Pop-up-Notfallposten: Goodies für die Ärzte
17.11.2023 GstaadMit vielen Zuwendungen sollen Hausärztinnen und -ärzte über den Winter ins Saanenland gelockt werden. Ziel ist es, in der Praxis Madora in Gstaad einen Pop-up-Notfallposten als Überbrückungslösung einzurichten.
KEREM S. MAURER
Mit der ...
Mit vielen Zuwendungen sollen Hausärztinnen und -ärzte über den Winter ins Saanenland gelockt werden. Ziel ist es, in der Praxis Madora in Gstaad einen Pop-up-Notfallposten als Überbrückungslösung einzurichten.
KEREM S. MAURER
Mit der Wintersaison 2023/24 kämen bald wieder zahlreiche Feriengäste aus dem In- und Ausland ins Saanenland, schreibt die GSS Gesundheit Simme Saane in einer aktuellen Medienmitteilung. Was gut für das regionale Gewerbe, für Tourismus und Hotellerie sei, bedeute jedoch eine Zusatzbelastung für die hierzulande verbliebenen Hausärztinnen und -ärzte. Dieser Belastung soll ein Pilotprojekt unter der Führung der Gesundheit Simme Saane AG entgegenwirken: vom 23. Dezember 2023 bis am 31. März 2024 werde ein Po-up-Notfallposten in der Praxis Madora in Gstaad eingerichtet, um die Hausärzteschaft an den Wochenenden zu entlasten.
Arbeit und Ferien
Obschon von Gesetzes wegen jede Ärztin und jeder Arzt im Kanton Bern zur Beteiligung am Notfalldienst verpflichtet wäre, sei dieser bei der Ärzteschaft nicht sehr beliebt, sagt GSS-Geschäftsleiter Alexander Gäumann auf Anfrage. Man müsse deshalb den Hausärzten attraktive Bedingungen bieten. Das Angebot bestehend aus Arbeit und Ferien für auswärtige Hausärzte in Gstaad sieht so aus: Der Wochenend-Notfalldienst dauert jeweils von Samstagmorgen um acht Uhr bis am folgenden Montagmorgen um acht Uhr. In der darauffolgenden Woche sollen die Hausärzte das vielfältige Sport- und Freizeitangebot geniessen können. Eine fixe Entschädigung von 1000 Franken pro Arbeitstag soll laut Gäumann einen finanziellen Anreiz schaffen. Dazu erhalten die Ärzte ein Wochenskiabo inklusive Hallenbadeinttitt sowie die Gstaad Card zur kostenfreien Nutzung des öffentlichen Verkehrs. «Wir stellen den Hausärzten eine gemeindeeigene, möblierte 3½-Zimmer-Wohnung in Schönried zur Verfügung, die sie von Freitag bis Freitag nutzen können», teilt Saanens Gemeinderätin Petra Schläppi auf Anfrage mit. «Falls keine auswärtigen Ärztinnen und Ärzte am Wochenende rekrutiert werden können, stellen die niedergelassenen Hausärztinnen und Hausärzte den Notfalldienst sicher und erhalten die gleiche Entschädigung, wenn sie den Dienst übernehmen», heisst es in der Medienmitteilung, und: Das Angebot sei mit der Unterstützung der Tourismusorganisationen Gstaad und Lenk entwickelt worden.
Wer wirkt mit?
Gemäss einer Studie der bernischen Ärztegesellschaft aus dem Jahr 2021 sei die Unterversorgung in der hausärztlichen Grundversorgung im Obersimmental und Saanenland kantonsweit am grössten, schreibt die SSG. Diese Situation habe sich aufgrund von Pensionierungen noch weiter zugespitzt. In Gesprächen mit der kantonalen Gesundheitsdirektion und dem Ärztlichen Bezirksverein Thun und Umgebung, der für die Organisation des Notfalldienstes in der Region zuständig ist, haben die Hausärztinnen und -ärzte auf ihre Überlastung hingewiesen. In Vollzeitstellen teilen sich im Saanenland 2,3 Ärzte den hausärztlichen Notfalldienst von Montag bis Sonntag auf (im Obersimmental sind es 3,25). Wochenendeinsätze werden zusätzlich zum Praxisalltag geleistet. Doch eine Neuorganisation des Notfalldienstes mit den politischen Partnern (Kanton Bern und Ärztlicher Bezirksverein Thun und Umgebung) erfordere Zeit. Deshalb veranlassten die regionalen Partner, gemeinsam eine «innovative und pragmatische Lösung» zu erarbeiten, wie die GSS schreibt. An dieser Lösung mitgewirkt hätten die niedergelassenen Hausärztinnen und -ärzte, die Praxisbetreiberinnen Medaxo Praxen AG und Praxamed AG, die Gemeinde Saanen und die GSS. In Absprache mit der lokalen Hausärzteschaft soll ab dem 23. Dezember mit auswärtigen Ärztinnen und Ärzten in den Praxisräumlichkeiten der Praxis Madora an der Belairstrasse 4 in Gstaad ein Notfallposten betrieben werden.
Woher kommen diese Ärztinnen und Ärzte?
Medaxo, Praxamed, der Ärztliche Bezirksverein Thun und Umgebung sowie die kantonale Gesundheitsdirektion hätten angeboten, bei der Rekrutierung der Hausärzte zu helfen, sagt Alexander Gäumann und betont: «Am liebsten hätten wir Hausärzte aus dem Ärztlichen Bezirksverein Thun und Umgebung, weil die unsere Ärzte schon kennen, was die Zusammenarbeit erleichtern würde.» Und er nennt die zwei Bedingungen, die an die auswärtigen Ärzte gestellt werden: Erstens müssen sie eine Berufsausübungsbewilligung des Kantons Bern haben und zweitens Berufserfahrung als Hausärzte vorweisen. Der Kanton prüfe, mit Geldern des Rahmenkredits – den der Kanton schon vor Jahren gesprochen habe, um medizinisch unterversorgte Randregionen zu unterstützen – das Projekt Pop-up-Notfallposten in Gstaad zu unterstützen. Dank der finanziellen Unterstützung der Gemeinden Gsteig, Lauenen und Saanen kann die Projektkerngruppe, bestehend aus der Medaxo Praxen AG, Praxamed AG, der Saaner Gemeinderätin Petra Schläppi und den Gemeindepräsidenten Toni von Grünigen sowie der GSS, die Arbeiten mit Hochdruck weiterführen.
Wie viele auswärtige Ärzte braucht es?
Ziel ist es, den Notfallposten mit auswärtigen Ärzten und MPAs an so vielen Wochenenden wie möglich betreiben zu können. «Jedes Wochenende, das wir so abdecken, entlastet unsere Hausärzteschaft und deren Praxisteams», sagt Gäumann. Und auf die Frage, wie viele auswärtige Ärzte es denn brauche, antwortet er: «Wenn wir Ärzte finden, die an sechs Wochenenden arbeiten wollen, brauchen wir nur drei. Wenn es solche sind, die nur an einem arbeiten wollen, brauchen wir entsprechend mehr.» In der Zeit zwischen dem 23. Dezember und dem 31. März liegen 15 Wochenenden.
Diese Überbrückungslösung soll helfen, das Problem der Unterversorgung in der hausärztlichen Grundversorgung zu entschärfen, heisst es zum Schluss der Mitteilung der GSS. Langfristig bleibe das Ziel aber eine Gesamtlösung in Form eines zentralen Notfallpostens im oder in unmittelbarer Nähe des Spitals Zweisimmen.