Lob, Dank und Bestätigung
01.09.2023 Berner OberlandDas Gemeindeforum 2023 der Volkswirtschaft Berner Oberland begann überraschend, verlief wortreich und gab den Anwesenden eine knifflige Frage mit auf den Nachhauseweg.
Ernst Wandfluh ist kein Biker. In Kontakt mit Zweirädern kommt er meist auf der Strasse, wenn ...
Das Gemeindeforum 2023 der Volkswirtschaft Berner Oberland begann überraschend, verlief wortreich und gab den Anwesenden eine knifflige Frage mit auf den Nachhauseweg.
Ernst Wandfluh ist kein Biker. In Kontakt mit Zweirädern kommt er meist auf der Strasse, wenn er sie im Auto überholt – «bei den modischen breiten Lenkern nicht immer ganz einfach», wie er ausführte. Zumindest einige der rund 60 anwesenden Gemeindevertreter:innen dürften an diesem Dienstagnachmittag ob Wandfluhs Auftritt gestaunt haben. Der Landwirt und Waldbesitzer sprach in seinem Kurzreferat über Bikewege – und er warb dafür.
Dass ein solcher Werbespot nötig ist, weiss der Grossrat genau. Seit Jahren kommt die Planung von Velostrecken im Kanton Bern nur schleppend voran. Während sich andere Gegenden in der Schweiz längst als Bikeregion etabliert haben, besteht im Oberland erst ein punktuelles, recht überschaubares Angebot. Natürlich wurden an diesem Nachmittag einmal mehr die trägen und komplizierten Ämter erwähnt, die ein rasches Vorankommen erschweren. Doch auch der Verein Berner Wanderwege trage seinen Teil dazu bei: Das neue Strassengesetz, das unter anderem die Koexistenz von Bikern und Wanderern fördern will, stosse bei der Interessenvertretung der Wanderer immer wieder auf Widerstand. Gegen viele Projekt werde daher Einsprache erhoben.
«Die Bauern sind nicht gegen Biker»
Ein Blick in die Vergangenheit zeigt aber, dass auch das Verhältnis zwischen Grundbesitzern und Bikern zumindest kompliziert ist. Als die Planungsregion vor einigen Jahren in Reichenbach über ihre Pläne informierte, ein umfassendes Bikenetz im Kandertal zu erstellen, fielen die Reaktionen teils heftig aus. Man wolle doch keine Adrenalinsüchtigen, welche die Wege verkarrten, ohne die Natur wertzuschätzen, hiess es da etwa. Bei Wandfluh tönte das nun anders: «Die Bauern sind nicht gegen Biker.» Wenn neue Strecken erstellt würden, so sei bei den Gemeinden allerdings Fingerspitzengefühl gefragt: «Setzt die Bauern nicht unter Druck, damit sie ihr Land hergeben, und erwähnt in diesem Zusammenhang schon gar nicht die Subventionen für die Landwirtschaft. Die Bauern hassen das.» In seiner Rede brach Wandfluh eine Lanze für den Pragmatismus. «Die Biker sind da, und sie gehen auch nicht weg, wenn wir gegen sie sind.» Stattdessen solle man die Chancen nutzen, die ein solches Angebot berge. Wandfluhs Fokus galt dabei nicht bloss dem Tourismus, sondern auch der ständigen Wohnbevölkerung. «Ein attraktives Freizeitangebot ist ein gutes Mittel gegen Abwanderung.»
Béatrice Brand, die Geschäftsleiterin des Verbands BEBike, konnte dem nur beipflichten. Die Schweiz werde als Bikeland beworben – das Angebot im Kanton Bern sei dann aber eher enttäuschend. Die noch junge Interessengemeinschaft sei nun bestrebt, im ganzen Kanton attraktive Strecken zu erschliessen, und mache sich auch Gedanken, wie sich das finanziell lohnen könnte. «Aktuell bezahlen nur gerade drei Prozent der Bikenden für die genutzte Infrastruktur. Das müssen wir ändern», so Brand. Inspiration holte sich der Verband beim Langlauf: Analog zum Loipenpass wolle man einen Trailpass einführen.
Eine Gastgeberin, die sich in Szene zu setzen weiss
Auch der «Fachkräftemangel» kam am Gemeindeforum mehrmals zur Sprache. Das Thema diente denn auch als Steilvorlage für den Infoblock der Gastgeberin, der Wandfluh AG, in deren Räumlichkeiten der Anlass stattfand. Die Firma nutzte die Bühne geschickt und präsentierte sich als Vorzeigebetrieb, der sich intensiv um seinen Nachwuchs kümmert. In der Lernwerkstatt etwa seien zurzeit 30 Lernende beschäftigt. Insgesamt 350 junge Menschen hat die Firma bislang ausgebildet, rund ein Drittel davon sei nach der Lehre im Betrieb geblieben – eine Quote, die manche im Plenum beeindruckte und beinahe neidische Reaktionen hervorrief.
«Zeigt Interesse für eure Unternehmen»
Der dritte und letzte Referatblock gehörte dem Organisator. Zunächst bewarb der Verein Volkswirtschaft Berner Oberland die Plattform LehreBeo, eine interaktive Karte, auf der offene Lehrestellen übersichtlich dargestellt sind. Gestartet ist das Projekt im Juli. Die Anzahl der aufgeführten Stellen steige seither stetig und sei mittlerweile bei fast 100 angelangt. Dennoch scheine das Interesse noch steigerbar, wie Projektleiter Leo Glaser betonte. So seien bislang erst zehn Gemeinden registriert.
Als Leiter Standortförderung bei der Volkswirtschaft rief Urs Pfenninger danach in Erinnerung, worauf die Gemeinden achten sollten, um attraktiv zu bleiben. Die Liste reichte von familienergänzender Kinderbetreuung über eine gute Verkehrsanbindung bis hin zu einer soliden Gesundheitsversorgung. Vor allem aber appellierte Pfenninger an die Gemeinden, sich für ihre Betriebe zu interessieren. «Leider erfahren wir in unseren Gesprächen mit Unternehmen immer wieder, dass dieses Interesse nicht wirklich spürbar ist.»
Zuletzt umriss Geschäftsführerin Susanne Huber noch einmal die Tätigkeiten des Vereins. Der Begriff «Lobbying» sei zwar bei manchen Leuten negativ besetzt, treffe den Kern ihrer Arbeit aber ziemlich gut.
JULIAN ZAHND/FRUTIGLÄNDER