Kommission befürwortet stärkere Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen und lehnt kantonale Elternzeit ab

  08.11.2022 Kanton

Die Gesundheits- und Sozialkommission des Grossen Rates unterstützt das neue Gesetz, wonach Menschen mit Behinderungen mehr Möglichkeiten bei der Wahl von Angeboten und Leistungserbringern erhalten sollen. Sie macht jedoch gleichzeitig verschiedene Verbesserungsvorschläge zur Schliessung möglicher Lücken. Die Initiative zur Einführung einer 24-wöchigen Elternzeit lehnt die Kommission ab.

Der Kanton Bern soll als einer der ersten in der Schweiz die finanziellen Mittel für Hilfs- und Unterstützungsleistungen an Menschen mit Behinderungen direkt ausrichten. So sollen Menschen mit behinderungsbedingtem Unterstützungsbedarf wählen können, ob sie in einem Heim Betreuungsleistungen erhalten oder ob sie diese Leistungen zu Hause beziehen wollen. Die Abklärung des behinderungsbedingten Betreuungsbedarfs soll künftig mit einer vereinfachten Methode («Individueller Hilfsplan») erfolgen.

Stärkere Selbstbestimmung und neue Möglichkeiten
Die Gesundheits- und Sozialkommission des Grossen Rates (GSoK) hat sich für die erste Lesung intensiv mit der Vorlage zum neuen Gesetz über die Leistungen für Menschen mit Behinderungen (BLG) auseinandergesetzt. Sie begrüsst insbesondere die stärkere Selbstbestimmung, die zusätzlichen ambulanten Unterstützungsangebote sowie die neue Entschädigung für betreuende Angehörige. Sie sieht jedoch im geplanten Paradigmenwechsel von der Objekt- zur Subjektfinanzierung auch Herausforderungen für alle Beteiligten.

Es braucht punktuelle Verbesserungen
Die Kommission beantragt dem Grossen Rat zwar die Zustimmung zum neuen Gesetz, fordert vom Regierungsrat im Hinblick auf die zweite Lesung aber gleichzeitig gezielte Verbesserungen. So sollen etwa auch Minderjährige Anspruch auf zusätzliche Assistenzleistungen erhalten. Ausserdem soll eine Härtefallregelung für Leistungserbringer während einer Übergangsphase sowie eine Aus- und Weiterbildungsverpflichtung zur Sicherstellung des Nachwuchses in Sozialberufen eingeführt werden. Eine Kommissionsminderheit möchte die Mitwirkung der Betroffenen zusätzlich stärken und die Hürden für in den Kanton Bern zugezogene Menschen mit Behinderungen senken. Weiter fordert die Minderheit eine von den Leistungserbringern unabhängigere Bedarfsermittlung sowie grössere Freiheit bei der Wahl der Unterstützungsmöglichkeiten.

Elternzeit auf nationaler statt auf kantonaler Ebene
Ebenfalls vorberaten hat die Kommission die Initiative für eine kantonale Elternzeit. Diese verlangt vom Kanton die Einführung einer bezahlten 24-wöchigen Elternzeit, die zusätzlich zum bestehenden Mutterschaftsurlaub bezogen werden könnte. Die GSoK hat betreffend die Gültigkeit der Initiative bei Prof. Dr. Ueli Kieser ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben. Die Kommission kommt aufgrund der detaillierten Ausführungen zum Schluss, dass die Initiative gültig ist. Wegen der nicht finanzierbaren Mehrkosten für den Kanton von geschätzten rund 200 Millionen Franken lehnt sie die Initiative inhaltlich jedoch ab. Die Vorteile einer Elternzeit für die Familie sowie für die Gleichstellung stellt die Kommission nicht infrage. Sie teilt jedoch die Auffassung des Regierungsrates, wonach mit einer einheitlichen nationalen Lösung dem Anliegen besser Rechnung getragen werden kann als mit unterschiedlichen kantonalen Regelungen. Eine Kommissionsminderheit möchte den Kanton Bern hinsichtlich einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf in einer Pionierrolle sehen und plädiert für die Annahme der Initiative.
Über beide Geschäfte, das Gesetz über die Leistungen für Menschen mit Behinderungen sowie die Initiative für eine kantonale Elternzeit, befindet der Grosse Rat in der kommenden Wintersession.

PD/GESUNDHEITS- UND SOZIALKOMMISSION DES GROSSEN RATES


Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote