«Lasst die Krokodile leben!»

  04.03.2022 Gstaad, Politik, Destination

Aktivistinnen der Tierschutzorganisation Peta demonstrierten am Dienstag vor der Hermès-Boutique in Gstaad gegen den Verkauf von Krokodilleder-Handtaschen einerseits und gegen die tierunwürdige Haltung und Tötung dieser Reptilien andererseits.

KEREM S. MAURER
«Wir von Peta klären die Öffentlichkeit mit medienrelevanten Mitteln und aufmerksamkeitserregenden Aktionen über Tierleid auf und üben Druck auf die Verantwortlichen in Wissenschaft und Politik aus, um die Misshandlung von Tieren zu unterbinden». So steht es auf der Website von Peta Schweiz und genau das haben am letzten Mittwoch Marie Simone Bascoule, Ulla Dreyfus und Floriane Kahn in Gstaad vor der Hermès-Boutique getan. Unterstützt wurden sie lauthals von der neunjährigen Tochter von Nachson Mimran, die sich mit grimmiger Mine und zorniger Stimme für die Krokodile stark machte. Die Tierschützerinnen hoben blutverschmierte Plakate in die Höhe, worauf stand, dass Krokodile für Hermès leiden würden. «Natürlich war das kein Blut, sondern eingedickter Rote-Beete-Saft», erklärte Marie Simone Bascoule nach der Kundgebung. Im Rahmen der freien Meinungsäusserung habe man die Demonstration bewilligt, hiess es seitens der Gemeinde Saanen auf Anfrage.

Krokodile erfahren unvorstellbares Leid
Mehrere Punkte stossen den Tierschützerinnen sauer auf: Hermés, so sagen sie, sei das letzte Unternehmen, welches überhaupt noch Krokodilleder zu Taschen und Schuhen verarbeite. Zudem unterhalte Hermès bereits zwei Krokodilfarmen in Australien und plane aktuell eine dritte mit einem Fassungsvermögen von 50’000 Tieren. «Die Art und Weise, wie die Tiere gehalten werden, geht gar nicht», empörte sich Bascoule und nannte einige Fakten, welche die australische Organsiation Kidness Project recherchiert hatte und die den Weg in die Broschüre gefunden haben, die von den Aktivistinnen an die Bevölkerung von Gstaad abgegeben wurde. Darin steht: «Arbeiter schneiden Krokodilen mit einem Messer das Genick auf und führen anschliessend eine Metallstange in die Wunde ein, mit der sie ihre Wirbelsäule zertrümmern – das alles geschieht häufig bei vollem Bewusstsein der Reptilien. Wenn ihnen die Haut vom Körper geschnitten wird, erleiden viele Exoten unvorstellbare Schmerzen.» Gemäss Website von Peta werden in der Wildnis gelegte Krokodileier aus den Nestern gestohlen und in die Krokodilfarmen gebracht. Dort werden Tausende Krokodile dicht nebeneinander in kargen Betonkäfigen gehalten, die nur unwesentlich grösser als die Tiere selbst sind, sodass diese sich darin kaum bewegen können. Im Alter von zwei bis drei Jahren werden die Tiere getötet. Recherchen dieser Zeitung haben ergeben, dass für Krokodilledertaschen von Hermès horrende Summen bezahlt werden. Das Modell «Birkin 35 Krokodil Handtasche weiss» beispielsweise wird auf vestiairecollective.com für 394’358 Franken angeboten. Natürlich geht es auch günstiger. Aber unter einem mittleren fünfstelligen Betrag wird es schwierig. Laut den Aktivistinnen lassen jeweils mindestens drei Krokodile für eine Tasche ihr Leben. Die Aufforderung der engagierten Tierschützerinnen «Lasst die Krokodile leben!» schallte regelmässig durch das feierabendliche Gstaad.

Die Kunden haben es in der Hand
Was wollen die Aktivistinnen in Gstaad mit dieser verhältnismässig kleinen Demonstration erreichen? Marie Simone Bascoule erklärte, solche Demos gegen Hermès hätten sie schon in Köln und Düsseldorf gemacht. Gstaad war die dritte, danach wollten sie nach Paris. In der einstündigen Kundgebung erreichten die Tierschützerinnen in Gstaad rund hundert Personen. War das der Aufwand wert? Ja, sind sich die drei sicher, denn entscheidend sei Instagram. Diese Kundgebung wurde gefilmt und anschliessend ins Netz gestellt, wo sie – wenn nicht gerade weltweit so doch wenigstens europaweit – geteilt werden würde. Bascoule: «Wir wollen, dass sich die Menschen darüber im Klaren sind, was passiert. Und dass sich der eine oder andere Kunde fragt, ob eine solche Krokodilledertasche wirklich sein muss.» Und eine Passantin, die sich die Kundgebung ein Weile angesehen hatte, sinnierte: «Wir Konsumentinnen und Konsumenten haben es in der Hand. Wenn wir diese Produkte nicht mehr kaufen, braucht es irgendwann keine Krokodilfarmen mehr.»

Hermès äusserte sich nicht
Die Aktivistinnen hatten nach eigenen Angaben mit der Leitung der Hermès-Boutique in Gstaad Kontakt aufgenommen und ihnen erzählt, was sie vor ihrer Tür zu tun gedenken. «Wir haben ihnen sogar eine Broschüre gegeben», so Bascoule. Leider hat die Medienstelle von Hermès die Fragen dieser Redaktion im Zusammenhang mit den Krokodilfarmen bis zu Redaktionsschluss nicht beantwortet.

 


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