Der «Olivenölpapst» und die «Ikone des kulinarischen Massstabs»

  08.07.2024 Gstaad

Ihre Lebensgeschichten bezeichnen sie als «Pot au Feu» und «einfaches Gericht». Die Spitzenköche Robert Speth und Martin Dalsass strahlen bodenständige Bescheidenheit aus, obschon sie viel erreicht und massgeblich daran beteiligt waren, dass die Region Gstaad-Saanenland heute als Genussdestination bezeichnet werden kann.

KEREM S. MAURER
Sprechen Robert Speth und Martin Dalsass über ihre Passion Kochen, klingt es eher bescheiden, obschon die Spitzenköche eigentlich so richtig dick auftragen könnten. Sie haben beide 18 Gault-Millau-Punkte und einen Michelin Stern, waren beide Koch des Jahres, haben Bücher geschrieben – und: Sie haben die Michelin-Sterne und Gault-Millau-Punkte ins Saanenland gebracht. Denn als der Südtiroler Martin Dalsass 1975 nach Gstaad – erst in den Bernerhof, dann ins Bellevue – kam, hatte er bereits zwölf Punkte und war im Saanenland der einzige Punktekoch. Später, 1984, kam der Ravensburger Robert Speth – damals noch ohne Punkte. Als Dalsass ein Jahr später das Saanenland vorübergehend verliess, war Robert Speth, der 1985 zum ersten Mal im Chesery 14 Punkte bekam, der einzige Punktekoch in Gstaad. «In den 80er-Jahren hatte man in Gstaad die Originaldose Kaviar auf dem Tisch, ass Chateaubriand und Lammkarree, viel mehr war da nicht», erinnert sich Robert Speth schmunzelnd. «Ich habe so gekocht, wie ich es gelernt habe. Doch meine Kreationen sind nicht überall gut angekommen.» Viele hätten gesagt, die «Nouvelle Cousine» passe nicht hierher, man wolle sie hier nicht. Dennoch ist Robert Speth in Gstaad geblieben, führte 34 Jahre lang bis 2019 das «Chesery» und löste zusammen mit Martin Dalsass einen Punkte- und Sterne-Boom aus. Dalsass erinnert sich: «Obschon die Leute erst skeptisch waren, zogen die anderen Betriebe bald nach und engagierten ebenfalls dekorierte Köche.»

Heute glitzern am kulinarischen Firmament über der Genussregion Gstaad, inklusive Rougemont – laut Gstaad Saanenland Tourismus – insgesamt über 300 Gault-Millau-Punkte und drei Michelin-Sterne.

Butter oder Olivenöl
Robert Speth blieb dem Saanenland bis heute treu, während Martin Dalsass, nach seinem Intermezzo im Tessin nur noch einmal kurz zurück in die Küche des Le Grand Bellevue kam, um sich dann ganz aus dem Saanenland zurückzuziehen. Die beiden haben neben demselben Jahrgang, 1956, eine weitere grosse Gemeinsamkeit: Sie stehen auf einfache, qualitativ hochstehende Gerichte und gute Produkte. Doch ein grosser Unterscheid sei erwähnt: Während Robert Speth, die «Ikone des kulinarischen Massstabs von Gstaad» oft und gerne mit Butter kocht, verwendet Dalsass hautsächlich Olivenöle – was ihm letztlich den Spitznamen «Olivenölpapst» eingebracht hat. Auf die Frage, welche Gerichte herauskämen, wenn sie ihre Lebenswege kochen müssten, sagte Robert Speth: «Ich bin ein Eintopf, ein klassischer ‹Pot au Feu›.» Und Dalsass: «Ich wäre schlicht ein einfaches Gericht mit ausgezeichneten Zutaten.»

Neuinterpretation eines Klassikers
Beide treffen sich einmal im Jahr zum Saveurs Gstaad, dem Gipfeltreffen rund um Genuss, Kultur, Sport und Musik, welches die beiden Köche von Beginn an, sprich seit 20 Jahren, massgeblich mitgestaltet haben, wie sie nicht ohne Stolz berichten (siehe Kasten). Und dass sich die beiden zusammen im Bernerhof mit dem «Anzeiger von Saanen» zu einem Gespräch getroffen haben, ist ebenfalls kein Zufall, denn Bernerhof-Gastgeber Thomas Frei und der Unternehmer Hans Peter Reust hatten einst die Idee zu Saveurs Gstaad, an dessen aktueller Ausführung Robert Speth etwas ausprobieren will, das er noch nie gemacht hat. «Ich mache eine Neuinterpretation eines Vitello tonnato mit warmem Fleisch. Ich kann mir vorstellen, dass das gut zusammen funktioniert.»


SAVEURS GSTAAD – ZUM 20. MAL

Für das 20-Jahr-Jubiläum der Saveurs-Gstaad-Genussreihe kamen laut einer entsprechenden Medienmitteilung am 2. Juli auf dem Wasserngrat die Spitzenköche Marcel Reist (Bernerhof, Gstaad), Martin Dalsass (Talvo, St. Moritz) und Robert Speth (Speth Consulting, Schönried) zusammen.

Martin Dalsass habe die Anwesenden mit seiner mediterran angehauchten Vorspeise «Cavatelli, Muscheln, Calamaretti und Datteltomaten» begeistert. Weil Robert Speht nur noch für private Gäste koche, sei sein Hauptgang «Vitello tonnato new Style» aus Kalbsschulter, Markbein und Kalbskopf «umso exklusiver» gewesen. Zum Abschluss habe Marcel Reist eine «legendäre» Hummer Bisque kredenzt. Die Veranstaltung habe 120 Gäste angezogen.

«Es war ein Genuss, mit meinem Freund Robert Speth diesen besonderen Anlass zu gestalten. Unsere Freundschaft und die gemeinsame Leidenschaft für unverfälschtes, hervorragendes Essen machen solche Events zu etwas ganz Besonderem», sagte Dalsass. Und Speth ergänzte laut der Mitteilung: «Es ist nie zu spät, sich mit Freunden zu treffen und gemeinsam zu kochen. Solche Veranstaltungen zeigen, wie kulinarische Traditionen und Innovationen Hand in Hand gehen können.»

Zuvor, am 1. Juli, habe sich Chef Benoît Carcenat (Meilleur Ouvrier de France 2015, leitet aktuell das Valrose in Rougemont mit seiner Frau Sabine) der Herausforderung gestellt, ohne Strom und moderne Küchentechnik auf offenem Feuer zu kochen. «Es war ein Heimspiel für mich, hier oben auf der Züneweid mit regionalen Produkten und unter solch authentischen Bedingungen zu kochen», sagte Carcenat, Gault-Millau-Koch des Jahres 2023. Sein «signature dish», ein Lamm im Boden gegart, begeisterte 40 Gäste am ausverkauften Event oberhalb des Lauenensees.

«Die Saveurs-Gstaad-Genussreihe unterstreicht die Bedeutung von Gstaad als eine der führenden Genussdestinationen. Mit einem vielfältigen Angebot an kulinarischen Erlebnissen und Veranstaltungen bietet die Region das ganze Jahr über Gaumenfreuden der besonderen Art», heisst es in der Mitteilung.

KMA


Fünf Fragen an Robert Speth und Martin Dalsass

ROBERT SPETH

Wie wichtig sind Ihnen Sterne und Punkte?

Wer nur für Auszeichnungen arbeitet, kocht am Ende nur noch Filets. Man darf keine Fehler machen. Das wird aber irgendwann langweilig. Ich lasse mich beim Kochen gerne auf die Äste hinaus, versuche mal etwas Neues und gehe bewusst gewisse Risiken ein. Wirds am Ende mit einem Punkt oder Stern honoriert, ist das zwar schön, war aber nicht das Ziel.

Was sagen Sie über die Kochkünste des jeweils anderen?

Martin kocht einfach, aber mit Geschmack. Es geht ja nicht nur um die Kochkunst, sondern auch um die Person in der Küche. Ich esse lieber dort, wo ein guter Koch noch fassbar ist. Neben dem Kochen ist auch der Typ sehr wichtig. Und Martin Dalsass ist definitiv authentisch und passt zu seinen Kochkünsten.

Wie sind Sie damals nach Gstaad gekommen?

1984 gab es im Bellevue eine grosse Hochzeit, bei der ich Dalsass in der Küche half. Danach übernahm ich das Chesery, obschon ich gar nicht nach Gstaad wollte. Ich war damals in Frankfurt und dachte, wenn du in dieses Bergdorf hochfährst, kommst du ja nie an. Dann bin ich bis heute geblieben, fast vierzig Jahre.

Wenn Sie wählen könnten, welches Restaurant würden Sie gerne übernehmen?

Ich will kein Restaurant mehr. Wir haben das Chesery relativ früh verkauft. Heute kann ich aussuchen, was ich tun möchte. Es gibt für mich kein Traumrestaurant mehr. Alles hat seine Zeit. Und es wird auch nicht einfacher, wirklich gute Produkte und Mitarbeiter zu finden.

Wie geht es jetzt mit Ihnen beiden weiter?

Wir haben ja den Schritt schon vor sechs Jahren gemacht und mit den Restaurants aufgehört. Das, was wir jetzt tun, machen wir noch, solange es uns Spass macht. Der Vorteil ist, dass wir nicht mehr jeden Tag Mittags- und Abendservice machen müssen.


MARTIN DALSASS

Wie wichtig sind Ihnen Sterne und Punkte?

Natürlich macht es Freude, wenn du einen Punkt oder einen Stern bekommst, aber ich habe noch nie nur für eine Auszeichnung gekocht. Ich möchte in der Küche locker sein und kochen, was mir schmeckt oder was ich gerne koche. Wenn es nur um Auszeichnungen geht, muss man sehr streng sein und darf nicht improvisieren. Das liegt mir nicht.

Was sagen Sie über die Kochkünste des jeweils anderen?

Roberts grosse Stärke ist sein enormes Allgemeinwissen über die Gastronomie. Mich erstaunt, was er aus einfachen Sachen alles zaubern kann. Von einem Tier verwendet er alles. Er hat die Nouvelle Cuisine gelernt, versteht es aber, die klassische Küche zu verfeinern. Und genau das haben die Leute gesucht.

Wie sind Sie damals nach Gstaad gekommen?

Wir lernten uns bei einem Essen bei Albert Bouley kennen. Robert kam zu spät und ich dachte noch, das liege an seinem Namen. 1975 arbeitete ich im Sommer im Bernerhof und wechselte im Winter ins Bellevue, wo ich bis 1985 blieb. Im 1984 kam dann Robert nach Gstaad.

Wenn Sie wählen könnten, welches Restaurant würden Sie gerne übernehmen?

Es geht mir gleich: Die Probleme mit dem Personal brauche ich nicht mehr. Ich höre im kommenden Oktober im Talvo auf. Man muss den richtigen Moment erwischen. Es wird zurzeit auch immer schwieriger, gutes Personal zu finden.

Wie geht es jetzt mit Ihnen beiden weiter?

Wenn ich das Restaurant nicht mehr habe, werde ich wohl wie Robert auch etwas in Richtung Catering machen. Aber nichts Fixes mehr. Man wird ja auch älter und braucht die ganze Hektik nicht mehr.

 


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