Ohne Freiwillige kein Miteinander
30.05.2025 KircheGemeinsames Spielen im Altersheim, Zvieri am kulturellen Nachmittag, Kindern ein Freizeitprogramm ermöglichen – die vielen Freiwilligen in der Region sind eine tragende Säule unseres Gemeinwesens. Anfang Mai sagte ihnen die Kirchgemeinde Saanen-Gsteig im Kirchgemeindehaus ...
Gemeinsames Spielen im Altersheim, Zvieri am kulturellen Nachmittag, Kindern ein Freizeitprogramm ermöglichen – die vielen Freiwilligen in der Region sind eine tragende Säule unseres Gemeinwesens. Anfang Mai sagte ihnen die Kirchgemeinde Saanen-Gsteig im Kirchgemeindehaus Gstaad Danke – für das grosse Engagement, die Zeit, die vielen Ideen und den unermüdlichen Einsatz. Doch wie überall steht auch im Saanenland die Freiwilligenarbeit vor Herausforderungen.
Was denken Sie: Braucht es Freiwilligenarbeit überhaupt? Da gibt es diese Redensart, die auf den ersten Blick ganz plausibel klingt: «Wenn jeder für sich selbst sorgt, ist für alle gut gesorgt!». Wer demnach eigenverantwortlich handelt, wer selbstständig handelt, sich selbst am nächsten ist, entlastet die Gemeinschaft. Frei nach dem Motto: Nur wenn es mir gut geht, kann es auch anderen gut gehen.
Ein solcher Individualismus blendet zwei wesentliche Dinge aus: Solidarität und soziale Verantwortung. Auch wenn viele Bereiche westlicher Gesellschaften stark vom Individualismus geprägt sind – eine Schweiz ohne Freiwilligenarbeit ist kaum vorstellbar.
Nicht alle Menschen haben die gleichen Ressourcen, Möglichkeiten und Fähigkeiten im Leben. Nicht alle können immer für sich selbst sorgen. Hier setzt Freiwilligenarbeit an. Sich für das Gemeinwohl einzusetzen. Hier ist nicht Individualismus, hier sind Mitgefühl, Nächstenliebe und gemeinschaftliches Handeln unverzichtbar. Denn wir sind soziale Wesen mit Verantwortung füreinander.
Die Schweiz, eine Spitzenreiterin
Gemäss Angaben des Bundesamts für Statistik aus dem Jahr 2020 leisten rund 40 Prozent der Wohnbevölkerung über 15 Jahren Freiwilligenarbeit. In der Schweiz sind dies rund drei Millionen Menschen, die durchschnittlich vier Stunden pro Woche unbezahlt arbeiten. Das Land liegt damit knapp hinter den EU-Spitzenreitern Schweden, den Niederlanden und Österreich.
Ob in der Politik, bei Hilfswerken und Kirchen, in sozialen Bewegungen oder in der Freizeitgestaltung in den Sportvereinen – überall spielt Freiwilligenarbeit eine wichtige Rolle, auch in unserer Region.
Freiwilligenarbeit ist aber nicht nur für die Gesellschaft und den sozialen Zusammenhalt von unschätzbarem Wert. Sie kann auch für die Freiwilligen selbst eine grosse Bereicherung sein. Joel, seit einem Jahr Cevi-Jungleiter, bringt es auf den Punkt: «Es macht mir einfach Freude, mit jungen Menschen draussen etwas zu erleben.»
Die Freiwilligenarbeit bringt Menschen zusammen, schafft Kontakte und Freundschaften; es können Fähigkeiten und Kenntnisse vertieft, Solidarität und Kompromissbereitschaft erlernt werden.
Freiwilligenarbeit in der Kirche
In den reformierten Kirchen hat Freiwilligenarbeit eine lange Tradition. Das Angebot in den Kirchgemeinden lebt vom Zusammenspiel von Freiwilligen, Ehrenamtlichen und bezahlten Mitarbeitenden. So beispielsweise die beliebte «Kinderwoche», die dieses Jahr in den Frühlingsferien mit 120 Kindern stattfand. Hier sind die Freiwilligen unersetzlich. Ohne sie würde kein Zvieri verteilt, kein Spiel betreut und keine Geschichte erzählt werden.
Ohne Freiwillige wären viele unserer Anlässe in kulinarischer Hinsicht ziemlich trocken, denn den guten Kaffee etwa am kulturellen Nachmittag im Kirchgemeindehaus Gstaad kochen die Frauen des Frauenvereins: Sie organisieren den Zvieri, servieren und räumen danach auch wieder auf.
Oder die Spielenachmittage im Altersheim Sunnebühl. Jeden Mittwochnachmittag kommen abwechselnd zwei der insgesamt zehn Lauener «Mittwochsfrauen» ins Sunnebühl, um gemeinsam mit den Bewohnerinnen und Bewohnern Gesellschaftsspiele zu spielen und selbstgebackenen Kuchen zu teilen. Ruth ist seit 35 Jahren Mittwochsfrau und sagt zu ihrem langjährigen freiwilligen Engagement: «Es ist eine befriedigende Sache, den Menschen hier Freude zu bringen.»
Freiwilligenarbeit im Wandel
Ähnlich wie das Vereinsleben, steht auch die Freiwilligenarbeit mancherorts unter Druck. Die klassische Vorstellung vom lebenslangen Ehrenamt verändert sich. Viele Menschen möchten sich lieber punktuell, projektbezogen oder zeitlich begrenzt engagieren. Besonders für junge Erwachsene oder Berufstätige fehlen oft die passenden Möglichkeiten, wie sie sich engagieren können – die traditionellen Formen der Freiwilligenarbeit sind oft schwierig mit ihrem Lebensrhythmus und ihren Interessen vereinbar.
Das stellt auch Kirchgemeinden vor neue Herausforderungen, bietet aber auch Chancen: Es braucht zukünftig flexible Einsatzmöglichkeiten und solche mit echtem Gestaltungsspielraum. Wer sich freiwillig engagiert, soll nicht einfach «aushelfen», sondern auch bewegen können. Wenn wir diese Veränderungen erkennen und das Bedürfnis mit zeitgemässen Einsatzmöglichkeiten auffangen können, sichern wir die Zukunft der Freiwilligenarbeit.
Gutes freiwilliges Engagement braucht einen tragfähigen Rahmen. Dazu gehören klare Rollenbeschreibungen, Ansprechpersonen, Weiterbildungsmöglichkeiten und eine Atmosphäre, in der man wachsen darf. Wer viel gibt, darf auch etwas zurückbekommen: Anerkennung, persönliche Entwicklung, Gemeinschaft. Und deshalb ist auch das Danke-Sagen ein zentraler Ausdruck dieser Verbundenheit und Wertschätzung.
Darum: Danke!
Ohne Menschen wie Ruth, Joel und die vielen anderen Freiwilligen würde ein Herzstück unseres Gemeinwesens und der Lebensqualität im Saanenland fehlen. Darum anerkennen und feiern die Kirchgemeinden Lauenen und Saanen-Gsteig ihre Freiwilligen regelmässig – ob mit einem gemeinsamen Racletteabend oder einem gemütlichen Abendessen mit Örgelimusik wie zuletzt Anfang Mai im Kirchgemeindehaus. Gemeinsam lachen, Freundschaften mit Gleichgesinnten pflegen und neue aufbauen, einen fröhlichen Abend geniessen, einmal bekocht und geehrt werden – das tut gut.
CAROLA WATTS
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Freiwilligenarbeit ist ein unentgeltliches und freiwilliges Engagement ausserhalb des eigenen Haushalts. Sie wird in der Regel regelmässig ausgeführt, ist nicht auf Erwerb ausgerichtet und erfolgt zugunsten Dritter oder der Gemeinschaft. Im Unterschied zum Ehrenamt, das oft mit einem offiziellen Amt und Verantwortung verbunden ist, umfasst Freiwilligenarbeit auch niederschwellige, flexible Einsätze. Sie ist ein Ausdruck gelebter Solidarität.
Wenn auch Sie sich freiwillig engagieren möchten, sprechen Sie uns einfach an – das Sekretariat, die Kirchgemeindepräsidenten oder die Pfarrpersonen der Kirchgemeinden Lauenen und Saanen-Gsteig freuen sich auf Sie.