanker der Menschheit.
Demzufolge müssen wir unsere Prioritäten umkehren. Statt die Zerstörer jedes Jahr mit öffentlichen Subventionen von Hunderten von Millionen Euros zu unterstützen, müssen wir in die Sanierung der Fischereiflotten und in den Schutz der Ökosysteme investieren.
Herr Präsident, diese Geschichte scheint Sie nicht zu interessieren.
Doch wenn Sie nicht handeln und stattdessen weiterhin gegen das öffentliche Interesse arbeiten, nur um einer winzigen Minderheit von Industriellen zu dienen, dann werden die Folgen so heftig sein, dass sich niemand mehr um die Schuldigen zu kümmern braucht. Die von den Ereignissen ohnehin überforderte Justiz, sie wird Sie in Ruhe lassen. Ihre kolossale Verantwortung aber wird bestehen bleiben.»
Ob und wie Präsident Macron wohl antworten wird? Vielleicht folgt er, aus praktischen Gründen, der Devise der Schweizer Regierung: Offene Briefe werden gar nicht beantwortet.
OSWALD SIGG
JOURNALIST, EHEMALIGER BUNDESRATSSPRECHER [email protected]