Der Künstler Pedro Quispe
29.10.2024 KolumnePedro Quispe war zwischen 2009 und 2012 Mitglied von Tres Soles, später Luis Espinal. Als kleines Kind erlitt er bei einem Unfall schwere Verbrennungen und verlor ein Bein und ein Auge. Ein Arzt nahm ihn mit zu sich in die USA und rettete ihm durch viele Operationen das Leben. Nach ...
Pedro Quispe war zwischen 2009 und 2012 Mitglied von Tres Soles, später Luis Espinal. Als kleines Kind erlitt er bei einem Unfall schwere Verbrennungen und verlor ein Bein und ein Auge. Ein Arzt nahm ihn mit zu sich in die USA und rettete ihm durch viele Operationen das Leben. Nach seiner Rückkehr aus den USA verbrachte er einige Zeit in einem Kinderheim und kam dann, nachdem dieses geschlossen wurde, zu uns nach Tres Soles. Schon damals, als er in der projekteigenen Kartenwerkstatt mithalf, zeigte sich, dass er künstlerisch begabt ist. Mittlerweile ist er sehr erfolgreich mit seinen Kohlezeichnungen. Besagter Arzt hat ihn während der ganzen Zeit finanziell unterstützt. Pedros Werke sind inzwischen schon auf mehreren Ausstellungen zu sehen gewesen. Kürzlich haben zwei grosse Zeitungen ein Interview mit ihm veröffentlicht. Das Interview in der Tageszeitung «Los Tiempos» vom 14. Juli soll hier vollumfänglich wiedergegeben werden.
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Die Zeichnungen von Pedro Quispe erobern die sozialen Netzwerke
Pedro Quispe Gonzales, ein 35-jähriger Künstler, erlangte in den sozialen Netzwerken erst kürzlich mit seinen fotorealistischen Zeichnungen, die er von Hand mit Kohle anfertigt, grosse Bekanntheit. Hinter den Bildern steckt eine bewegende und interessante Persönlichkeit, die trotz aller Widrigkeiten über sich selbst hinauswuchs. Im Interview mit «Los Tiempos» verrät der Zeichner und Maler Details über sein Leben und seine Kunst.
Können Sie uns etwas über Ihre Herkunft erzählen?
Ich stamme aus einer Familie bescheidener Herkunft aus dem Ort Pampa Lupiara in der Gemeinde Tarabuco, Departement Sucre. Als ich noch sehr jung war, hatte ich einen schrecklichen Unfall in meiner Heimatstadt. Ich war neun Jahre alt, als ich durch eine Gasexplosion schwere Verbrennungen erlitt. Von da an erinnere ich mich nicht mehr an viel, bis ich das Bewusstsein wiedererlangte und mich in Cochabamba in einem Waisenhaus wiederfand. Dort bin ich aufgewachsen, bis ich mein Abitur gemacht und eine technische Ausbildung abgeschlossen habe. Vor ein paar Jahren bin ich in meinen Heimatort zurückgekehrt und lebe zurzeit dort.
Wie sind Sie in die Kunstwelt gekommen?
Das Zeichnen war schon immer meine Spezialität. Man könnte sagen, dass mir dieses Talent in die Wiege gelegt wurde, denn schon in der Schule zeigten sich erste Anzeichen, die auf meine Begabung hindeuteten, aber ich habe mich nie getraut, meine Zeichnungen zu veröffentlichen. Ich hielt mich für einen Amateur, dessen Hobby eben solche Zeichnungen waren. Erst vor kurzem, als ich in mein Dorf zurückkehrte, begann ich, an Gruppenausstellungen und Wettbewerben teilzunehmen.
Haben Sie eine Ausbildung im Zeichnen oder Malen erhalten?
Ich hatte weder die Möglichkeit, eine Kunstakademie zu besuchen, noch habe ich an Kursen oder Workshops teilgenommen. Ich bin völliger Autodidakt.
Welcher Vorgehensweise folgen Sie bei der Erstellung Ihrer Werke?
Der Vorgang ist einfach. Ich beginne damit, ein digitales Foto auf den Computer zu legen und es auf Papier zu drucken. Zuerst fertige ich die Skizze mit der Rastertechnik an, damit die Proportionen stimmig sind. Dann arbeite ich mit verschiedenen Materialien wie Kohle, Radiergummis und Stiften, um mithilfe der Wischtechnik Licht und Schatten entstehen zu lassen.
Welche Themen behandeln Sie in Ihren Zeichnungen?
Ich zeichne sehr gerne Gesichter von Menschen, egal ob ältere Menschen oder Kinder, manchmal aber auch Tiere. Landschaften, Gebäude oder Pflanzen liegen mir weniger.
Die Materialien, die Sie am häufigsten verwenden, sind Kohle und Spezialpapier. Warum haben Sie diese Materialien für fast alle Ihre Arbeiten ausgewählt?
Das ist eben mein Stil und eine Spezialität von mir. Ich male nicht gerne in Farbe. Auch wenn ich Öl- und Pastellfarben verwende, sind sie immer nur schwarz. Ich zeichne gerne in Schwarz und Weiss, weil diese Farben so einfach und elegant sind.
Mir ist aufgefallen, dass Ihre Werke eine kaum wahrnehmbare Unterschrift tragen. Um was geht es hierbei?
Mir ist eine unauffällige Unterschrift lieber, denn für mich ist sie nichts weiter als ein Gekritzel, das ein Werk ruinieren kann. Trotzdem verstehe ich, dass eine Unterschrift eine gewisse Bedeutung hat.
Was sind Ihre Zukunftspläne hinsichtlich Ihres künstlerischen Wirkens?
Ich habe keine besonders ehrgeizigen Pläne. Der vielleicht grösste Wunsch, den ich habe, ist, einige Ausstellungen im Ausland machen zu können, vielleicht in einer anerkannten Galerie.
ARIEL RODRÍGUEZ ARISPE
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Nachtrag
Als ich wegen der Erlaubnis für die Veröffentlichung im «Anzeiger von Saanen» bei dem Journalisten und Verfasser des Artikels, Ariel Rodríguez Arispe, angefragt habe, antwortete er, dass er mich kenne, weil er früher als Kind in meinen theatralisierten Familiengottesdiensten mitgewirkt habe, und es ihm eine grosse Ehre sei, wenn ich seinen Artikel für eine Veröffentlichung im «Anzeiger von Saanen» verwende.
STEFAN GURTNER
Weitere Zeichnungen des Künstlers: www.instagram.com/_pedro.dibujos_/?igsh=NDlscTZ0-MDd0cTBw
Stefan Gurtner ist im Saanenland aufgewachsen und lebt seit 1987 in Bolivien in Südamerika, wo er mit Strassenkindern arbeitet. In loser Folge schreibt er im «Anzeiger von Saanen» über das Leben mit den Jugendlichen. Wer mehr über seine Arbeit erfahren oder diese finanziell unterstützen möchte, kann sich beim Verein Tres Soles, Walter Köhli, Seeblickstrasse 29, 9037 Speicherschwendi, E-Mail: walterkoehli@ bluewin.ch erkundigen. Spenden: Tres Soles, 1660 Château-d’Oex, IBAN: CH20 0900 0000 1701 6727 4. www.tres-soles.de