Die Kirche heute und morgen: Gegenwart gestalten, auf Gottes Zukunft setzen
20.12.2024 KircheDie Welt – wir erleben es täglich – befindet sich im ständigen Wandel. Gesellschaftliche und technologische Entwicklungen, ökologische Herausforderungen und politische Unsicherheiten prägen unsere Zeit. Inmitten dieser bewegten Gegenwart steht die Kirche – ...
Die Welt – wir erleben es täglich – befindet sich im ständigen Wandel. Gesellschaftliche und technologische Entwicklungen, ökologische Herausforderungen und politische Unsicherheiten prägen unsere Zeit. Inmitten dieser bewegten Gegenwart steht die Kirche – nicht als Relikt einer vergangenen Epoche, sondern als lebendiger Akteur mit einer klaren Vision: «Die Gegenwart gestalten – auf Gottes Zukunft setzen.» Dieser Leitsatz der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn für das Jahr 2025 ist nicht nur theologisches Programm, sondern eine mutige Einladung, sich aktiv mit der Welt auseinanderzusetzen und zugleich Hoffnung zu verkörpern.
Die Kirche als Gegenwartsakteurin
Der Leitsatz fordert von der Kirche, sich nicht in einer nostalgischen Rückbesinnung auf vermeintlich «goldene Zeiten» zu verlieren. Die Welt hat sich verändert, und die Kirche kann nicht auf Antworten aus der Vergangenheit zurückgreifen, wenn es darum geht, den Herausforderungen der Gegenwart zu begegnen. Vielmehr geht es darum, aufmerksam wahrzunehmen, was uns Menschen heute bewegt: Was sind unsere Hoffnungen und Ängste? Wo sehnen wir uns nach Gemeinschaft, Sinn und Halt?
Die Kirche ist berufen, mitten in der Gesellschaft zu stehen. Das bedeutet, den gesellschaftlichen Diskurs aktiv mitzugestalten und sich nicht von den Strömungen der Zeit bloss treiben zu lassen. Rückzug in eine «religiöse Sonderwelt» – wie es der Leitsatz klar formuliert – ist keine Option. Vielmehr soll die Kirche sich engagiert und sichtbar einbringen, sei es durch soziale Projekte, Bildungsangebote oder Dialoge über Kirchengrenzen hinaus. Sie muss dabei ein Ort sein, der uns Menschen unabhängig von Herkunft, sozialem Status oder Lebenssituation willkommen heisst.
Gottes Gegenwart im Heute erkennen
Die Präsenz der Kirche in der Gesellschaft ist jedoch kein Selbstzweck. Sie ist Teil eines grösseren Auftrags, nämlich den Willen Gottes für die Welt im Hier und Jetzt zu verkörpern. Dabei steht die Kirche in der Spannung zwischen der Realität des heutigen Lebens und der Verheissung von Gottes Zukunft.
Diese Spannung ist nicht leicht auszuhalten. Die Gesellschaft ist geprägt von Krisen: Die Kluft zwischen Arm und Reich wird grösser, der Klimawandel bedroht das Überleben kommender Generationen, und in der digitalen Welt verschwimmen die Grenzen zwischen echter Gemeinschaft und virtuellen Ersatzräumen. Die Kirche ist herausgefordert, auf diese Entwicklungen zu reagieren, ohne sich von ihnen bestimmen zu lassen. Sie soll vielmehr als kritische Stimme und hoffnungsvolle Begleiterin auftreten. Ihre Aufgabe ist es, dort hinzusehen, wo andere vielleicht wegschauen – sei es bei der Armut in unserer Nachbarschaft oder bei globalen Fragen der Gerechtigkeit.
Die Hoffnung als Widerstandskraft
Ein zentraler Aspekt des Leitsatzes ist das Vertrauen auf Gottes Zukunft. Diese Hoffnung unterscheidet sich grundlegend von einem vagen Optimismus oder einer Flucht in utopische Wunschvorstellungen. Es ist die feste Überzeugung, dass Gott sein Reich der Gerechtigkeit und des Friedens verwirklichen wird. Das Gebet «Dein Reich komme» wird so zu einem Ausdruck des Glaubens, dass menschliches Handeln – so begrenzt es auch erscheinen mag – Teil von Gottes grösserem Plan ist.
Hoffnung ist dabei nicht gleichbedeutend mit Passivität. Sie fordert vielmehr zum Handeln heraus. Die Kirche ist eine hoffnungsvolle Kirche, wenn sie sich mutig für Frieden und Gerechtigkeit einsetzt, auch gegen Widerstände. In einer Welt, die oft von Zynismus und Resignation geprägt ist, kann die Kirche ein Gegenbild sein. Indem sie sich von Gott bewegen lässt, wird sie zu einer Quelle der Inspiration für andere. Hoffnung bedeutet, sich nicht von der Überzeugung abbringen zu lassen, dass Veränderung möglich ist – und zwar nicht irgendwann, sondern schon heute.
Gesellschaftliche Präsenz: nah bei den Menschen
Wie kann die Kirche diese Hoffnung praktisch umsetzen? Entscheidend ist ihre Nähe zu den Menschen. Die Orte, die sie schafft, sollen Begegnung und Dialog ermöglichen. Dies kann eine offene Tür für Menschen sein, die sonst keinen Ort der Zugehörigkeit finden, sei es etwa über Kinder- und Jugendgruppen bis hin zu Begegnungsmöglichkeiten für ältere Menschen.
Auch in ihrer Verkündigung muss die Kirche darauf achten, dass sie verständlich bleibt. Predigten, die nur für ein kleines, bereits überzeugtes Publikum formuliert sind, erreichen die Menschen nicht, die nach Antworten suchen. Der Leitsatz fordert, dass die Kirche die Sprache ihrer Zeit spricht, ohne ihre Botschaft zu verwässern.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die digitale Präsenz. Gerade in einer Gesellschaft, die zunehmend online lebt, kann die Kirche dort präsent sein, wo Menschen ihre Zeit verbringen. Dabei sind die von der Landeskirche angebotene digitale Seelsorge, spirituelle Angebote in sozialen Medien oder virtuelle Gottesdienste keine Konkurrenz zur physischen Kirche, sondern eine Ergänzung, um Menschen auf neuen Wegen zu erreichen.
Eine offene und mutige Kirche
Der Leitsatz «Die Gegenwart gestalten – auf Gottes Zukunft setzen» ist auch eine Ermutigung, Grenzen zu überschreiten. Die Kirche ist herausgefordert, neue Formen des Glaubenslebens zu entwickeln und dabei offen für Kooperationen zu sein – sei es mit anderen christlichen Denominationen, religiösen oder säkularen Organisationen, die ähnliche Werte teilen.
Dabei geht es nicht um einen Verlust der eigenen Identität, sondern um eine Haltung des Dialogs und der Partnerschaft. Die Kirche kann, wenn sie diese Offenheit lebt, ein Vorbild für eine Gesellschaft sein, die oft von Spaltung und Gegensätzen geprägt ist. Indem sie gewillt ist, Brücken zu bauen, zeigt sie, dass Gottes Reich ein Reich der Versöhnung und des Miteinanders ist.
Fazit: der Ruf zur Gegenwart
Die Vision der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn für 2025 ist ein Aufruf zur Tatkraft und zur Hoffnung. Sie erinnert die Kirche daran, dass sie nicht nur ein Beobachter der Gesellschaft ist, sondern ein aktiver Teil davon. Indem sie die Gegenwart gestaltet, zeigt sie ihre Verbundenheit mit den Menschen und ihre Verantwortung für diese Welt. Und indem sie auf Gottes Zukunft setzt, wird sie zur Trägerin einer Hoffnung, die über das Heute hinausweist.
In einer Welt, die oft orientierungslos erscheint, kann die Kirche mit diesem Leitsatz versuchen, einen Unterschied zu machen. Sie ist eingeladen, in der Kraft Gottes zu handeln und sich zugleich von der Verheissung seiner Zukunft tragen zu lassen. Das ist keine leichte Aufgabe, aber eine, die das Wesen der Kirche zutiefst ausmacht: eine Kirche, die mit beiden Beinen fest auf dem Boden der Gegenwart steht und zugleich ihren Blick auf das Reich Gottes gerichtet hält.
Frohe Fesstage und ein gesegnetes neues Jahr 2025 wünscht Ihnen
PFARRER PETER KLOPFENSTEIN