Automobilität im Wandel der Zeit

  25.02.2022 Feutersoey

Die Ledi Garage Feutersoey hat in einen neuen Showroom investiert, was in der heutigen Zeit ein mutiger, unternehmerischer Schritt nicht ohne Risiko ist. Wie hat sich die Automobilität aus Sicht des passionierten Garagisten entwickelt, und was bedeutet dies für die Kunden?

ÇETIN KÖKSAL
Es ist noch nicht allzu lange her, da buhlten 13 Garagisten mit 23 verschiedenen Automarken um die Gunst der Käufer im Saanenland. Auch Hansueli Brand und sein damaliger Geschäftspartner Bernhard Lammers vertraten schon bald nach der Gründung ihrer kleinen Ledi Garage Feutersoey – damals noch an der Hauptstrasse, wo die Tankstelle ist – zusätzlich zu Land Rover/Range Rover die Marken Ford und Saab. Was heute Showroom genannt wird, hiess damals Ausstellungsraum und war anfangs gar inexistent. Wer sich für einen Range Rover, Saab oder Ford interessierte, ging in die Werkstatt, wurde von einem der Jung-Patrons begrüsst und teilte sein Anliegen beim Geruch von Öl und Benzin mit. Dabei konnte das Gespräch jederzeit von ohrenbetäubenden Motor- oder Werkzeuggeräuschen unterbrochen werden.

Betritt man heute den Showroom irgendeiner Premiumautomarke, herrscht penibel sauber gehaltene Ruhe und, nachdem man von einem Verkaufsberater begrüsst worden ist, nimmt man auf farblich abgestimmten Möbeln Platz, wo einem ein perfekt gebrühter Kaffee aus einer hochwertigen Maschine in ebenso farblich und stilistisch abgestimmten Tässchen serviert wird. Die automobilen Wunschträume stehen dabei wirkungsvoll auf Hochglanz poliert im Raum. Nichts wird dem Zufall überlassen.

Corporate Identity
Natürlich geschah diese Entwicklung vom «Werkstattverkauf» zum heutigen, bis ins kleinste Detail von den Automarken vorgegebenen Showroom-Erlebnis, in Etappen. Hansueli Brand erinnert sich, dass die ersten CI (Corporate Identity)-Vorgaben so ungefähr ab 1995 kamen. Wollten die Garagisten «ihre» Marke behalten, mussten sie Anforderungen erfüllen und Zugeständnisse machen. Beispielsweise wurde zunächst verlangt, dass ein Ausstellungsraum für zwei bis drei Autos vorhanden sein musste. Dann befand die eine Marke, dass die andere nicht zu ihnen passe. Die Garagisten mussten sich also für die eine oder andere entscheiden. Firmen- bzw. Markenidentität (CI) wurde allmählich zum Schlagwort. Die Marketingspezialisten entdeckten, dass damit ein grosses Potenzial einherging. Es ging immer mehr darum, das zu verkaufende Produkt – in diesem Fall das Auto – in einem Licht zu präsentieren, welches die Werte des zu verkaufenden Produkts widerspiegelt und so die Identität des Produkts unterstreicht. Heute sieht jede Markenboutique, jedes Kettengeschäft, jede Land-Rover-Vertretung weltweit beinahe identisch aus. Der Kunde soll sofort wissen, bei welcher Marke er sich gerade befindet. Das Wo ist dabei nachrangig.

Herausforderungen
Für die Betreiber solcher Markenvertretungen bedeutet dies weniger Freiheit. Die Mutterhäuser stellen sehr detaillierte Anforderungen an die Unternehmer, welche ihre Marke vertreten möchten. Beispielsweise hat ein Land-Rover-Showroom präzise so zu sein, wie vom Mutterhaus vorgegeben. Dies bezieht sich sowohl auf die Aussenund die Innenarchitektur als auch auf die verwendeten Materialien, die Einrichtung und andere Details. Alle diese Vorgaben treiben die erforderlichen Investitionen in die Höhe, was dazu führt, dass kleinere Markenvertretungen sich diese schlicht nicht mehr leisten können. Das Risiko, die enormen Investitionen nicht zeitgerecht amortisieren zu können, ist ihnen viel zu gross, weshalb sie dann oftmals den Betrieb einstellen.

Fast wäre es auch der Ledi Garage so ergangen. Als Hansueli Brand mit seinen beiden Söhnen das neue Projekt durchrechnete, kamen sie zum Schluss, dass sie die Anforderungen des Mutterhauses mit einem einigermassen vernünftigen Aufwand unmöglich realisieren konnten. Sie hätten ihr erst vor zehn Jahren neu errichtetes Firmengebäude abreissen und komplett nach den neuen Vorgaben wiederaufbauen sollen. Erst als ein Mitarbeiter des Mutterhauses persönlich im Saanenland weilte und die hohe Land-Rover-Dichte in der Region mit eigenen Augen sah, konnte ein tragbarer Kompromiss gefunden werden. Der neue Showroom der Ledi Garage erstrahlt nun also im «alten» Gebäude.

Von der Mechanik zur Elektronik
Alle nicht mehr ganz so jungen Autobesitzer erinnern sich bestimmt noch an die Zeit, als man sich in sein neues Auto setzte und sich kurz orientierte, wo die Schalter und Hebel für Licht, Scheibenwischer, Heizung/Klimaanlage oder Sitzverstellung platziert waren. Dann drehte man den Schlüssel und fuhr los. Details konnte man bei Bedarf der Bedienungsanleitung entnehmen. Heute sind Autos – ganz besonders natürlich im Premiumsegment – hochkomplexe Elektronikwunderwerke, die uns «mitdenkend» von A nach B bringen.

Im neuesten Range Rover sind etwa 3000 Mikrochips verbaut. Wo früher eine Lenkstange das Lenkrad mit den Vorderrädern verband, wird heute Drive-by-Wire, also per elektronischer Signalübertragung gesteuert, manchmal sogar auch die Hinterräder. Es wird ebenso elektronisch Gas gegeben, gebremst oder der Gang eingelegt. Viele Assistenzsysteme überwachen im Millisekundentakt das Auto und seine Umgebung, um bei einer Gefahrensituation blitzschnell unterstützend eingreifen zu können. Per App können wir alle möglichen Informationen über unser Auto abrufen und dank dessen Onlineverbindung kann der Hersteller unseren «Fortbewegungscomputer» laufend updaten. Hansueli Brand empfiehlt seinen Kunden, ca. eineinhalb bis zwei Stunden für die Neuwagenübergabe einzuplanen, um ihnen wenigstens die wichtigsten Grundfunktionen ihres neuen Autos erklären zu können.

Vielleicht ist gerade auch diese neue Komplexität der Elektronik oder die Frage nach der Antriebsform eine Chance für die nachfolgende Garagistengeneration. Ob vollelektrisch, hybrid oder noch rein fossil die optimale Lösung für die Bedürfnisse des Kunden ist, kann wohl niemand besser beantworten als der geschulte Garagist mit seinen Mitarbeitenden. Er bleibt das menschliche Bindeglied zwischen Kunde und Auto.


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