Für Sven Montgomery ist Feutersoey der schönste Ort im Saanenland
19.03.2024 SerieDas Saanenland war und ist geprägt von Zu- und Wegzügen. Die Leserinnen und Leser des «Anzeigers von Saanen» sind nicht nur im Saanenland zu finden, sondern in der Schweiz und im Ausland – ja, in der ganzen Welt. Diesmal berichten wir über Sven Montgomery, ...
Das Saanenland war und ist geprägt von Zu- und Wegzügen. Die Leserinnen und Leser des «Anzeigers von Saanen» sind nicht nur im Saanenland zu finden, sondern in der Schweiz und im Ausland – ja, in der ganzen Welt. Diesmal berichten wir über Sven Montgomery, den ehemaligen Radprofi und heutigen SRF-Kommentator und Leiter des Polizeiinspektorats Köniz.
THOMAS RAAFLAUB
Sven Montgomery kommt wie erwartet mit dem Velo zum Treffen – trotz des strömenden Regens. Seine Beziehung zum Zweirad wird später in diesem Porträt beschrieben und ausgeführt. Zuerst erzählt er von einem Treffen mit Freunden im Elternhaus in Feutersoey: «Es heisst Gstaader Ski- und Pokerweekend. Meine Mutter verlässt das Haus – aus nachvollziehbaren Gründen – und kommt nach Köniz ihren Enkel Caio hüten.» Das Ziel des Treffens der alten Männer, die nicht alt werden wollen, sei es, zu pokern, Chili con Carne zu essen, Ski zu fahren, zwei Nächte auf dem Anderhalbacher zu übernachten und ein Gruppenfoto zu schiessen. Das mit dem Skifahren am Sonntag sei öfters schwierig, aber die Statuten dieses Clubs der Verständnisschwierigkeiten für Menschen von überall her würden dies vorschreiben.
Seine Besuche im Saanenland seien eher selten, sagt Sven Montgomery: «Ich gehe zu meiner Mutter oder fahre Ski.» Er ist in Detmold in Deutschland geboren. Beide Eltern spielten in einem Sinfonieorchester und haben sich dort kennengelernt. Ende der Siebzigerjahre zog die Familie ins Saanenland und 1986 ins Haus in Feutersoey. Den Kindergarten und die ersten vier Klassen der Primarschule besuchte Sven Montgomery in der Gemeinde Gsteig. Zwei Jahre wurde er von seiner Mutter unterrichtet, was ihn nicht vor einer mütterlichen Ohrfeige bewahrte. Isabelle Knöri war seine Viertklasslehrerin und bei Erika Raaflaub nähte er im Oberstufenzentrum seine ersten Velohosen.
Der Sturz an der Tour de France
Nach der Schule begann Sven Montgomery eine KV-Lehre im Hotel Steigenberger. Daneben begann er, seine Radsportkarriere zu planen. In dieser Zeit wurde der Velo- und Triathlonclub Saanenland gegründet, der dann mit dem Bergveloclub fusionierte. Obwohl Sven Montgomery Ehrenmitglied in diesem Club ist, bezahlt er zuverlässig und freiwillig seinen Jahresbeitrag. 1998 begann er seine Profikarriere mit beachtlichem Erfolg: Vierter, Sechster und Achter an der Tour de Suisse, Sechster an der Tour de Romandie. Auch grosse Landesrundfahrten (Tour de France, Giro d’Italia) fuhr er mit dem Ziel, es unter die ersten 15 zu schaffen. An der Tour de France 2001 stürzte er und verletzte sich schwer. An seine Rehabilitationszeit denkt Sven Montgomery aber gerne zurück: «Die erste Zeit war sehr schwierig. Dann wurde ich mit einem Privatflugzeug von Toulouse nach Belp geflogen und kam von dort ins Inselspital, wo ich zum ersten Mal nach dem Unfall wieder Hunger hatte.»
Sven Montgomery wird auf der Strasse erkannt
An den Unfall in Frankreich hat er überhaupt keine Erinnerung. An die Zeit danach in der Schweiz sehr wohl. Ein Schädelbasisbruch, ein zertrümmertes Jochbein und eine kaputte Schulter mussten vom Chefchirurgen der Insel geflickt und behandelt werden. Damit stand Sven Montgomery unvermutet mitten im Interesse der Medien. Die «Schweizer Illustrierte» schenkte ihm Schokolade. Er wurde in Restaurants erkannt und brauchte danach nichts zu bezahlen oder wurde in private Clubs hineingelassen. In diesen drei Monaten der Rekonvaleszenz lernte er auch seine spätere Partnerin kennen. Sein Bruder Clint hatte weniger Glück: Er verunfallte 2003 tödlich mit dem Velo zwischen Thörishaus und Neuenegg.
Vom Radprofi zum SRF-Kommentator
Nach dem Unfall an der Tour de France ging Sven Montgomerys Radsportkarriere weiter. Erst nach deren Ende 2011 kommentierte er als Radsportexperte für SRF Wettkämpfe wie die Tour de Romandie, Tour de France, den Giro d’Italia, Weltmeisterschaften oder die Olympischen Spiele – und wird diesen Sommer aus Paris zu hören sein. Sogar einen BMX-Wettkampf hat er schon kommentiert.
«Montgomery machts»
Ab dem Jahr 2000 nabelte sich Sven Montgomery immer mehr vom Saanenland ab. Zuerst wohnte er in Kehrsatz und dann zog er 2005 in das Elternhaus seiner Mutter in Schwanden bei Köniz. Er führte zwei Jahre das Schweizer bigla cycling team. 2008 begann er seine Arbeit als Mitarbeiter des Polizeiinspektorats in der Gemeinde Köniz und verteilte dort auch Bussenzettel. Beim Verband Swiss Cycling war er danach verantwortlich für Ausbildung, Nachwuchs- und Breitensport. Sogar die Neuentwicklung der Website wurde ihm übertragen: «Es hiess immer, Montgomery machts. Es war eine spannende Zeit, ich habe viel gelernt und war viel unterwegs. Dennoch suchte ich nach einer geregelteren Beschäftigung.»
Der Radrennfahrer und die Geschwindigkeitsübertretungen
2019 trat Sven Montgomery die Stelle als Leiter des Polizeiinspektorats in Köniz an und ist seither verantwortlich für den Ordnungsdienst, die Amts- und Vollzugshilfe, die Regelung der temporären Verkehrssituationen und die verschiedenen Bewilligungen, auch solche für Veranstaltungen. Sogar um Demonstrationen muss er sich kümmern: Zum Beispiel um eine Velodemo mit Start im Liebefeld-Park. Die Frage nach dem Warum in Köniz beantwortet Sven Montgomery so: «Clint und ich wollten zusammen in der Nähe von Bern wohnen. Das Klima hier ist milder als im Saanenland. Hier kann man während des Jahres länger Rad fahren.»
Der begeisterte Aareschwimmer
Köniz sei eine Mischung von Stadt und Land, sagt er weiter. Er wohne zwar in Schwanden auf dem Land, habe die Stadt aber gleich nebenan: «Ich bin ein typischer Agglomerationsmensch, der gerne rasch in der Natur ist, der aber gleichzeitig die Annehmlichkeiten der Stadt schätzt. Köniz ist ein kleines Abbild der Schweiz – der Ulmizberg ist fast 1000 Meter über Meer hoch und im Eichholz kann ich in der Aare schwimmen. Dort bin ich für die Sicherheit verantwortlich.» Auf die Frage, welcher der schönste Ort in der Gemeinde Köniz sei, überlegt Sven Montgomery nicht lange: «Das Eichholz.» Und welcher ist es im Saanenland? Auch diese Antwort kommt wie aus der Kanone geschossen: «Feutersoey.»