«Die Liebe zur Natur ist Selbstliebe»
14.08.2023 PorträtWenn sich Imker Stefan Neuhaus mit seinen Bienen beschäftigt, begibt er sich in ihre Welt und stellt sich ganz auf sie ein. In seinem Weltbild ist alles miteinander verbunden. So sieht er sich – wie seine Bienenvölker auch – nur als Teil des grossen ...
Wenn sich Imker Stefan Neuhaus mit seinen Bienen beschäftigt, begibt er sich in ihre Welt und stellt sich ganz auf sie ein. In seinem Weltbild ist alles miteinander verbunden. So sieht er sich – wie seine Bienenvölker auch – nur als Teil des grossen Ganzen.
KEREM S. MAURER
Stefan Neuhaus begegnet der Natur mit Achtsamkeit, Respekt und Verantwortung. Auch – oder insbesondere – im Umgang mit den Bienen. «Es ist weder die Berufung noch die Aufgabe der Bienen, die Menschheit mit Honig zu versorgen», stellt der 41-Jährige klar. Neuhaus ist Amtlicher Fachassistent Bieneninspektion (AFABI), Fachassistent Primärproduktion, und macht aktuell die Ausbildung zum Imker mit eidgenössischem Fachausweis. Und er ist selbst ernannter Bienenflüsterer. «Vielmehr sind die Bienen hier, um die Erde und die Menschen zu heilen», ist er überzeugt. Ersteres liegt auf der Hand: Seit Jahrmillionen bestäuben die Bienen Pflanzen aller Art und sorgen so für Artenreichtum, Nahrungsfülle und Leben (siehe Kasten). Doch wie ist das mit dem Heilen? «Bienenhonig hat in vielen Rezepten als Naturheilmittel Bestand», erklärt Neuhaus. Bienengift (Apitoxin) habe eine starke Wirkung auf das zentrale Nervensystem und komme in der modernen Forschung bei zahlreichen Krankheiten – beispielsweise Augenkrankheiten – zum Einsatz. Der Schweizerische Apitherapie Verein unterstützt diese These und schreibt auf seiner Website: «Ubi apis ibi salus – wo Bienen sind, ist Gesundheit». Und schliesslich wussten schon die Grosseltern, dass mit Honig gesüsster Tee bei Husten hilft – und das ist nur eine Anwendungsmöglichkeit. Aber Vorsicht: «Bei über 40 Grad verbrühen die Heilstoffe und verlieren ihre Wirkung», gibt Neuhaus zu bedenken.
Hibbelige Imker machen Bienen nervös
«Die eigentliche Arbeit mit Bienen beginnt in unseren Herzen, sprich im Herzfrequenzbereich», sagt Stefan Neuhaus und spricht über Alpha-, Beta- und Gammafrequenzbereiche, die unter anderem Auskunft über den Entspannungsgrad eines Menschen geben. Wenn also Neuhaus davon spricht, mit Bienen «von Herz zu Herz zu arbeiten», meint er damit, dass er seine Energien im Herzzentrum sammelt und sich bauchgefühlsmässig auf seine Bienen einstimmt. «Damit ich die Bienen spüre und sie mich», erklärt der Bienenflüsterer. Und bevor er einen Bienenstock öffnet, meldet er sich mit einem sanften Anklopfen bei den Tieren an. «Auch das ist wichtig, weil ich jedes Mal, wenn ich etwas mit den Bienen arbeite, grundsätzlich das Volk in ihrem Tun störe», sagt er und fügt hinzu, dass man es als Imker nicht mit einem nervösen Bienenschwarm zu tun haben wolle. Und er kommt nochmals auf die Energien zurück: «Wenn ich innerlich ruhig und gesammelt bin, überträgt sich diese Ruhe auf die Bienen. Umgekehrt genauso: hibbelige Imker machen Bienen nervös.» Bei der Arbeit mit den Bienen verliere er regelmässig das Zeitgefühl, werde von den faszinierenden Tierchen in ihren Bann gezogen, was durchaus meditativen Charakter habe. Bei den Bienen «schnell etwas machen wollen», sei ohnehin ein völlig falscher Ansatz.
Platonische Körper, Mandalas und der Goldene Schnitt
Ob die rund 70 Bienenvölker, die Stefan Neuhaus pflegt, der achtsamen und respektvollen Behandlung wegen gesünder sind als andere, will er so aber nicht behaupten. «Wichtig für gesunde Bienen ist unter anderem der Standort, die Ausrichtung und dass es Wasser in der Nähe hat», sagt er. Ebenso habe die Form der Bienenstöcke einen Einfluss auf das Wohlbefinden der Tiere, weshalb drei seiner Bienenvölker in sechseckigen Bienenstöcken lebten, welche den Goldenen Schnitt und die platonischen Körper berücksichtigten. Doch auch seine Bienen seien gegen die Varroamilbe nicht immun. Wenn er einen Varroabefall feststelle und nichts dagegen unternehme, riskiere er einen Verlust von 30 Prozent. «Auch ich behandle meine Bienen im Krankheitsfall. Aber höchstens zweimal und ohne Ameisensäure», hält er fest. Er verwende verschiedene Elemente der Elektrokultur und spezielle Mandalas, welche den Organismus der Bienen stärke. Und er erinnert daran, dass in früheren Zeiten hauptsächlich Bauern geimkert hätten. «Bauern haben schon von Grund auf eine andere Beziehung zu Tieren als Menschen, die nicht gewohnt sind, sich um Tiere zu kümmern», sagt er und weist im selben Atemzug daraufhin, dass die Art und Weise, wie er mit seinen Bienen umgehe, seine eigene Philosophie sei. «Es gibt für jedes Problem verschiedene Ansichten und meistens liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen. Vielleicht im gesunden Mittelmass.» Wir alle seien Teile von einem grossen Ganzen, sinniert er. «Alles ist miteinander verbunden. Das heisst, wenn ich Tiere und Pflanzen respektiere, respektiere ich im Umkehrschluss auch mich.» Also könne er nur achtsam und verantwortungsvoll mit der Natur umgehen, wenn er sich selbst auch so begegne. «Liebe zur Natur beginnt mit der Liebe zu mir selbst», fasst Stefan Neuhaus zusammen.
SEIT WANN GIBT ES BIENEN?
Bienen sind älter als Menschen. Wegen ihrer Ernährungsweise (Honig und Pollen) können Bienen schon in der mittleren Kreide (vor 90 Millionen Jahren) entstanden sein. Die ersten Honigbienen fand man in 50 Millionen altem Bernstein aus dem oberen Eozän.
Quelle:Länderinstitut für Bienenkunde (LIB)