Eine Mutter für viele
08.05.2025 GesellschaftAm Muttertag steht sie im Mittelpunkt: Dalma Andrea Egloff ist selbst Mutter – und unterstützt gleichzeitig andere Familien im Saanenland. Als Tagesmutter begleitet sie Kinder liebevoll durch den Alltag und entlastet ihre Eltern. Ein Besuch bei einer Frau, die mit Herz und Hingabe ...
Am Muttertag steht sie im Mittelpunkt: Dalma Andrea Egloff ist selbst Mutter – und unterstützt gleichzeitig andere Familien im Saanenland. Als Tagesmutter begleitet sie Kinder liebevoll durch den Alltag und entlastet ihre Eltern. Ein Besuch bei einer Frau, die mit Herz und Hingabe für viele da ist.
JOCELYNE PAGE
Kommenden Sonntag ist Muttertag. Ein Tag, an dem Mütter für all das geehrt werden, was sie tagtäglich leisten. Worte vermögen kaum zu beschreiben, wie viel sie für uns tun oder getan haben. Sie sind immer zur Stelle, helfen in jeder Situation, unterstützen uns in allen Belangen, lieben uns bedingungslos – und das Wichtigste: Sie haben uns das Leben geschenkt.
Eine von ihnen ist Dalma Andrea Egloff aus Schönried. Doch sie ist nicht nur für ihre eigenen Kinder da, sie unterstützt auch andere Mütter. Als Tagesmutter betreut sie Kinder mit viel Hingabe und Geduld. Und das mit einer Herzlichkeit, die man sofort spürt, wenn man ihr begegnet.
Vier Kinder an vier Tagen
Seit drei Jahren ist Egloff als Tagesmutter tätig. Angefangen hat sie, als ihr Sohn Jayden zwei Jahre alt war. Ihr erstes Tageskind war damals noch ein Baby. Bis heute betreut sie die kleine Sofia. Auch während der Schwangerschaft mit ihrer Tochter Freya arbeitete sie weiter und stieg nach einem dreimonatigen Mutterschaftsurlaub wieder ein. Es folgte ein zweites Tageskind, Martim – er ist gleich alt wie ihr Sohn.
Jeweils an vier Tagen in der Woche betreut sie neben ihren eigenen Kindern zwei weitere: eines von sieben Uhr morgens bis 18 Uhr, das andere von neun bis 15 Uhr. Mehr Kinder möchte sie bewusst nicht betreuen. «Ich will das Beste geben und jedem Kind gerecht werden», sagt Egloff.
«Mami Dalma»
Die Tageskinder sind ihr ans Herz gewachsen. «Sie sind wie meine eigenen Kinder», sagt sie mit einem herzlichen Lachen. Die kleine Sofia nennt sie «Mami Dalma». «Ich habe ihr gesagt, sie könne auch ‹Tante Dalma› sagen. Meistens nickt sie, aber nach ein paar Minuten bin ich wieder ‹Mami Dalma›.»
Sie alle fünf zusammen seien ein eingespieltes Team. Jeder kenne den Rhythmus des anderen, der Tagesablauf sei klar. Spielen, basteln, Ausflüge auf den Spielplatz, dazwischen Znüni, Mittagessen und Zvieri – die Tage sind strukturiert. Ihre Schützlinge verstehen sich untereinander und auch mit ihren eigenen Kindern wunderbar. «Es ist eine perfekte Sozialisierung für meine», sagt Egloff.
Die Zeit, als Sofia noch ein Baby war, sei zwar herausfordernd, aber gleichzeitig sehr erfüllend gewesen. «Sie hatte einen guten Wach-Schlaf-Rhythmus, auf den ich mich verlassen konnte. Ihre Eltern erzählten mir manchmal, dass das bei ihnen zu Hause nicht funktioniere. Das machte mich schon stolz», erinnert sich Egloff.
Bei der Gemeinde Saanen angestellt
Die Betreuung ist nicht nur herzlich, sondern auch professionell organisiert. Egloff ist bei der Gemeinde Saanen als Tagesmutter angestellt. Ende Monat reicht sie ihre geleisteten Betreuungsstunden sowie die Spesen für Mahlzeiten ein. Die Gemeinde vergütet den Lohn jeweils im Folgemonat (siehe Kasten).
Von der Gemeinde hat sie ein Pflichtenheft erhalten, das den Umgang und die Verhaltensregeln mit den Kindern klar vorgibt. Einmal jährlich schaut eine unabhängige Fachperson vorbei und prüft die Betreuungssituation vor Ort. Diese Kontrolle erfolgt im Auftrag der Tagesfamilienorganisation Saanen (TFO).
Job und Familie unter einem Hut
Wer mit Dalma Egloff spricht, merkt schnell: Hier ist jemand mit Herz und Überzeugung bei der Sache. Ihre grösste Motivation ist ihre Familie. Egloff ist ausgebildete Industrieingenieurin und hat ihren Master an der Universität in La Paz in Bolivien absolviert. Vor zehn Jahren zog sie wegen der Herkunft ihres Mannes ins Saanenland. Der Gedanke, in ihrem Beruf auch in der Schweiz wieder tätig zu sein, hätte ihr sehr gefallen. Zuerst aber wollte sie die Sprache lernen. Dann wurde sie schwanger, und für sie war klar: Sie wollte für ihre Kinder da sein, solange diese noch klein sind. Als Tagesmutter lässt sich dieser Wunsch gut mit dem Berufsleben verbinden. «Es ist eine gute Kombination», sagt sie. So kann sie zu Hause bleiben, etwas verdienen und ihren Kindern gleichzeitig wichtige soziale und kulturelle Erfahrungen ermöglichen. Die Eltern ihrer Tageskinder stammen aus Portugal und Italien. «Unsere Hauptsprache ist Deutsch, aber es schleichen sich auch Spanisch, Italienisch und Portugiesisch ein. Wir sind eine bunte Gruppe», sagt sie mit einem Lächeln.
Ein wehmütiger Abschied steht bevor
Im Sommer wird ihr Sohn Jayden eingeschult, genauso wie Sofia und Martim. Für alle steht ein grosser Schritt bevor. «Der erste Schultag wird bestimmt hart», sagt sie, sichtlich bewegt. «Da sie alle wie meine eigenen Kinder sind, trifft es mich besonders, wenn gleich drei gleichzeitig in den Kindergarten kommen.»
Sie habe viel mit ihnen erlebt, sie werde sie vermissen. Doch sie weiss auch: Es gehört zum Leben dazu. Ihre kleine Tochter Freya bleibt noch zu Hause. Und so öffnen sich neue Türen, neue Betreuungsplätze im Hause Egloff werden frei. «Ich bin gespannt, wen ich ab Sommer betreuen darf.»
Tagesfamilien: wichtig, jedoch oftmals zweite Wahl
Trotz grossem Bedarf an Kinderbetreuung greifen viele Eltern erst zur Tagesmutter, wenn kein Kitaplatz mehr frei ist. Dabei spielen Tagesfamilien im Saanenland eine zentrale Rolle – wie Daniel Bühler von der Gemeinde Saanen erklärt, tragen sie wesentlich zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei. Doch das Angebot ist begrenzt und die Organisation bleibt anspruchsvoll.
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Im Saanenland übernehmen Tagesfamilien eine wichtige Rolle in der Kinderbetreuung. Laut Daniel Bühler, Fachbereichsleiter Soziales – Kinder und Jugend der Gemeinde Saanen, sind derzeit sechs Tagesmütter bei der Tagesfamilienorganisation Saanen (TFO) gemeldet. Vier von ihnen betreuen aktuell regelmässig 14 Kinder. Eine Tagesmutter arbeitet ausschliesslich in den Schulferien, eine weitere wird ihre Tätigkeit im August aufnehmen. «Die TFO Saanen ist für die Gemeinden Saanen, Gsteig und Lauenen zuständig», erklärt Bühler. Die Organisation und Administration liegen bei der Gemeinde Saanen, welche gleichzeitig auch Sitzgemeinde ist.
Zuerst die Kita, dann die Tagesmutter
Das Interesse an der Betreuung durch Tageseltern ist relativ gering – insbesondere im Vergleich zu den stark nachgefragten Kitaplätzen. «Die Nachfrage nach Kitaplätzen ist ungebrochen vorhanden und die Kitas in der Regel deshalb voll ausgelastet», erklärt Daniel Bühler. Viele Eltern würden erfahrungsgemäss zuerst einen Platz in einer Kita suchen und erst dann eine Tagesmutter in Betracht ziehen, wenn sie dort keinen Platz fänden. Die Tagesfamilienorganisation schliesse gemeinsam mit selbstständig erwerbenden Tageseltern und innovativen Spielgruppen einen Teil dieser Betreuungslücke. «Es ist der Gemeinde ein grosses Anliegen, dass mit Tagesfamilien die Vereinbarkeit von Familie und Beruf kontinuierlich verbessert werden kann», betont Bühler. Die Betreuung im Zuhause der Tagesmutter biete Kindern eine familiäre Umgebung und eine erweiterte Lebenswelt in kleinen, überschaubaren Gruppen.
Kurse und Aufsicht
Tagesmütter der TFO Saanen absolvieren in der Regel vor ihrer Tätigkeit einen Grundbildungskurs sowie einen Notfallkurs für Kinder. Jährlich werden Weiterbildungen angeboten. Die Qualität wird regelmässig überprüft: Mindestens einmal im Jahr besucht eine unabhängige Fachperson der Pflegekinderaufsicht (PKA) die Tagesfamilien – gemäss den Vorgaben des Kantons Bern. Im Saanenland ist Ursula Breuninger die zuständige Expertin.
Neben den Tagesmüttern der TFO gibt es auch selbstständig erwerbende Anbietende. «Aktuell gibt es fünf selbstständig Erwerbende, die rund 14 Kinder betreuen», erläutert Breuninger. Diese unterstehen denselben rechtlichen Kontrollen und können ebenfalls an den Weiterbildungen teilnehmen. Eine finanzielle Unterstützung erhalten sie jedoch nicht. Auch die Eltern profitieren bei privaten Angeboten nicht vom subventionierten Tarif, da dieser nur für die von der TFO betreuten Kinder gilt.
Organisation ist herausfordernd
Laut Bühler gibt es aktuell eine Warteliste mit rund zehn Kindern, die auf eine Tagesmutter oder -vater warten. Einige davon seien noch gar nicht geboren, so Bühler. Die Vermittlung sei nicht immer einfach. «Es ist zu bedenken, dass eine Tagesmutter oft eigene Kinder hat und möglicherweise auch nur einzelne Wochentage anbieten kann. Der Bedarf von abgebenden Eltern und die Verfügbarkeit von Tagesmüttern kann unter Umständen oftmals nicht ganz passen.»
Die Gemeinde beobachtet die Entwicklung laufend. Neue kantonale Vorgaben erfordern regelmässige Anpassungen. Im Fachbereich Soziales werde daher fortlaufend evaluiert, wie das Angebot erweitert und neue Tageseltern gewonnen werden könne, erläutert der Fachbereichsleiter.