Mit einer launigen Begrüssung voller Witz und Humor durfte Pfarrer Christof Mudrack am Freitagabend, 11. April in der Kirche Boltigen Professor Dr. Helmut Freitag von Interlaken/Saarbrücken, deutscher Pianist, Organist, Dirigent und Professor für Musikwissenschaften an der ...
Mit einer launigen Begrüssung voller Witz und Humor durfte Pfarrer Christof Mudrack am Freitagabend, 11. April in der Kirche Boltigen Professor Dr. Helmut Freitag von Interlaken/Saarbrücken, deutscher Pianist, Organist, Dirigent und Professor für Musikwissenschaften an der Universität Saarbrücken, willkommen heissen.
Mit Blick auf die gut gefüllte Kirche meinte er, er sei wirklich erleichtert, dass dieses Mal doch deutlich mehr Besuchende als Musizierende anwesend seien, im Gegensatz zu seinem Antritt vor 15 Jahren, als die 24 Musizierenden vor zehn Besuchenden spielten.
Die anwesenden Besucher:innen wurden ebenso herzlich von Prof. Helmut Freitag begrüsst und über den Ablauf des «Bachabends» informiert. Es sollte ein Abend ganz anderer Art werden. Wir Besuchenden erfuhren, dass er die Stücke aufgrund der Gegebenheiten der Kirche Boltigen und um ihre Orgel ins Licht zu rücken ausgesucht hat. Dass er eher unbekannte Stücke aus der frühen Schaffenszeit von J.S. Bach spielen wird und dass jedes Konzert auf der Tour 2025 andere Kompositionen bereit halten wird. Interessierte könnten somit jedes Konzert besuchen und würden immer andere Stücke kennen lernen.
Ganz besonders und aussergewöhnlich waren für mich und die anderen Besuchenden die jeweils ausführlichen Erläuterungen über die ausgewählten Stücke, sowohl inhaltlich wie auch betreffend der Entstehungsgeschichte. Die Stücke wurden greifbar, verständlich und plötzlich war ein ganz anderer Zugang zur Orgelmusik von J.S. Bach möglich.
Für mich war die Orgel bis jetzt immer ein mächtiges Instrument, hart und kompromisslos, welches die Zuhörenden in ihren Bann zieht und kein Ausweichen zulässt. An diesem Abend lernte ich die Orgel ganz neu kennen – zart, mit frühlingshaftem Übermut wie ein neugeborenes Zicklein, staatsmännisch dahinschreitend, erzählend, zuhörend, ganz einfach die Seele berührend.
Die Boltiger Orgel liess nicht alles zu. Sie provozierte einen kleinen, instrumentenbedingten Zwischenfall. Eine Taste klemmte aufgrund der Wärme. Vielleicht brauchte die Orgel bei all dieser Virtuosität einfach eine kurze Pause. Der Organist unterbrach sein Spiel und meinte lakonisch, dass er nicht für jeden Fehler verantwortlich sei. Ein mit der Boltiger Orgel vertrauter Besucher eilte ihm zu Hilfe und konnte die blockierte Taste, wie Prof. Freitag meinte, «ohne in die Orgel kriechen zu müssen», lösen.
Faszinierend ist, dass kirchliche Musik, welche vor knapp 300 Jahren entstand, uns heute noch ansprechen kann. Auch die reformierte Kirche wird in der heutigen Zeit herausgefordert, sich immer neu zu «erfinden», Ansprüche zu integrieren und mit neuen Medien umzugehen. Umso wichtiger sei es, das grossartige und reichhaltige Erbe der kirchlichen Musik wertzuschätzen und zu bewahren, so die Meinung von Prof. Helmut Freitag. Beständigkeit in der Veränderung. Dies möchte er auch weiterhin mit seinen anstehenden Konzerten im Oberland bewirken. Gerade in dieser herausfordernden Zeit kann unsere gelebte Kultur uns Kraft und Ruhe schenken.
Beeindruckt und erfüllt von Ruhe verliessen wir Besucher:innen nach gut einer Stunde die Kirche. Passend, dass der Fast-Vollmond sein helles Licht auf den Vorplatz der Kirche scheinen liess und uns auf dem Heimweg begleitete.
KIRCHGEMEINDE BOLTIGEN/JILL CORAY
Bach im Oberland Tour 2025 – weiteres Konzert in Boltigen: 10. Oktober, 19 Uhr.