Begleitung für traumatisierte Kinder

  24.08.2023 Gesellschaft

Im Jahr 2020 zählte das Bundesamt für Statistik (BFS) in der Schweiz 1,7 Millionen Kinder. Laut der Kampagne «Eines von fünf» zur Beendigung der sexuellen Gewalt gegen Kinder wird jedes fünfte Kind in unserem Land misshandelt. Das entspricht 345’000 Opfern. Die Stiftung Innocence in Danger unterstützt betroffene Kinder mit Resilienztherapien bei ihrer emotionalen Rehabilitation und die Stiftung Alpenblick Gstaad bietet Hand.

KEREM S. MAURER
Leise, aber mit fester Stimme berichtet die in der Region wohnhafte Homayra Sellier, Gründerin und Präsidentin der Stiftung Innocence in Danger (siehe Kasten), gegenüber dieser Zeitung von den ergreifenden Schicksalen unschuldiger Kinder. Seit 2002 führt die Philanthropin mit iranischen Wurzeln – finanziert durch ihre Stiftung – jährlich in unserer Region sogenannte Resilienzlager durch. In diesen Ferienlagern dürfen betroffene Kinder aus weiten Teilen der Welt erleben, wie es sich anfühlt, mit Liebe und Respekt behandelt zu werden und sie erfahren, dass es in der Welt auch Schönes und Gutes gibt. Dazu werden Workshops organisiert, in denen die Kinder unter anderem Zeichnen, Fotografieren, Filmen und andere Aktivitäten in der Natur unternehmen, um wieder Vertrauen in sich und die Welt zu fassen. Von Anfang bis Mitte August wurden in der Region gleich zwei Sommercamps der Stiftung Innocence in Danger durchgeführt. Eines war für Kinder, die schon früher traumatisierende Erlebnisse gemacht hatten, das andere für ukrainische Waisenkinder. «Zum Aufenthaltsort der Opfer sexueller Gewalt mache ich zu deren und meinem Schutz keine Angaben», sagt Homayra Sellier. Die Waisen verbrachten einige Tage im Alpenblick in Gstaad.

Soziale Synergien
Die soziale Ausrichtung des Alpenblicks ist bekannt. Seit dem Bau um 1950 ermöglichten die Betreiber des Ferienheims, gesundheitlich angeschlagenen Bieler Schulkindern einen mehrwöchigen Aufenthalt in Gstaad. Ebenso konnten Kinder aus Familien mit bescheidenen finanziellen Möglichkeiten ihre Ferien im Alpenblick verbringen. «Diese soziale Tradition wird auch im neuen Alpenblick unter unserer Führung fortgesetzt», erklärt Nathanael Perreten, Präsident der Stiftung Alpenblick Gstaad. Nachdem Homayra Sellier den Alpenblick im Frühling dieses Jahres besucht und kennengelernt hatte, war sie von dem Ferienheim und den dort arbeitenden Menschen begeistert – man wurde sich schnell einig. Die 17 ukrainischen Waisenkinder hätten sich hier sehr wohl gefühlt, erzählt Homayra Sellier und betont, dass diese keine Kriegswaisen des aktuellen Ukrainekriegs seien. «Oft wird vergessen, dass in der Ukraine zwischen 2014 und 2020 ein Bürgerkrieg herrschte. Die sieben bis fünfzehnjährigen Kinder, die im Alpenblick waren, haben ihre Eltern schon vor dem Februar 2022 verloren. Viele von ihnen haben seit ihrer Geburt noch nie in Friedenszeiten gelebt.»

Gütesiegel für kinderfreundliche Unternehmen
Im Zeichnungsworkshop im Alpenblick hätten die Kinder ein Logo entworfen für Firmen, welche die UN-Kinderrechtskonvention einhalten und welche die Stiftung Innocence in Danger unterstützen, erzählt Homayra Sellier. «Wenn dieses Logo, das eine Art Gütesiegel für kinderfreundliche Unternehmungen ist, herauskommt, kann man sagen, dass es im Alpenblick Gstaad entstanden ist», freut sich die Philanthropin, die nach eigenen Angaben an einer weiterführenden Zusammenarbeit mit dem Alpenblick interessiert ist. Speziell an Weihnachten und Neujahr möchte sie Resilienzlager durchführen. «Wenn wir diese finanzieren könnten, wäre das fantastisch», so Sellier, die Wert darauf legt, dass die Kinder, die ihre Ferienlager besuchen, selbst nichts bezahlen müssen. «Wir haben einen Fonds gegründet und sammeln Spenden, damit wir für die Kinder alles finanzieren können», erklärt Homayra Sellier. Wenn jemand eine Therapie brauche, dürfe es keine finanzielle Diskriminierung geben. Ganz wichtig ist für sie, dass die Kinder nach den Resilienzaufenthalten nicht alleine gelassen werden, sondern dass ihre Stiftung sie weiterbegleitet. Kinder, die Schlimmes erlebt haben, müsse man langsam in die Gesellschaft zurückholen und sie wieder integrieren. «Wir begleiten die Kinder bis sie achtzehn Jahre alt sind oder, wenn sie es brauchen, auch länger!»


INNOCENCE IN DANGER

Ist eine unabhängige internationale Nonprofitorganisation, die Internetspezialisten, Juristinnen, Kinderschutzorganisationen, Politiker:innen, Persönlichkeiten aus dem öffentlichen Leben und nationale Arbeitsgruppen zusammenbringt, um die öffentliche Meinung im Bereich des sexuellen Kindesmissbrauchs zu sensibilisieren und humane, technische und finanzielle Ressourcen zu mobilisieren. Ziel der Organisation ist der weltweite Schutz der Kinder vor Missbrauch, besonders auch im Internet.

QUELLE: WWW.INNOCENCEINDANGER.DE


WIE WEIT IST DER NEUE ALPENBLICK?

Auf dem Gelände des heutigen Alpenblicks entstehen Zimmer für Paare, Alleinreisende und Familien, ein Restaurant, ein Ferienhaus für Gruppen und Schulklassen. Zudem sind auf dem Alpenblick-Gelände bezahlbare Wohnungen für Einheimische geplant: vier Häuser mit 2½- bis 6½-Zimmer Wohnungen. Die Häuser sollen auch Betreibern und Mitarbeitenden des Ferienressorts Alpenblick ein neues Zuhause bieten. Ausserdem werden eine Mehrzweckhalle, Schulungsräume sowie Aussenräume für Spiel und Sport gebaut.

Laut Stiftungsratspräsident Nathanael Perreten sollen die Bauarbeiten 2025 beginnen, die erwarteten Kosten belaufen sich auf rund 42 Millionen Franken. Noch im Herbst 2023 werde ein Kick-off-Meeting stattfinden. «Im Moment sind wir daran, die Finanzierung des Projekts voranzutreiben», sagt Perreten.

Quelle: www.alpenblickgstaad.ch


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