Mit Gummistiefeln ins Becken: Saaner Angelfischer testen den Ernstfall
20.06.2025 GstaadEin ungewöhnliches Bild bot sich am Pfingstmontagabend im Hallenbad des Sportzentrums Gstaad: Statt Badehosen dominierten schwere Watthosen und wetterfeste Anglerjacken das Becken. Der Angelfischerverein Saanenland hatte seine Mitglieder zu einer ungewöhnlichen ...
Ein ungewöhnliches Bild bot sich am Pfingstmontagabend im Hallenbad des Sportzentrums Gstaad: Statt Badehosen dominierten schwere Watthosen und wetterfeste Anglerjacken das Becken. Der Angelfischerverein Saanenland hatte seine Mitglieder zu einer ungewöhnlichen Sicherheitsübung eingeladen.
CLAUDIA HEINE
Auf dem Parkplatz des Sportzentrums besammelten sich zwölf begeisterte Fischer, bewaffnet mit ihrer gesamten Ausrüstung. Stefan Romang, Präsident des Angelfischervereins Saanenland, erklärt: «Das, was wir heute machen, ist kein Kurs, den es schon gibt. Es ist eine einmalige Chance, unsere Ausrüstung in sicherer Umgebung zu testen.» Nach kurzer Einweisung nach dem Motto «Passt aber trotzdem auf und schaut, dass ihr gesichert seid, wenn ihr ins tiefe Wasser geht» macht sich die gut gelaunte Truppe auf ins Hallenbad.
Ausnahmsweise geht der Weg mit Schuhen, Kleidern und ohne Dusche direkt zum grossen Becken des Hallenbads. Dort angekommen wird rege und humorvoll diskutiert. Man spürt die verbindende Leidenschaft für den Angelsport. Viele kennen sich seit Jahren. Nun wird die restliche Ausrüstung angezogen, in die dicken Fischerhosen geschlüpft. Es werden die Bergschuhe geschnürt und die Goretexjacken bis zum Hals fest verschlossen.
Nachdem die letzten Hallenbadbesuchenden das kühle Nass verlassen haben, geht es schon los. Mit Bergschuhen, Watthosen und Fischerjacken wagt einer nach dem anderen den Gang in das grosse Becken. Die ganz Mutigen wagen den Sprung ins Wasser – voll ausgerüstet, so wie sie sonst an der Saane, am Lauibach oder am Arnensee stehen.
Warum dieser ungewöhnliche Ausflug ins Hallenbad? «Viele Fischer wissen gar nicht, wie sich ihre Ausrüstung im Wasser verhält, wenn sie tatsächlich einmal ins Wasser fallen», erklärt Vereinspräsident Stefan Romang am Beckenrand. «Das kann lebensgefährlich werden! Wir fischen grossteils in fliessenden Gewässern mit Strömung. Ausserdem sind die Flusssteine oftmals rutschig. Es kann daher immer mal passieren, dass man ungewollt ins Wasser fällt. Wenn das passiert, dann ist es vor allem wichtig, Ruhe zu bewahren und nicht in Panik auszubrechen. Die Kenntnis über das Verhalten der eigenen Ausrüstung ist dabei elementar für die eigene Sicherheit.» Denn die beliebten Watthosen, die bis zur Brust reichen, können sich im Wasser entweder mit Luft füllen und den Träger wie einen Ballon nach oben drücken – oder sich mit Wasser vollsaugen und nach unten ziehen. «Beides ist gefährlich, wenn man nicht weiss, wie man reagiert», ergänzt Marcel Burri, Vorstandsmitglied und Initiator der Aktion.
Sicherheit durch Selbsterfahrung
Im Hallenbad konnten die Fischer gefahrlos ausprobieren, wie sich die verschiedenen Materialien verhalten. Einige trieb es an die Oberfläche, andere hatten überhaupt keine Mühe, mit der Ausrüstung zu schwimmen. «Ich war überrascht, wie schwer die Hose plötzlich wurde», berichtet das Vereinsmitglied Bernhard. Er bleibt lange im Becken, probiert verschiedene Positionen aus und dreht sich auch auf den Rücken. Seine Bewegungen sehen kontrolliert aus. «Das ist eine wichtige Erfahrung, die mir draussen am Fluss das Leben retten kann.»
Stefan Romang testet das Verhalten seiner Fischerstiefel aus. Es stellt sich heraus, dass es mit Stiefeln deutlich schwieriger ist, als mit der Fischerhose. Aber trotzdem gelingt es ihm gut, mit den Stiefeln zu schwimmen. Er erklärt uns: «Wir fischen hier in Gebirgsgewässern, mit Stiefeln ist es deutlich gefährlicher als mit Bergschuhen und Watthosen. Denn die Stiefel geben weniger Halt, wodurch man schneller ausrutschen kann. Ausserdem saugen sich die Stiefel gern mit Wasser voll. Da ist also besondere Vorsicht geboten. Wir bereiten uns sozusagen in ‹geschützter Umgebung› im stillen Wasser des Sportzentrums vor, damit wir im Ernstfall auch bei fliessendem, kalten Wasser und grosser Strömung nicht in Panik verfallen, sondern auf uns und unsere Ausrüstung vertrauen können. Das Gefährlichste überhaupt ist, den Halt zu verlieren, sich den Kopf an einem Stein zu stossen und dabei bewusstlos zu werden.» Man sei ja meist alleine beim Fischen. Insofern wäre so etwas fatal. Einen ähnlichen Unfall habe Vereinsmitglied Robert wohl einmal gehabt. Gott sei Dank sei es glimpflich ausgegangen.
Ein Verein mit Herz und Verstand
Nach dem erfolgreichen Training werden die Fischer die Saison, die alljährlich vom 15. Mai bis 30. September dauert, bestmöglich vorbereitet bestreiten können. Die Aktion kam bei den Mitgliedern gut an – und zeigt, wie ernst der Angelfischerverein Saanenland das Thema Sicherheit nimmt. «Angeln ist mehr als nur ein Hobby», so Stefan Romang. «Wir sind Naturliebhaber, aber wir müssen auch wissen, wie wir uns schützen.»
«Wir sind das Sprachrohr des Fischs»
CLAUDIA HEINE
Welche Fische gibt es im Saanenland?
Im Saanenland kommen vor allem Bachforellen vor. Sie sind der Leitfisch dieser Bergbäche, die durch klare, sauerstoffreiche und kühle Gewässer charakterisiert sind. Neben Bachforellen leben in den Bächen auch Köderfische wie beispielsweise die Groppen. Im Arnensee gibt es auch andere Fischarten wie beispielsweise Saiblinge, die jedoch nicht autochthon sind.
Wo und unter welchen Voraussetzungen kann man im Saanenland fischen?
Der Angelfischerverein Saanenland bewirtschaftet als «Vereinsgewässer» elf Bergbäche im Saanenland. Es sind das bestimmte Abschnitte der folgenden Bergbäche: Chouflisbach, Chalberhönibach, Erbserenbach, Turpachbach, Turnelsbach, Lauibach, Tungelbach, Geltenbach, Meielsgrundbach, Tschärzisbach und Reuschbach*. Diese dürfen nur innerhalb der Saisondaten und mit gültiger Berechtigungskarte (z.B. Tageskarte) befischt werden. Maximal dürfen vier Bachforellen mit einem Mindestmass von 24 Zentimetern pro Tag gefangen werden.
Gibt es so etwas wie gute oder schlechte Jahre bei den Saaner Fischern, ähnlich wie es das bei den Pilzlern gibt?
In sehr heissen Jahren kann die Wassertemperatur für die Fische zum Problem werden. Im schlimmsten Fall muss der Verein dann zur Notabfischung ausrücken. Ab 17, 18 Grad Celsius wird es für die Fische zu warm bzw. der Sauerstoffgehalt des Wassers erreicht einen kritischen Wert. Ausserdem kann Hochwasser im Winter die Brutfische, welche aus der Laichzeit zwischen Oktober und November stammen, töten, da die Jungfische im Vergleich zu älteren Fischen noch schutzlos und zu wenig robust sind.
Was mehr und mehr zum Problem wird, ist der Insektenschwund. Wir haben immer weniger Insekten um uns herum, diese sind aber eine der Hauptnahrungsquellen unserer Fische.
Grundsätzlich kann man aber sagen, dass sich das Saanenland eines sehr guten Fischbestands erfreuen kann.
Was macht der Verein, um den Fischbestand nachhaltig zu bewahren? Von der Eizelle zum Jungfisch – sorgfältige Aufzucht im Bruthaus?
Jedes Jahr ab November investiert der Verein viele Helferstunden und Herzblut in ein besonderes Projekt: Im Vereinshaus des Fischereivereins an der Oey werden Brütlinge (das sind Fische, die gerade aus dem Ei geschlüpft sind) für die Besetzung der Vereins- und Kantonsgewässer aufgezogen:
– Alles startet mit dem Laichfischfang, bei dem sorgfältig Fische gefangen, ihr Geschlecht bestimmt und die Tiere im Bruthaus gehältert (d.h. temporär ausserhalb ihrer natürlichen Umgebung aufbewahrt) werden.
– Wöchentlich wird kontrolliert, welche Weibchen laichreif sind. Diese werden gestreift, die befruchteten Eier – rund 35’000 Stück – reifen in Brutschalen heran.
– Nach sieben bis acht Wochen schlüpfen die Brütlinge, die anschliessend in Aufzuchtgewässer umgesetzt werden, wo sie natürlich heranwachsen.
– Im Herbst sind aus ihnen Sömmerlinge geworden, die im September und Oktober in die Vereins- und Kantonsgewässer umgesetzt werden
– so wird der Fischbestand nachhaltig gesichert.
*Die Saane (im Saanenland), die kleine Simme, der Grischbach und der Arnensee sind kantonale Gewässer und benötigen eine kantonale Bewilligung. Der Lauenensee untersteht dem Fischerverein Lauenensee.
Details siehe Bestimmungen des Reglements des Angelfischervereins Saanenland und das Reglement des Kantons Bern. www.angler-saanenland.ch