RANDNOTIZ
17.04.2025 KolumneErwachsenwerden kann ich noch später
JOCELYNE PAGE
Viele von uns haben es wohl gesagt, wenn sie an erwachsenes Verhalten dachten: «Versprich es dir selbst: So wirst du nie.» Und nun? Jetzt sehe ich Leute in meinem Umfeld, die genau so geworden sind. ...
Erwachsenwerden kann ich noch später
JOCELYNE PAGE
Viele von uns haben es wohl gesagt, wenn sie an erwachsenes Verhalten dachten: «Versprich es dir selbst: So wirst du nie.» Und nun? Jetzt sehe ich Leute in meinem Umfeld, die genau so geworden sind. Wie ich staune, wenn jemand seine Wäsche direkt nach dem Zusammenlegen in den Schrank verräumt. Und wie ich den Gedanken einfach nicht nachvollziehen kann, lieber um Mitternacht ins Bett zu gehen, damit der Samstag noch eine Chance auf Produktivität hat. Und alle erzählen das mit so einer Ruhe und Selbstverständlichkeit, lachen über ihr vergangenes Teenager-Ich. So, als sei das der natürliche Lauf der Dinge. Als hätte ihnen jemand einen Plan zugesteckt: «Mit 30 bitte spiessig werden. Danke.»
Und ich? Ich bin 32 und stehe im Zwiespalt. Auf der einen Seite: Ja, ich will ja irgendwie auch erwachsen sein. Also, so ein bisschen. Auf der anderen Seite: Ich leide an akuter «Fomo» – «fear of missing out» –, der Angst, etwas zu verpassen. Ich bleibe also gerne bis spät in die Nacht an Festen oder Partys. Nicht, weil es noch so lustig ist, sondern weil etwas Lustiges passieren könnte. Die besten Geschichten beginnen schliesslich selten vor Mitternacht.
Ich will mir meine jugendliche Unbeschwertheit bewahren. Auch ein bisschen Rebellion. Deshalb lasse ich meinen Koffer von einem Wochenendtrip mindestens zwei Wochen ungeöffnet liegen. Klar, weil ich meine Routinen durchbrechen will. Ich möchte im Alltag überrascht werden. Mal wieder nach der Haarbürste suchen oder die Lieblingsjeans im Koffer entdecken – das ist Leben, nicht Chaos.
Meine PET- und Kartonsammlung wächst übrigens auch stetig – wie ein kleiner, rebellischer Berg gegen die Ordnung. Ich könnte sie natürlich alle paar Tage entsorgen. Aber früher in der Studenten-WG haben wir das auch nur einmal im Monat gemacht. Es ist Tradition. Und beim Wäschetrockner ziehe ich die Sachen direkt raus und an – weil, sind wir ehrlich: Wenn es im Schrank liegt, vergisst man es ja nur wieder. So bleibt alles frisch im Blick.
Und das sind doch gute Gründe, sich so ein Stück Jugendlichkeit zu bewahren, oder? Das hat nichts mit Faulheit zu tun. Wirklich nicht. Wirklich. Ganz sicher. Ehrlich. …oder?