Mit Buntstift, Tusche und Feder
05.06.2023 Porträt, Kunst, Porträt«Fliegende Klaviertasten», «Hut mit Flasche», «Saane im Saanenland», «Rathaus Bern», «Chalet in Gstaad» oder einfach «Mein Traum». Hinter simplen Titeln stehen von Hand gezeichnete Bilder, die genau das wiedergeben, was der ...
«Fliegende Klaviertasten», «Hut mit Flasche», «Saane im Saanenland», «Rathaus Bern», «Chalet in Gstaad» oder einfach «Mein Traum». Hinter simplen Titeln stehen von Hand gezeichnete Bilder, die genau das wiedergeben, was der Künstler Peter Zaugg sieht oder denkt oder fühlt. Zu sehen sind seine Bilder aktuell im Coop-Restaurant Gstaad.
KEREM S. MAURER
Die Bleistift- und Acrylzeichnungen, die Peter Zaugg auch gerne mal mit Reissfeder und Tusche ergänzt, zeugen von einem wachen, fantasievollen Geist, von ausgeprägter Beobachtungsgabe und grosser Liebe zum kleinen Detail. Fotorealistische Bilder von Häusern und Bauwerken wechseln sich ab mit optischen Täuschungen aus geometrischen Formen, surrealen Kompositionen und aufs Papier gebrachten Träumen. So verschieden seine Bilder auch sind, sie haben alle etwas gemeinsam. «Jedes Bild hat ein klares Motiv», erklärt Peter Zaugg. Der 66-Jährige, der seit einem Jahr «glücklich pensioniert» ist, verbringt zusammen mit seiner Frau viel Zeit im Wohnwagen. Entweder irgendwo unterwegs oder auf dem Campingplatz Bellerive im Saanenland. Gegenwärtig stellt der Künstler einige seiner Werke im Coop Restaurant Gstaad aus. «Ich bin ein Hobbyzeichner», sagt er lachend. Mit den Zeichnungen wolle er kein Geld verdienen – es sei denn, es handle sich um Auftragsarbeiten.
Seit jeher künstlerisch tätig
Peter Zaugg ist Stadtberner und war von Beruf erst Autolackierer, dann Musiklehrer, Securitaswächter und betreut heute VIP-Gäste der Young Boys im Berner Wankdorfstadion. Irgendwann dazwischen liess er sich in Gstaad auch noch zum Skilehrer ausbilden. Das klingt nicht nach einer typischen Künstlerkarriere. Trotzdem ist er zum Zeichnen gekommen. Wie eigentlich?
«Schon als Autolackierer habe ich angefangen, auf Bleche irgendwelche Sachen zu malen», erklärt er, und schon als Kind habe er mit einer Schere Papierdreiecke ausgeschnitten und zu «Kunstwerken» zusammengefügt. Zaugg erhebt sich von seinem Tisch im Wohnwagen und holt das Modell eines Wohnwagens mit Zugfahrzeug. «Ich bin auch heute noch bildnerisch-gestalterisch tätig. Dieses Modell – mit Innenausstattung, wohlbemerkt – habe ich im letzten Winter hier in Gstaad gefertigt.» Das heisst, Peter Zaugg zeichnet nicht nur? Jetzt schaltet sich seine Frau ein: «Nein», sagt sie lachend, «er muss immer etwas zu tun haben!» Doch das Zeichnen ist und bleibt seine Leidenschaft. Einst sei seine Frau von einer Schiffsreise nach Hause gekommen mit Fotos, die sie von einem Kanal gemacht habe. «Die Perspektiven, Linien und Fluchten haben es mir angetan», erinnert sich der Zeichner. Dann hat er angefangen, diese Fotos abzuzeichnen. Eine Technik, die er heute noch gerne anwendet, wenn es um Häuser oder Bauwerke geht. Seine Sujets trifft er entweder zufällig oder sie gründen auf einer Idee.
Alles selbst beigebracht
«Ich kann mich nicht mit einer Staffelei irgendwo hinsetzen und das zeichnen, was ich sehe», sagt er. Das könne er genauso wenig übertragen, wie in der Musik zu improvisieren. Obschon er 29 Jahre lang als Musiklehrer unzähligen Schülern das Klavierspielen beigebracht hat. Entweder zeichnet er von einem Foto ab oder er hat eine Idee im Kopf und bringt diese zu Papier. «Wenn ich abzeichne, bin ich an die Vorlage gebunden, da gibt es kein Abweichen, weil man das Gebäude erkennen muss. Aber wenn ich Landschaften zeichne, bin ich absolut frei.» Und mit dieser Freiheit zaubert Peter Zaugg Spannungsfelder zwischen Fotorealismus und Surrealismus aufs Papier. Mit Buntstiften, Reissfeder und Acrylfarben. Eine gewagte Kombination, die nur er so anwendet. Sie verleiht seinen Werken etwas Unverwechselbares, Authentisches. «Ich habe nie Zeichenunterricht genommen oder einen Kurs besucht. Ich habe mir alles selbst beigebracht», sagt er.
Etwas, das bleibt
Zeichnen bereitet Peter Zaugg innere Befriedigung, weil er damit etwas schafft, das bleibt. Als Musiklehrer habe er den ganzen Tag gearbeitet und am Abend sei nichts Greifbares übriggeblieben, sinniert er. Doch nicht nur seine Zeichnungen sind greifbar – durchs Zeichnen macht er auch seine Träume, seine Empfindungen fassbar, indem er sie aufs Papier bringt. «Papier ist wichtig», betont er. «Ich mache pragmatische Kunst. Auf Papier. Manchmal verwende ich auch farbiges Papier. Fertig.» Doch warum hat es ihn ins Saanenland verschlagen? «Wir sind seit 1982 mit dem Wohnwagen unterwegs und haben auf einer Reise in Italien ein Paar getroffen, das seinen Wohnwagen in Gstaad auf dem Campingplatz hatte», blickt er zurück. Vor vielen Jahren hätten sie dieses Paar in Gstaad besucht – und seien hängen geblieben. «Wir verbringen heute viel Zeit im Saanenland, wir fühlen uns hier sehr wohl. Gstaad liegt zwar in den Bergen, aber ist dennoch sehr offen und hat eine gewisse Weite», fasst er seine Faszination für die Region zusammen. «Es ist speziell: Jedes Mal, wenn wir hierherkommen, fühlen wir uns sofort wie in den Ferien.» Nein, er brauche weder einen See noch das Meer, um glücklich zu sein. Und dies, obschon jenes Bild mit dem Titel «Mein Traum» einen Flügel zeigt, der in einem Zimmer steht – mit wunderbarer Meersicht. www.peterzaugg.ch