Kriegsgeschehen im Nahen Osten
27.06.2025 KolumneDie Geopolitik geht folgender Frage nach: «Wie verfolgen einzelne Staaten ihre globalen Interessen?»
Somit ist heute der «Blick in die Welt» geopolitisch getrübt.
Aktuell stehen da gerade die Vereinigten Staaten von Amerika im Vordergrund. Vor Kurzem sind ...
Die Geopolitik geht folgender Frage nach: «Wie verfolgen einzelne Staaten ihre globalen Interessen?»
Somit ist heute der «Blick in die Welt» geopolitisch getrübt.
Aktuell stehen da gerade die Vereinigten Staaten von Amerika im Vordergrund. Vor Kurzem sind die USA über Nacht mit Bombenabwürfen auf Atomanlagen in den israelisch-iranischen Krieg eingetreten. Präsident Donald Trump hatte, noch kurz zuvor und eher scherzhaft, verlauten lassen, niemand wisse, wie und wann die USA auf den Krieg Israel-Iran und die brandgefährliche Situation im Nahen Osten reagieren würden, nicht einmal er selbst.
Dabei war sich Trump dessen gewiss, dass die Geschichte der Vereinigten Staaten vom 17. Jahrhundert bis zur aktuellen Gegenwart nicht jene einer friedlichen, sondern vielmehr einer kriegerischen Weltmacht war und ist. Und jetzt wohl bleiben wird.
Die Schweiz hat vor wenigen Tagen bereits ihre Botschaft in Teheran vorübergehend geschlossen. Im selben Communiqué vom 20. Juni 2025 präzisiert das Eidenössiche Departement für Auswärtige Angelegenheiten (EDA): «Das Auslandpersonal hat das iranische Staatsgebiet verlassen und befindet sich in Sicherheit. Sobald es die Lage erlaubt, werden die Mitarbeitenden nach Teheran zurückkehren. In Absprache mit den betroffenen Ländern erfüllt die Schweiz im Rahmen ihrer Guten Dienste weiterhin ihre Aufgaben als Schutzmacht für die amerikanischen Interessen im Iran. Die Schweiz ruft dringend zur Rückkehr zum Dialog auf, um eine Deeskalation herbeizuführen.» Schutzmachtmandate sind gemäss Angaben des EDA geradezu eine jahrhundertealte Tradition. Im deutschfranzösischen Krieg 1870 bis 1871 in Frankreich trat die Schweiz erstmals als Schutzmacht auf. Sie vertrat die Interessen des Königreichs Bayern und des Grossherzogtums Baden. Im Ersten und vor allem im Zweiten Weltkrieg wurde die Schweiz aufgrund ihrer Neutralität zur omnipotenten Schutzmacht: Sie vertrat die Interessen von 35 Staaten mit über 200 Einzelmandaten. Darunter waren auch jene der kriegführenden Grossmächte.
Somit ist die dauernde Neutralität seit jeher das zentrale Instrument der schweizerischen Aussenpolitik. Warum? Sie ist beliebig anwendbar. Etwa im Ukraine-Krieg, der auch als «Zeitenwende» noch immer andauert, hat unser Land, ungeachtet seiner traditionellen Neutralität, Sanktionen gegen Russland verhängt. Und jetzt, da sich die Ereignisse im nahöstlichen Kriegsgeschehen überschlagen, äussert sich die israelische Botschafterin in Bern, Ifat Reshef, mit undiplomatisch deutlichen Worten in der Zeitung «Le Temps»: «Ich bedaure die Erklärungen der Schweiz. Sie sieht gar nicht, wie schlimm es um diesen Krieg steht.» Bern habe immer die Tendenz, zwischen den Kriegsparteien einen Ausgleich zu suchen. Das sei ein künstliches Manöver. Überhaupt seien die diplomatischen Äusserungen der Schweiz nur nette Worte, wenn es darum gehe, einander zu täuschen und Zeit zu schinden. Benyamin Netanyahou sei da erfreulich unzimperlich, wenn er sage: «Den Frieden erzielt man durch Stärke.» Die Europäer, so fährt die Israelische Botschafterin weiter, hätten vorwiegend über die Gefahren gesprochen, welche vom Iran ausgehen. Sogar einige arabische Länder sähen diese Gefahren durchaus. Am klarsten habe sich jedoch Friedrich Merz, der deutsche Bundeskanzler, ausgedrückt: Israel müsse das schmutzige Geschäft machen.
Und damit habe er das gesagt, was viele nur denken würden.
OSWALD SIGG
JOURNALIST, EHEMALIGER BUNDESRATSSPRECHER [email protected]