In Teil 1 (AvS vom Fr., 26. Januar 2024) ging es um die Volksabstimmungen über die sogenannten Überfremdungsinitiativen und konnten feststellen, dass einzig die Masseneinwanderungsinitiative – hauchdünn – angenommen wurde. Und dabei erzählte ich auch von meiner Mutter, die in jüngeren Jahren jedes Mal erfreut war, wenn ihr ein fröhlicher italienischer «Fremdarbeiter» hinterherpfiff.

Heute sind es vermutlich fünf- bis zehnmal mehr Italiener, die hier in der Schweiz leben, als damals. Und zum Glück gibt es bei uns seit Langem auch noch Spanier, Griechen, Portugiesen und sogar immer mehr Deutsche und auch Ukrainer! Jedenfalls zählt man in der Schweiz über 1’000’000 – wohl überwiegend AHVberechtigte – Personen mit Migrationshintergrund. Aber die 13. AHV-Rente lassen wir jetzt für einmal beiseite…

Seit jeher ist die Schweiz ein Land der Zuflucht für Menschen ohne Arbeit oder solche aus Ländern, die von einem Krieg heimgesucht wurden. Die Immigration ist noch immer ein wichtiger Teil unseres wirtschaftlich erfolgreichen und kulturell vielfältigen Landes. Dass wir weltweit eines der reichsten Länder sind, verdanken wir auch der Immigration. Dank der direkten Demokratie, dem Bundesrat, dem Parlament und den Hunderttausenden von Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern und auch dank den Zugewanderten kommt es hier wohl kaum jemandem in den Sinn, über so etwas wie Remigration zu schwafeln.

Denn Remigration bedeutet nichts anderes als Deportation – «unseligen Angedenkens», hätte meine Mutter gesagt. Bald nach Hitlers Machtübernahme 1933 wurden zunächst in Dörfern und kleineren Städten im Deutschen Reich jüdische Familien aus ihren Wohnungen getrieben und nach den polnischen Städten Nisko und Lublin deportiert. Ihre Wohnungen würden aus «kriegswirtschaftlichen Gründen dringend benötigt», liess man die verängstigten Bewohner wissen. Am 20. Januar 1942 fand dann in der «Villa am grossen Wannsee», in der Nähe von Berlin, unter der Leitung von Reinhard Heydrich, SS-Obergruppenführer und General der Polizei, eine geheime Konferenz von 15 hochrangigen Vertretern der Reichsregierung statt. Dort konzipierte man die systematischen Massendeportationen von Jüdinnen und Juden samt Familien aus dem Deutschen Reich «in den Osten».

In der Folge wurde jedem und jeder jüdischen Mitbürger:in eine «Evakuierungsnummer» für die Deportation zugewiesen. Vor dem Verlassen der Wohnung musste man den Schlüssel abgeben und alle noch ausstehenden Rechnungen bezahlt haben. Ganz am Ende der «Evakuierung» warteten die Vernichtungslager auf die Juden. Das waren zunächst Dachau (März 1933 bis April 1945) und Buchenwald (April 1943 bis April 1945) sowie Bergen-Belsen (März 1933 bis April 1945) und Auschwitz-Monowitz (Ende 1942 bis Januar 1945). Dazu kommen noch 42 frühe oder «wilde» Konzentrationslager und weitere 55 Aussenlager der grossen KZ, wie beispielsweise Auschwitz, Majdanek oder Sachsenhausen.

Jenen Juden, die sich retten konnten und irgendwo im Ausland eine Bleibe suchten, wurde das ganze Vermögen enteignet und die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt. Dies alles geschah nach den «Durchführungsverordnungen» auf der Basis der «Nürnbergergesetze» – der Legitimationsgrundlage für die Verfolgung der jüdischen Bevölkerung im Nationalsozialismus.

Das Wort «Remigration» soll nichts mit diesem historischen Horrorszenario zu tun haben? Auf die Einwanderung folgt einfach die Rückwanderung und die gilt es zu organisieren. So ist es wohl. Wenn da nicht die Erinnerung an die schrecklichste Zeit im Europa des 20. Jahrhunderts wäre. Aus diesem Gedächtnis erwachsen die andauernden Proteste gegen die AfD und den Rechtsextremismus. Sie werden bereits als «Grösste Massenbewegung in der Bundesrepublik» bezeichnet. Es ist ein riesiges Stück Zivilcourage, das ich den Deutschen gar nicht zugetraut hätte. Aber die NZZ sieht das ganz anders. Vor ein paar Tagen konnte man dort lesen: «Wer die AfD-Rechtspopulisten kleinkriegen will, muss sie mitregieren lassen». Der Ratschlag ist wohl ebenso originell wie untauglich. Seit 1952 bis heute hat die Bundesrepublik Deutschland zwei Dutzend rechtsextreme Organisationen verboten. Nur die «Alternative für Deutschland» wurde dabei leider vergessen.

OSWALD SIGG

JOURNALIST, EHEMALIGER BUNDESRATSSPRECHER oswaldsigg144@gmail.com

Remigration (Teil 2)

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