Unter Qualen produzierte Lebensmittel müssen deklariert werden
04.07.2025 Gesellschaft
KEREM S. MAURER
Die Schweiz importiert jährlich rund 200 Tonnen Stopfleber und gehört damit weltweit zu den wichtigsten Importländern. Für diese Menge werden laut dem Initiativkomitee, das mit der Stopfleber-Initiative ein Importverbot für die ...
KEREM S. MAURER
Die Schweiz importiert jährlich rund 200 Tonnen Stopfleber und gehört damit weltweit zu den wichtigsten Importländern. Für diese Menge werden laut dem Initiativkomitee, das mit der Stopfleber-Initiative ein Importverbot für die Stopfleber anstrebt, jährlich 400’000 Enten und 12’000 Gänse gemästet. «Diese Initiative ist gültig zustande gekommen und wird wohl in ein oder zwei Jahren zur Abstimmung kommen», sagt Vanessa Gerritsen von der Stiftung Tier im Recht (TIR) auf Anfrage. Eine Deklarationspflicht von tierischen Lebensmitteln dagegen, die von Tieren stammen, bei denen bestimmte schmerzhafte Eingriffe ohne Betäubung vorgenommen werden (siehe Kasten), besteht seit dem 1. Juli dieses Jahres. Der Bundesrat hat die entsprechenden Verordnungsänderungen am 28. Mai 2025 verabschiedet. Wie das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen bekannt gibt, gilt die Deklarationspflicht für alle Betriebe, welche die betroffenen Lebensmittel anbieten. Etwa Gastronomie, Kleinund Detailhandel. Diese Betriebe müssen im Rahmen einer Selbstkontrolle prüfen, ob sie deklarationspflichtig sind. Es gilt eine Übergangsfrist von zwei Jahren.
Was die Gäste wollen, bekommen sie
In einem Haus wie dem Gstaad Palace habe man Gänsestopfleber oder Foie gras, wie es hierzulande genannt werde, auf der Speisekarte, sagt der dortige kulinarische Direktor Franz W. Faeh auf Anfrage. «Hummer und Foie gras werden wohl eines Tages von unseren Speisekarten verschwinden, wenn es unsere Gäste nicht mehr verlangen», mutmasst er, aber: «Eine präzise Deklaration ist wichtig und Standard. Wir sensibilisieren, aber können und wollen niemanden erziehen. Deshalb finden sich wohl vorerst weiterhin Gäste, die Foie gras essen möchten. Obwohl jeder weiss, woher sie kommt und wie sie produziert wird.» Im The Alpina Gstaad dagegen findet man Foie gras schon lange nicht mehr auf der Karte. «Wir führen solche Produkte aus Überzeugung nicht», sagt Martin Göschel, Executive Chef im The Alpina. Als Earth-Check-zertifizierter Betrieb sei das The Alpina bereits heute verpflichtet, Produkte aus nachhaltiger Produktion zu verwenden und deren Nachweise zu erbringen. Aber auch im The Alpina gilt: «Wenn ein Gast nach Gänsestopfleber fragt, kann ich diese für den Folgetag bestellen und zubereiten», so Göschel.
QR-Codes auf den Speisekarten
Ob eine Deklarationspflicht die Importmengen an Foie gras zu senken vermag und ob sie ein geeignetes Mittel ist, Tierleid zu lindern, ist umstritten und wird sich erst in Zukunft zeigen. Zuvor gebe es für die betroffenen Betriebe einen nicht zu unterschätzenden Mehraufwand. Dazu noch einmal Franz W. Faeh: «Ich arbeite mit einer spezialisierten Firma zusammen, die exakt weiss, worauf es ankommt und die für mich die Deklarationen macht.» Künftig werde es auf der Speisekarte einen QR-Code geben, den der Gast scannen könne, um mehr Informationen über ein Produkt zu erhalten. Faeh und Göschel fragen sich beide, wie weit das mit den ganzen Deklarationspflichten noch führen und wie viele Auflagen es noch geben soll. Einig sind sich die beiden auch beim Thema Froschschenkel: Weder das The Alpina noch das Gstaad Palace haben diese auf der Speisekarte. Aber auch hier gilt: Was die Gäste wollen, bekommen sie.
Ist die Deklarationspflicht eine halbherzige Lösung?
«Der Bundesrat sieht lediglich eine zahnlose Deklarationspflicht vor, während das Parlament mit dem in der WBK-N beschlossenen Auftrag zur Ausarbeitung eines Gegenvorschlags immerhin noch eine Wirkungsprüfung sowie konkrete Folgemassnahmen für den Fall der (anzunehmenden) Wirkungslosigkeit der Deklarationspflicht ins Visier genommen hat», sagt Vanessa Gerritsen. Doch dem müsste noch die ständerätliche Kommission zustimmen. Laut Gerritsen ist die Deklaration eine völlig wirkungslose Massnahme, die insofern kein milderes Mittel zum Importverbot darstellt, weil sie von vornherein offensichtlich ungeeignet ist. «Wer Foie gras konsumiert, weiss über die Herstellungsmethode Bescheid – vielleicht nicht im Detail. Aber die geplante Kennzeichnung von zwangsernährten Gänsen und Enten wird kaum zu mehr Transparenz beitragen», ist die rechtswissenschaftliche Mitarbeiterin bei Tier im Recht (TIR) überzeugt. Die Deklarationspflicht führe damit lediglich zu einem Hinausschieben der einzig effektiven und längst überfälligen Massnahme des generellen Importverbots von Stopfleber, deren Herstellung in der Schweiz seit nahezu 50 Jahren verboten ist.
DEKLARATIONSPFLICHT IM ÜBERBLICK
Folgende Produkte müssen neu gekennzeichnet sein:
• Rindfleisch von Tieren, die betäubungslos kastriert oder enthornt werden.
• Schweinefleisch,wenn die Kastration, das Kupieren des Schwanzes oder das Abklemmen der Zähne ohne Betäubung erfolgt.
• Eier und Fleisch von Hühnern, deren Schnabel ohne Schmerzausschaltung kupiert wird.
• Milch von Kühen, bei denen die Enthornung ohne Schmerzausschaltung erfolgt.
• Froschschenkel, die betäubungslos gewonnen werden.
• Leber und Fleisch von Gänsen und Enten aus der Stopfmast.
BLW.ADMIN/KMA