«Ich bin ein Countryman»
02.09.2025 PorträtAndreas Grünig begann 1986 zusammen mit seiner Frau in Saanenmöser in der Bergbauernzone IV mit Pferd und Wagen einen Betrieb aufzubauen. Er war der erste Biolandwirt im Saanenland und setzte sich wie kaum ein anderer für jene Region ein, in der er eigentlich ein ...
Andreas Grünig begann 1986 zusammen mit seiner Frau in Saanenmöser in der Bergbauernzone IV mit Pferd und Wagen einen Betrieb aufzubauen. Er war der erste Biolandwirt im Saanenland und setzte sich wie kaum ein anderer für jene Region ein, in der er eigentlich ein Fremder war.
KEREM S. MAURER
«Die Strasse, auf der wir stehen und die unseren Hof da unten mit dem Stall dort oben verbindet, hat es damals noch gar nicht gegeben», sagt Andreas Grünig. Der Landwirt aus Leidenschaft steht oberhalb seines Hofes in Saanenmöser auf dem eigenen Land und lässt den Blick in die Runde schweifen. Es ist ihm anzumerken, dass ihm das, was er sieht, gefällt. Lächelnd fügt er hinzu: «Den Stall dort oben übrigens auch nicht.» Das Gelände oberhalb des Bauernhauses, das im Besitz der Familie seiner Frau war, ist steil. Sehr steil. Praktisch das ganze Land, das Andreas Grünig zusammen mit seiner Ehefrau bewirtschaftet, liegt in der Bergbauernzone IV, per Definitionem dem für die Landwirtschaft schwierigsten Gelände, das die Schweiz zu bieten hat. «Wir sind 1986 mit dem Willen, hieraus etwas zu machen, nach Saanenmöser gekommen», erzählt Grünig, der in seiner Heimatstadt Biel das Lehrerseminar gemacht hatte, wie seine Frau auch. «Wir haben unser geordnetes Leben aufgegeben und damit auch eine sichere Zukunft als Lehrpersonen. Viele haben sich deswegen an den Kopf gegriffen, weil sie unseren Entscheid nicht nachvollziehen konnten», erinnert er sich lachend.
Der Macher
«Mache, was du kannst, da, wo du bist, mit dem, was du hast», rezitiert Grünig das grünigsche Familienmotto, nach dem sie stets gelebt und gearbeitet haben.Auf ihrem Betrieb züchten sie Yaks und eine spezielle Kuhrasse. «Das sind kleine Hinterwälder Kühe», sagt er. Eine Rasse mit vielen Vorzügen für das Berggebiet und guter Futterverwertung. Schalk blitzt in seinen Augen, als er ergänzt: «Ich bin der Hinterwäldler, der sie züchtet.» Schliesslich wohne er tatsächlich hinter dem Wald. «Ich wurde Biolandwirt, weil ich der Überzeugung bin, dass das, was das Land hergibt, reichen muss, um die Tiere zu ernähren», erklärt er. Es war sein Ideal, das er umsetzte, aber niemand anderem aufzwang. Es war nie seine Art, anderen zu sagen, wie sie etwas zu machen hatten, denn oftmals wusste er es – zumindest am Anfang – selbst nicht so genau. Und jedes Mal, wenn es nicht mehr weiterging, ist ihm etwas eingefallen und am Ende war es gut. Sogar seine alten Geräte hat er selbst repariert, vieles im Haus selbst ausgebaut. Landmaschinen hatten sich Grünigs erst später angeschafft. Mache das, was du kannst, mit dem, was du hast.
Der gebürtige Seeländer liebt die Bergregionen im Allgemeinen und das Saanenland im Besonderen. Als Bieler Sekundarschüler genoss er oftmals Skiferien im Ferienheim Alpenblick in Gstaad, das hat ihm gefallen. Das Projekt, den Bauernhof aufzubauen, haben er und seine Frau Carole gemeinsam ausgeheckt. «Bei einem Vorhaben dieser Grössenordnung mit weitreichenden Konsequenzen für die ganze Familie müssen beide voll und ganz dahinterstehen!»
Der Begeisterungsfähige
Im Lauf der Zeit bildete sich Andreas Grünig stetig weiter: Landwirt, Erwachsenenbildner und tätig in der Lehrerfortbildung sowie als Regionalplaner. Eines Tages im Jahr 2003 sei er von der Raiffeisenbank Obersimmental angefragt worden, ob er in den Aufsichtsrat kommen wolle, sagt Grünig. «Ich war und bin heute noch so wahnsinnig leicht für etwas zu begeistern.» Der Biolandwirt hat zugesagt und wurde 2007 in den Verwaltungsrat gewählt, den er ab 2008 bis 2024, auch nach der Fusion mit der Raiffeisenbank Obersimmental, präsidierte. Ebenfalls im Jahr 2007 wurde er Geschäftsführer der Bergregion Obersimmental-Saanenland und führte ab 2012 zusätzlich die Planungsregion Kandertal. «Dies waren quasi meine Betriebe. Ich leistete meinen Einsatz immer für die Region und nie gegen einzelne Gemeinden», hält er fest. Dabei sei es wichtig gewesen, die Aufgaben der Region als Zusammenschluss von verschiedenen Gemeinden zu sehen. Daneben unterrichtete er an der Volkshochschule Obersimmental-Saanenland, die er zwischenzeitlich ebenfalls präsidierte, und wurde 2007 vom Bundesamt für Kommunikation gar zum Ritter der Kommunikation geschlagen.
Der Bergler
«Ich war oft morgens um vier oder fünf Uhr im Büro. Dann war es ruhig und ich konnte ungestört arbeiten.» Bleibt noch die Frage, warum sich einer, der gar nicht von hier stammt, sich derart für diese Region einsetzt? «Ich identifiziere mich sehr stark mit den Berggebieten und habe keine Berührungsängste mit Städten oder Agglomerationen. Zudem fand ich hier sehr viele authentische, gute und bodenständige Menschen», sagt der Bergler und erzählt, dass die zunehmende Zentralisierung mit grossem Einfluss auf die hiesige Bergregion auch heute noch eine grosse Herausforderung sei. So hätten ihn die Diskussionen rund um das Spital, die Abstimmungen um die GSS mit den Geschehnissen in Gsteig und Lauenen viel Substanz gekostet. Doch das alles ist heute Schnee von gestern.
Der Langläufer
Andreas Grünig atmet durch. «Jetzt habe ich viel mehr Zeit als früher, das ist richtig. Doch die brauche ich auch, ich war am Ende ziemlich fertig!» Was macht er mit der gewonnenen Zeit? «Langlauf ist meine grösste Leidenschaft, ich hoffe, jetzt mehr dazuzukommen», freut er sich. Früher sei er oft über den Mittag oder am späten Abend kurz auf die Loipe, um den Kopf zu lüften. Das habe immer sehr gutgetan. Und natürlich will er mehr Zeit mit seinen Grosskindern verbringen. Auch das Lesen soll nicht zu kurz kommen. Gegenwärtig liest er ein Buch über Finnland und den Wiederaufbau nach dem Winterkrieg. Politik, andere Länder und andere Sitten findet er faszinierend. Und er liebt Musik. «Ich bin ein Countryman, spiele selbst Gitarre», sagt er. Andreas Grünig mag melodiöse Balladen, die Volksmusik und intelligente Texte, wie er sich ausdrückt. Alte Countrygrössen liebt er besonders. «Langweilig wird mir bestimmt nicht, ich habe noch viele Ideen und eine positive Lebenseinstellung!»