ANITA MOSER
Wir Journalistinnen und Journalisten des «Anzeigers von Saanen» berichten in erster Linie über das, was in unserem Einzugsgebiet geschieht. Ist der Lokalbezug gegeben, reisen aber auch wir etwas weiter weg. Zum Beispiel in die Bundeshauptstadt – ...
ANITA MOSER
Wir Journalistinnen und Journalisten des «Anzeigers von Saanen» berichten in erster Linie über das, was in unserem Einzugsgebiet geschieht. Ist der Lokalbezug gegeben, reisen aber auch wir etwas weiter weg. Zum Beispiel in die Bundeshauptstadt – ins Parlament.
Mitte August interviewte ich Erich von Siebenthal, wir hielten Rückschau auf seine 16 Jahre im Nationalrat. Fast beiläufig erwähnte er, dass er am 29. September – zusammen mit weiteren Nationalrätinnen und Nationalräten – verabschiedet werde. «Ich bin dabei», sagte ich ohne gross zu überlegen. «Ja, mach das», unterstützten mich meine Redaktionskolleginnen und der -kollege, als ich mein Vorhaben an einer Redaktionssitzung vorbrachte.
Ich war zwar schon mal bei einer Führung durch das Bundeshaus dabei, aber noch nie als Journalistin während einer Session. Wie gehe ich da wohl vor? Was benötige ich für eine Akkreditierung? Es war einfacher als gedacht. Via Homepage kann man sich für einen Tag akkreditieren. Schon zwei Tage nachdem ich das Onlineformular ausgefüllt hatte, bekam ich per Mail die Bestätigung, ein «Merkblatt für Medienschaffende betreffend Arbeitsbedingungen im Parlamentsgebäude» sowie einen Situationsplan. Am 29. September kurz vor 8 Uhr stellte ich mich – zugegebenermassen etwas nervös – mit einigen anderen Medienschaffenden, mit Familienangehörigen der Parlamentarier:innen und anderen Interessierten in die Warteschlange. Problemlos kam ich durch die Sicherheitsschleuse. Eine Polizistin übergab mir meinen Zutrittsausweis – ich ihr meine Identitätskarte – und dank der Hilfe einer weiteren Polizistin fand ich schliesslich die Pressetribüne.
Dort befindet man sich quasi auf Augenhöhe mit dem Nationalratspräsidenten, dem höchsten Schweizer. 2023 war dies der Bündner Martin Candinas. Neben ihm sass der aktuell höchste Schweizer, der Baselbieter Erich Nussbaumer.
Klar, es gibt während der Sessionen ein gewisses Polizeiaufgebot im und um das Bundeshaus und man wird auch kontrolliert. Aber es ist kein Vergleich mit den Arbeitsbedingungen von Journalistinnen und Journalisten in vielen anderen Ländern. Oft müssen sie für ihre Berichterstattungen viele Hindernisse überwinden oder sich grossen Gefahren aussetzen. 2023 sind weltweit 41 professionelle Journalistinnen und Journalisten in Ausübung ihrer Tätigkeit getötet worden.
Welch ein Glück wir doch haben. Journalistinnen und Journalisten in der Schweiz brauchen nicht um ihr Leben zu fürchten und die Situation der Pressefreiheit ist in der Schweiz nach wie vor gut. Die Schweiz belegt 2023 auf der Rangliste der Reporter ohne Grenzen diesbezüglich den zwölften Platz unter 180 Ländern. Aber die Gewalt gegen Journalistinnen und Journalisten nimmt leider auch in unseren Breitengraden zu. Das stimmt mich nachdenklich.
Doch an diesem 29. September genoss ich meine Freiheit. Nach der Arbeit im Parlamentsgebäude genehmigte ich mir einen Kaffee auf einer Terrasse in der Nähe des Bundeshauses und beobachtete National- und Ständerätinnen und auch Bundesratsmitglieder, die ohne Bodyguards über den Bundesplatz schlenderten. Eigentlich haben wir doch allen Grund, um zufrieden zu sein.
Wir Journalistinnen und Journalisten sind das ganze Jahr hindurch engagiert unterwegs, um Woche für Woche zwei informative, interessante und auch unterhaltsame Zeitungen zu publizieren. In der Serie «Mein persönliches Highlight 2023» picken wir die Geschichten heraus, die uns am meisten berührten, erheiterten, zum Nachdenken anregten oder sonst begeisterten.