Gefahren aus der Natur und aus der Bürokratie
24.10.2025 LauenenAm Montag wurde die Gefahrenkarte der Gemeinde Lauenen vorgestellt. Der Anlass stiess in der Bevölkerung auf grosses Interesse und führte zu mehreren kritischen Wortmeldungen. Die neue Karte zeigt eine umfassende Neubewertung der Naturgefahren und teilt diese in gelbe, ...
Am Montag wurde die Gefahrenkarte der Gemeinde Lauenen vorgestellt. Der Anlass stiess in der Bevölkerung auf grosses Interesse und führte zu mehreren kritischen Wortmeldungen. Die neue Karte zeigt eine umfassende Neubewertung der Naturgefahren und teilt diese in gelbe, blaue und rote Gefahrengebiete ein.
JONATHAN SCHOPFER
«Wie sollen wir uns da noch entwickeln?», fragte ein Einheimischer aus dem Publikum, nachdem die neue Gefahrenkarte präsentiert worden war. «Wir haben auch noch den Naturschutz, Landschaftsschutz, die Denkmalpflege, Landwirtschaftszonen […]. Man kann ja nicht einmal mehr ohne Ausnahmebewilligung einen ‹Bschüttkaschte› bauen.»
Mehrere Teilnehmende wollten wissen, welche Bauvorschriften für rote und blaue Gefahrengebiete gelten, da ihre Häuser zum Teil in eine höhere Gefahrenstufe eingeteilt wurden. Daher werde ein Bauvorhaben künftig teurer und aufwendiger. Eine Wortmeldung plädierte für mehr Eigenverantwortung für Hausbesitzende und meinte, man könne sich ja direkt mit den Gebäudeversicherungen absprechen.
Cornelia Brönnimann, Geologin beim Kanton Bern, erwiderte: «Es ist schon so: Im roten Gebiet darf man nicht viel mehr machen als Werterhaltung – dazu gehört auch, Gebäude zu isolieren. Erweitern darf man nur begrenzt und höchstens, wenn man das ganze Gebäude vor der Gefahr schützt.» Und sie ergänzte:«Wenn man in der tragenden Struktur etwas macht, dann muss man es so ausführen, dass das Gebäude nicht gefährdet ist, sondern geschützt. Das ist zum Teil sehr aufwendig.»
Mehrfach wurde auch kritisiert, dass an der Veranstaltung nicht die gesamte Karte von Lauenen gezeigt wurde. Ob das ein Geheimnis sei, wollte eine Stimme aus dem Publikum wissen. Ursina Vetsch von der Firma Geotest, welche die Änderungen auf der Karte präsentierte, sagte dazu, dass der Anlass dazu diente, die wichtigsten Veränderungen bei allen Naturgefahrenprozessen aufzuzeigen. Die Schwarzbächli-Rutschung habe an diesem Abend nicht im Fokus gestanden: «Diese Karte wurde bereits früher erstellt.»
Wieso wurde eine neue Gefahrenkarte erstellt?
Die Gemeinden sind verpflichtet, veraltete Gefahrenkarten zu revidieren. «Während der Arbeiten an der Schwarzbächli-Rutschung, bei der auch für dieses Gebiet die Gefahrenkarte revidiert wurde, hat der Gemeinderat beschlossen, die Karte für das gesamte Gemeindegebiet zu überarbeiten», erklärte Andreas Reichenbach am Informationsabend. «Das war Anfang 2023. Danach brauchte es rasch Fachleute – über ein Submissionsverfahren erhielt die Firma Geotest den Auftrag.»
Nach welchen Kriterien wurde die Gefahrenkarte überarbeitet?
Die relevanten Naturgefahrenprozesse im Perimeter, also im untersuchten Gebiet, wurden nach der aktuell gültigen Methodik neu beurteilt. Die Neubeurteilung ergab z. B. bei den Lawinen eine Reduktion der roten Gefahrenstufe (erhebliche Gefährdung) bei Lawinen in bewohnten Gebieten – unter anderem dank verbessertem Waldzustand und präziserer 2D-Modellierungen. Gleichzeitig wird mit den Hangmuren ein weiterer Teilprozess beurteilt, welcher in der alten Gefahrenkarte aus dem Jahr 2000 noch nicht enthalten war, was grossflächig zu weiterem blauen Gefahrengebiet (mittlere Gefährdung) führt.
Auch die Wasserprozesse wurden neu beurteilt. Aufgrund der heute höheren Niederschlagssummen pro Wiederkehrperiode stiegen die berechneten Spitzenabflüsse vielerorts. Für die neu ausgeschiedenen Gefahrenflächen resultierten sowohl Auf- als auch Rückstufungen.
Der Entwurf der neuen Gefahrenkarte gilt ab sofort als behördenverbindliches Expertengutachten und ist für alle Baugesuche massgebend. Je nach Gefahrenstufe (rot, blau, gelb) gelten strenge Auflagen – bis hin zum Bauverbot. Die Gemeinde ist verpflichtet, die Karte innerhalb von zwei Jahren in die Ortsplanung zu integrieren.
WAS GILT BEI BAUVORHABEN IN GEFAHRENGEBIETEN?
Für Bauvorhaben in Gefahrengebieten gelten je nach Gefahrenstufe unterschiedliche Auflagen. Allgemeines Vorgehen bei Bauvorhaben im Gefahrengebiet:
• Voranfrage bei Fachstellen einreichen (empfohlen, um Anforderungen frühzeitig zu klären)
• Objektschutzmassnahmen sind je nach Gefahrenstufe erforderlich
• In der blauen Gefahrenstufe ist in der Regel ein Gefahrengutachten durch ein Fachbüro nötig (Bestimmung der Einwirkungen, Vorschläge für Schutzmassnahmen)
• Danach folgt die Projektierung des Bauvorhabens mit Schutzmassnahmen
• Abschliessend: Einreichung des Baugesuchs
PD/JSC





