Gstaad blickt zurück – und nach vorn
20.06.2025 TourismusGstaad Saanenland Tourismus blickt auf ein stabiles Tourismusjahr zurück. Die Nachfrage aus der Schweiz war leicht rückläufig, dafür legten die Märkte USA und Kanada zu, wie Tourismusdirektor Flurin Riedi an der Hauptversammlung informierte. Trotz grosser ...
Gstaad Saanenland Tourismus blickt auf ein stabiles Tourismusjahr zurück. Die Nachfrage aus der Schweiz war leicht rückläufig, dafür legten die Märkte USA und Kanada zu, wie Tourismusdirektor Flurin Riedi an der Hauptversammlung informierte. Trotz grosser Herausforderungen zeichnete Gastreferent Jürg Schmid ein positives Bild bezogen auf die touristische Zukunft. Als Nachfolger von Richard Müller wurde Joe Bürki in den Vorstand gewählt.
ANITA MOSER
Präsident Oliver Waser konnte am vergangenen Dienstagabend in der Mehrzweckhalle Gsteig 105 Mitglieder und 47 Gäste zur 32. Hauptversammlung von Gstaad Saanenland Tourismus begrüssen. Man schaue auf ein ereignisreiches Tourismusjahr zurück, verabschiede verdiente Köpfe, begrüsse neue Kräfte und richte den Blick nach vorn, so Oliver Waser.
Leichter Rückgang der Logiernächte
Mit insgesamt über 1,26 Millionen Logiernächten (Hotels, Ferienwohnungen, Gruppenunterkünfte/Campings) verzeichnete die Ferienregion Gstaad 2024 einen leichten Rückgang von 1,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Rückgänge gab es insbesondere in den Monaten Februar und September 2024, wie Tourismusdirektor Flurin Riedi erklärte. Die Nachfrage aus der Schweiz
– dem mit rund 70 Prozent bedeutendsten Markt – war leicht rückläufig, ebenso aus Deutschland. «Dafür legten die Fernmärkte USA und Brasilien zu», so Riedi. Eine zentrale Herausforderung sei die Reduktion von verfügbaren Bettenkapazitäten aufgrund von Investitionen und Konzeptwechseln in Hotelbetrieben gewesen. «Unserer Destination geht es weiterhin sehr gut, aber wir müssen dranbleiben und auf die Trends achten», so das Fazit des Tourismusdirektors.
Vom Tourismusbüro zur DMO 4.0
In seinem Rückblick streifte Riedi ein paar Themen, die das vergangene Jahr geprägt hatten. Mit der Weiterentwicklung zur Destinationsmanagementorganisation DMO 4.0 übernehme GST zunehmend Aufgaben, die über das klassische Destinationsmarketing, der Destinations- und Angebotsentwicklung und den Unterhalt der Infrastrukturen hinausgehen, so Riedi. «Dazu zählen Besucherlenkung, Tourismusakzeptanz sowie Stakeholdermanagement.» Das erfordere ein koordiniertes Zusammenspiel aller Beteiligten. «Es geht nicht nur um eine behutsame Entwicklung des Tourismus in der Region, sondern auch um die aktive Gestaltung eines lebenswerten Raums für alle Anspruchsgruppen.»
Die überarbeitete Tourismusstrategie sei in einem breit abgestützten, partizipativen Prozess unter Einbezug der Bevölkerung und Zweitheimischen entstanden, so Riedi. «Wir dürfen heute mit Stolz sagen, dass wir eine sehr breit abgestützte Tourismusstrategie haben.» Die Balance zwischen Lebensraum und Tourismusraum habe an Bedeutung gewonnen, dem habe man mehr Gewicht geschenkt. «Uns ist es wichtig, dass man sich – wenn man von Tourismusregion spricht – immer auch bewusst ist, dass es aber auch in erster Linie Lebensraum ist. Wir wohnen da, arbeiten hier, aber wir leben auch vom Tourismus.» Dieses Zusammenspiel habe man in der Tourismusstrategie ganz gut abbilden und aufzeigen können, was der Weg und die Massnahmen in den nächsten Jahren seien.
Chancen, Herausforderungen und ein Rekord
Der Magic Pass sein ein Produkt, das einige Veränderungen mit sich bringe, aber über alles betrachtet auch sehr viele Chancen, so Riedi. Im Magic Pass seien Sommer und Winter inkludiert.
Der Wert sei absolut sichtbar und auch schon spürbar, bringe aber auch einige Herausforderungen mit sich: die Themen Verkehr, Parkplätze, Informationsmanagement, Besucherlenkung.
Einen neuen Teilnehmerrekord mit 420 Kindern verzeichnete Deux im Schnee, das 2024 zum zehnten Mal stattfand. «Einerseits ist der Anlass unser Beitrag an die Schneesportförderung», so Riedi. Mit den Lagern, die im Januar und März stattfinden, werde die Nebensaison gestärkt. Viele Kinder hätten ein tolles Erlebnis in der Region und sie kämen hoffentlich später als wichtige Gäste zurück in die Region. Wie Riedi informierte, hätten sich die direkt involvierten Leistungspartner für weitere fünf Jahre Deux im Schnee ausgesprochen.
Neue Leistungsverträge mit den Gemeinden
Wie Riedi weiter informierte, laufen einige der Leistungsvereinbarungen mit den Gemeinden per Ende 2025 aus und werden derzeit überarbeitet. Das revidierte Kurtaxenreglement soll Anfang 2026 in Kraft treten.
Wahlen und Ehrungen
Nach fünf Jahren im Amt hat Vizepräsident Richard Müller demissioniert. Mit Applaus wurde der Schönrieder Joe Bürki in den Vorstand gewählt und Heidi Schopfer für eine weitere Amtszeit von drei Jahren bestätigt. Philipp Reber, Präsident der Geschäftsprüfungskommission, stand im obligatorischen Austritt, Patrick Welten hat demissioniert. Neu in die GPK gewählt wurden Caroline Heahley und Stefan von Grünigen (beide Gstaad), Pascal Bangerter aus Lauenen wurde für eine weitere Amtszeit bestätigt.
Toni Ryter, Markus Schwizgebel, Marlis von Grünigen, Madlen Carini, Ana-Maria Esposito, Olivia Miranda da Silva, Patrick Bauer und Rebekka Ballif-Brand wurden für ihre jeweiligen Dienstjahre (40 bis 10 Jahre) geehrt.
Ohne Wortmeldung genehmigten die Anwesenden den Jahresbericht und die Jahresrechnung, welche mit einem Verlust von Fr. 48’680 Franken abschloss, und erteilten dem Vorstand sowie der GPK Décharge. Die Mitgliederbeiträge bleiben unverändert bei 75 Franken für Einzelpersonen und bei 100 Franken für Paare und Firmen.
Neue Panoramakarte
Jan Brand, Leiter Infrastrukturen und Projekte, und Ronnie Oehrli, Leiter Digitalisierung und Innovation, stellten den Anwesenden die neue digitale 3D-Panoramakarte vor. «Wir brauchen ein zeitgemässes Tool, um die Gäste richtig lenken und informieren zu können», erklärte Brand. Zum Beispiel sehe man auf der bisherigen Panoramakarte Turbach und den Arnensee nicht und Abländschen sei gar nicht vorhanden. Auf der neuen Karte hat es über 1000 Elemente – Touren, Piktogramme, Infrastrukturen usw. Sie ist sehr detailliert, man sieht Strassen, Häuser, Abzweigungen von Touren usw. Die Karte sei wie ein Wimmelbuch, es gebe vieles zu entdecken, so die Verantwortlichen. Via diese Karte kann man beispielsweise ein Restaurant anklicken und direkt einen Tisch reservieren. Man könne auch den eigenen Standort eingeben und sich zum Beispiel zeigen lassen, wo der nächste ÖV-Standort oder die nächste Bergbahn sei, erklärte Ronnie Oehrli.
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«Die Branche wird an Wachstum zulegen»
Im Anschluss an die Versammlung beleuchtete Jürg Schmid (Partner bei Schmid Pelli & Partner und Präsident von Graubünden Ferien) im Rahmen seines Gastreferats die grossen Trends im internationalen Tourismus. Die Ferienregion Gstaad sei im globalen Wettbewerb um Erlebnisse gut für die Zukunft gerüstet, versicherte der frühere Direktor von Schweiz Tourismus.
ANITA MOSER
Der Tourismus sei die mit Abstand weltgrösste Wirtschaftsbranche, neun Prozent des weltweiten Brutto-Inlandprodukts würden jährlich im Tourismus verdient und jeder zehnte Arbeitsplatz auf diesem Planeten sei in der Tourismusbranche, so Jürg Schmid. «Wir wissen aktuell im Tourismus nicht, was passiert», betonte der Referent mit Blick auf die aktuelle Welt- und Währungspolitik. Für die Gäste aus den USA – ein wichtiger Markt für die Destination Gstaad – sei die Schweiz um zehn Prozent teurer geworden. Und zugleich sei die Konsumentenstimmung in den USA im Sinkflug, wie die Börsen auch. Wie sich das auf den hiesigen Tourismus auswirke, wisse man noch nicht. «Der Sommer wird gut, ich glaube, er wird sogar hervorragend», so Schmid.
Warum reisen wir?
«Warum bewegen sich Menschen von ihrem Wohnort weg und geben viel Geld dafür aus?», so die rhetorische Frage. «Man reist ja nicht, um anzukommen, sondern um zu reisen», schrieb einst Johann Wolfgang von Goethe. Damals sei man noch langsam gereist. «Heute katapultiert man sich in wenigen Stunden in eine andere Kultur, in eine andere Sprache.» Ferien sollen verändern, sollen Transformation auslösen, so Schmid. «Nach euren Ferien soll etwas mit euch passieren, sollen Eindrücke da sein, die in irgendeiner Form euer Leben ein wenig anders gestalten lassen.» Ganz viele reisten, um gemeinsame Momente mit dem Partner, der Partnerin zu verbringen. Schmid mahnte zur Vorsicht: Untersuchungen zeigten, dass die Trennungsrate nach Ferien am höchsten sei. Das habe ganz viel mit Erwartungen zu tun. Gemäss all diesen Untersuchungen sei Tag 3 der kritischste. «Machen Sie am dritten Tag ein Individualprogramm», riet Schmid schmunzelnd.
Trend: Mindful Walking
«Ein Hauptgrund, warum man reist, sind Erlebnisse», so Schmid. «Über Erinnerungen schaffen Sie Weiterempfehlung – Mund-zu-Mund-Propaganda.» Erlebnisse seien nicht nur wichtig, weil sie zu Erinnerungen würden, sondern weil Erlebnisse einen sehr tiefen Wert hätten. Dazu gebe es ein tolles Zitat: «Wer in der Gegenwart kein spannendes Leben führt, hat in der Zukunft keine schöne Vergangenheit.» Beim Reisen gehe es auch oft um Luxus. «Ich bin überzeugt, der Materialismus bleibt», so Schmid. Aber der Materialismus, der Luxus werde ergänzt durch Themen wie Werte, Zeit, Momente mit den Liebsten, Sinnhaftigkeit. Die Jugend von heute habe mehr Angst vor Sinnlosigkeit als vor Arbeitslosigkeit. Aber aus den USA komme ein grosser Trend auf uns zu: Mindful Walking zu Deutsch achtsames Gehen.
Reisen ist ein Grundbedürfnis
Schmid ist überzeugt, dass die Branche an Wachstum zulegen wird. Ein grosser Treiber sei das Bevölkerungswachstum. «Wir sind heute acht Milliarden Menschen, 2050 werden es gemäss allen Prognosen 9,7 Milliarden sein.» Und immer mehr könnten sich das Reisen leisten. Im Moment habe Indien eine Bevölkerungszahl um die zwei Milliarden, davon seien vielleicht 30 bis 50 Millionen Menschen, die sich eine Reise leisten können. «In zehn Jahren werden es doppelt so viele sein», so Schmid. «Wenn Sie hören, wie ein Inder in seinen Worten seine Wahrnehmung zu unserer Natur schildert, wissen Sie, warum wir eine grandiose Zukunft vor uns haben, aber auch Reiseströme, die uns beschäftigen werden.» Reisen sei eines der Grundbedürfnisse. Das habe man während der Coronapandemie gesehen. «Reisen ist entgegen allen Prognosen viel schneller zurückgekommen und viel wuchtiger. Und fast jedes Land schreibt heute Rekordzahlen.»
Weltrekord und neues Phänomen
Viel mehr Leute seien bereit, viel mehr Geld für Reisen auszugeben. Für dieses Jahr werde ein historischer Rekord – fünf Milliarden – an Personenflügen prognostiziert. Die Flüge seien seit Corona um 30 Prozent teurer geworden, und trotzdem fliege man mehr. Die Schweizer:innen seien darin Weltmeister: 2,5 Flüge pro Kopf und Jahr in der Schweiz, doppelt so viele wie die Deutschen und Franzosen und deutlich mehr als die US-Amerikaner. «Ist Nachhaltigkeit jetzt gänzlich vom Tisch?», so die Frage des Referenten. «Überhaupt nicht.» Es wäre falsch, das Fliegen einzuschränken – auch aus Sicht der sozialen Nachhaltigkeit. «Es gibt keine Branche, die Menschen schneller aus der Armut holt als der Tourismus. Fliegen verbieten straft nicht uns, es straft die ärmsten Länder», so Schmid. «Wir sind verdammt dazu, technische Lösungen zu finden und Innovationen.» Was auch helfe, sei eine längere Aufenthaltsdauer. Das viele Reisen führe zu einem neuen Phänomen, zu Übertourismus. In der Schweiz hätten wir diesen nicht wirklich. «Aber was wir haben, sind Wachstumsschmerzen. Es wird immer schwieriger, Wohnungen für Mitarbeitende, für Einheimische zu finden. Der Verkehr wird intensiver. Und damit ist die Tourismusakzeptanz unter Druck.» Aufgrund der Nähe zum Jungfraugebiet werde die Destination Gstaad sogenannte Überschwappeffekte haben. «Ich wage die Prognose, dass Sie in Zukunft mehr mit Wachstumsmanagementfragen konfrontiert werden als mit Wachstumsförderungsfragen. Und darum: bereiten Sie sich vor.»
Go North und Best Ager
Es gebe einen neuen Trend und der zeige Richtung Norden. Aufgrund der Klimaerwärmung würden Frühling und Herbst die neuen Hauptsaisons im Mittelmeerraum. Die Norddestinationen – und da zählt er die Länder im Alpenraum dazu – würden im Sommer zu Hauptreisezielen. «Und damit werden wir ganz spannende Sommersaisons vor uns haben.» Davon sei er überzeugt. «Ich bin sehr zuversichtlich für den Schweizer Tourismus und speziell auch für diese Region.» Das habe auch mit der Demographie zu tun. Wenn man älter werde, verändere sich das Reiseverhalten. All unsere Werbebilder im Tourismus zeigen immer Menschen um die 35. Fakt ist aber, der einzige boomende Markt sind die Alten – die Best Ager, wie man heute sagt.» Mehr als 1,7 Millionen Schweizer:innen seien über 65-jährig. Es änderten sich im Alter aber auch die Aktivitäten. Viele hörten um die 60/65 auf mit Ski oder Snowboardfahren oder fahren weniger. Grund dafür sei die gefühlte Sicherheit. Wichtige Themen für diese Altersgruppe seien Kultur, Gesundheit und Gastronomie. «Bei diesen Themen ist die Destination Gstaad hervorragend positioniert.»
«Ich bin beeindruckt»
«Ihr seid in Gstaad privilegiert. Ihr habt eine unglaublich schöne Landschaft», so der Referent. Und bezogen auf das Doppel-A bei «Waandern» in der neuen Kampagne meinte er: «Wenn etwas besonders schön ist, dann neigt man dazu, die Vokale länger zu betonen, man zieht es in die Länge, um die Dramaturgie, die Schönheit zum Ausdruck zu bringen. Ihr habt das schon in Gstaad drin. Die Kampagne bringt eure Schönheit auf den Punkt.» Und er lobte die Tourismusstrategie, zeigte sich beeindruckt von der Kooperationskompetenz. «Die Bevölkerung miteinbeziehen, Gästeströme andenken, vorausdenken, was passieren wird und was es bezogen auf unsere Rolle bedeutet: Es ist vorbildlich, wie ihr das macht.» In seinen Augen sei dies ein Erfolgsrezept. «Ich bin zuversichtlich für euch. Ihr habt eine starke Ausgangslage, ihr habt Herausforderungen, ihr werdet diese meistern.» Die ganz vielen grossen Trends, die rundherum passierten, seien der Wind in den Segeln. «Lasst die Segel gespannt», schloss Schmid sein interessantes und aufschlussreiches Referat.