SONJA WOLF
Manchmal geht man als Journalist zu einem Anlass und macht einfach seinen Job – aufmerksam zuhören, zuschauen und berichten. Aber dann sind da auch die ganz besonderen Momente, in denen man von einzelnen Lebensschicksalen so berührt wird, dass man sich ...
SONJA WOLF
Manchmal geht man als Journalist zu einem Anlass und macht einfach seinen Job – aufmerksam zuhören, zuschauen und berichten. Aber dann sind da auch die ganz besonderen Momente, in denen man von einzelnen Lebensschicksalen so berührt wird, dass man sich ein kleines Tränchen von der Wange streichen muss...
Tränen der Freude und der Rührung kullern über die Wangen der 20-jährigen Loly. «Diese Erfahrung war ein Geschenk, ich werde sie immer im Herzen tragen und wieder mit nach Ecuador nehmen. Niemand wird mir diese Erinnerung je wieder wegnehmen. Ich bin unendlich dankbar», sagt sie mit zitternder Stimme und die meisten Anwesenden im Hotel Ermitage sind nicht minder gerührt bei so viel Emotionen. Auch ich kann meine Tränen kaum unterdrücken. Da steht sie, die kleine, schmale Köchin aus Ecuador und kann das Glück, das ihr in ihrem noch jungen Leben widerfahren ist, kaum glauben.
Es ist eine dieser wunderbaren Geschichten, die das Leben nur einigen wenigen spielt, und auch nur dann, wenn das Engagement vieler einzelner Helfenden zusammenkommt. So wie bei der 20-jährigen Loly, die das Gastronomieprojekt «El Fogon» im ecuadorianischen Regenwald zusammen mit dem 25-jährigen Fidel als beste Absolventin abschloss. Und so durften die beiden ehrgeizigen, frischgebackenen Köche im Anschluss an ihre Ausbildung noch in die Schweiz fliegen und drei Monate in der Küche des Hotels Ermitage in Schönried mitkochen.
Möglich gemacht hat das der kleine gemeinnützige Verein «Cuisine sans frontières». Anstatt nur Spendengelder zu versenden, organisiert der Verein lieber langfristige Hilfe. Mit dem gesponsorten zwölfmonatigen Ausbildungsprogramm mitten im ecuadorianischen Regenwald erwerben jeweils 25 Studenten praktische Fähigkeiten und ein staatlich anerkanntes Diplom – die Grundsteine für eine Karriere in der Gastronomie- oder Tourismusbranche. Zusätzlich knüpfte der Verein den Kontakt zum Wellness & Spa-Hotel Ermitage und verschaffte den beiden Musterköchen das dreimonatige Praktikum in Schönried. Dort durften sie zu normalen Arbeitsbedingungen und normalem Lohn arbeiten und bekamen gratis Kost und Logis gestellt.
Für Loly und Fidel eine Wahnsinnschance. Beide kommen aus sehr einfachen Verhältnissen, aus kinderreichen Familien mit neun bzw. zehn Geschwistern. «Die beiden waren vorher noch niemals aus ihrer Region herausgekommen», erfahre ich von der Geschäftsführerin von «Cuisine sans frontières». «Schon die Reise in die Hauptstadt Quito war für sie eine halbe Weltreise.»
Und jetzt können die beiden jungen Leute ihr Glück kaum fassen: Dank des Engagements eines kleinen Vereins sowie eines Schweizer Hotels hat sich ihr Leben von Perspektivlosigkeit in Hoffnung verwandelt. Hoffnung darauf, mit ihrem Kochdiplom und der praktischen Erfahrung in der Schweizer Haute Cuisine nun auch eine konkrete Zukunft in ihrer Heimat Ecuador zu haben. Vielleicht ihr eigenes kleines Restaurant zu leiten. Ihre Familien zu unterstützen und selbst eine Familie zu gründen.
Die Tränen der jungen Frau kullern immer noch und wirken nicht nur bei mir ansteckend. Kein Wunder bei so viel Wohlwollen und dem Gefühl, dass hier zwei Menschen sehr glücklich gemacht wurden und sie ihrem Lebenstraum ein ganzes Stück näher gekommen sind.
Das ganze Jahr über sind wir Journalistinnen und Journalisten mit Leidenschaft im Einsatz, um jede Woche zwei Zeitungen zu gestalten, die nicht nur über Relevantes und Wichtiges informieren, sondern auch Geschichten enthalten, die fesseln und manchmal zum Schmunzeln anregen. In unserer Serie «Mein persönliches Highlight 2024» teilen wir die Geschichten, die uns tief berührt, zum Lachen gebracht, zum Grübeln angeregt oder einfach begeistert haben – Momente, die uns nicht losgelassen haben.